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Von TISCH zu TISCH: Parc fermé

Stubenküken mit Rote-Bete-Papier

In dieser Ecke von Moabit ist es immer noch so duster wie vor sieben Jahren, als das Meilenwerk eröffnet wurde. Für die Gegend war das ein Lichtblick, freilich einer ohne Folgen: Noch immer mag ich keinem Gast empfehlen, das Gelände für ein abendliches Essen zu Fuß aufzusuchen. Wo ist die Gentrifikation, wenn man sie braucht?

Lange nicht mehr hier gewesen. In der kurzen Ära René Conrads war das kleine „Parc fermé“ ein bemerkenswertes Feinschmeckerziel, dann verschwand es langsam in der Vergessenheit. Doch der Immer-noch-Betreiber Aris Papageorgiou hat offenbar mal wieder Lust bekommen und die beiden Köche Dennis Ucak und Björn Swanson eingestellt, die es nun, doch, recht bunt treiben. Beide haben Erfahrungen in der Top-Gastronomie, kennen die angesagten Tricks und Kniffe – und wollen sie auch alle zeigen.

Das führt dazu, dass nicht alles gleichermaßen gelingt. Vor allem die durchgängig recht süße Grundabstimmung widerstrebt mir, aber das ist ein Geschmacksurteil, dem sich niemand anschließen muss. Zwei Menüs stehen auf der Karte, eins davon vegetarisch im Geist der Zeit (49-69 Euro), eins quer durch den Garten für 59-79 Euro. Zum Einstieg kommt ein gebeizter Saibling „Cajun“ – der Südstaatenakzent hat sich mir nicht erschlossen, aber der Fisch, nicht in Scheiben, sondern als glasig festes Stück serviert, schmeckte recht gut, begleitet von Zitronengelee und einem Cole Slaw, der aus eigener Kraft auf dem Teller zu stehen hatte und deshalb eindeutig zu trocken abgestimmt war.

Spannungsreich fiel der Quinoa-Salat aus, der in einem Mandarinensud schwamm und mit Mandarinenschaum überflufft war, eine reizvolle Spielerei. Fast schon konventionell wirkte dagegen das gelungene 60-Grad-Ei mit Kerbelpüree und etwas Knusper, und das auf der Karte etwas arg wild wirkende „Smokey Stubenküken“ mit Marillenchips, Tonkabohnenjus und Rote-Bete-Papier gab sich in der Realität überraschend harmonisch, ein gelungenes Gericht. Stimmig auch die Carabineiro-Garnelen mit gegrilltem Kürbis und Topinamburcreme.

Das Auberginenpüree zum leicht untergarten Lammrücken war dann doch des Süßen zu viel, zumal auch die gegrillte Avocado dazu von zuckrigem Glukose-Knusper eingehüllt sein musste; besser passte die mit Harissa geschmorte Schulter in schön tiefdunklem Jus. Wir waren nicht unfroh, nun doch die zu Recht gesüßten Desserts erreicht zu haben, die hier mit großer Detailfreude auch optisch höchst attraktiv angerichtet werden. Hervorheben möchte ich „Ivoire@Ivoire“, ein angenehm leichtes Schokoladendessert mit einer Mousse, einer Panna cotta mit Dill(!), Guavensorbet und Salzmandeln. Akkurater, informierter Service.

Das ist nun insgesamt in vielen Details anfechtbar – aber muss man es anfechten? Ich bin immer ganz froh über Köche, die nicht von Vornherein auf das Übliche, Immerschondagewesene setzen, sondern Risiken eingehen mit der Gefahr, dabei auch mal aus der Kurve zu fliegen. Wenn sich die beiden Spielernaturen hier noch ein bisschen verstetigen, kann das durchaus für mehr als nur ein paar Effekte reichen.

Die Weinkarte im „Parc fermé“ ist die seltsamste, die ich seit langem gesehen habe. Das ist nicht unbedingt ein Lob, denn ein großer Teil des Bestands wurde offenbar noch unter der Regie von René Conrad eingekauft, stammt aus den Jahren 2000 bis 2003 und dürfte sein Haltbarkeitsdatum erreicht haben; ich kann mir nicht vorstellen, dass ein einfacher steirischer Sauvignon nach zehn Jahren noch besonderen Genuss bietet, mochte es aber nicht eigens probieren. Denn es gibt immerhin auch eine ganze Reihe preiswerter frischer Weine, die sich eher anbieten.

Was wäre noch? Komisch, dass das kleine, wohnzimmerartig gediegene Restaurant die Atmosphäre des Meilenwerks mit den unzähligen blank polierten Oldtimern überhaupt nicht reflektiert, sondern nahezu komplett aussperrt. Dabei müssten es doch gerade die Autofreaks sein, die das schräge „parc fermé“ am Leben erhalten. Doch sie sind vermutlich eher mittags im kleinen Bistro nebenan zu finden.

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