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Von TISCH zu TISCH: St. Moritz

Maibock im Bauernbrotmantel

In der Spitzengruppe der Berliner Restaurants ist immer was los – gegenwärtig werden wieder ein paar Karten neu gemischt mit den Chefwechseln im „Vitrum“ und der „Quadriga“. Doch bei all den spektakulären Personalien vergessen wir oft, die überraschende Stabilität in der zweiten Reihe zu loben, wo es nicht um besternte Höhenflüge geht, sondern darum, den Gast für noch erträgliches Geld rundum angenehm zu versorgen. In die Reihe dieser Restaurants hat sich zweifellos das „Berlin – St.Moritz“ vorgearbeitet, das von Patron Anton Stefanov persönlich und mit enormer Sachkunde geführt wird. Achtung: Raclette und Geschnetzeltes gibt es hier nicht.

Ja, das ist immer noch der unvergessene „Bamberger Reiter“ mit der ländlich-gemütlichen Einrichtung, den viel zu engen Klos und der lauschigen Terrasse, die zudem durch zwei Tische draußen direkt vor dem Eingang ergänzt wird. Nein, dort sitzt man nicht wirklich auf der Straße, denn es geht abends überraschend ruhig zu, man lauscht den Vögeln und den Worten der arrivierten Oberstudienratsfamilien, die in stetem Strom vorüberradeln – das gehobene Schöneberg an seiner feinsten Stelle.

In der Küche, auch ein Zeichen bemerkenswerter Kontinuität, steht seit Jahren Patrick Bolte, der die Weinshow seines Chefs nicht durch extravagante Kompositionen zu übertrumpfen versucht, sondern, ja, mannschaftsdienlich kocht, mediterran-französisch mit kleinen modischen Einsprengseln wie dem Gelee aus roten Beten und dem Rote-Bete-Sorbet zur zart gekochten Kalbsschulter in Schnittlauchvinaigrette; schade, dass die aromatische Wurzel ausgerechnet im besten, nämlich dem natürlichen Zustand, nicht vorkam.

Ein Klassiker war das (einen Hauch zu lang) pochierte Ei auf Spinat mit Sommertrüffeln, die Meeresfrüchte in Krebsschaum ruhten auf solide mittelmeerischer Grundlage und waren von guter Konsistenz. Ein wenig überrascht fanden wir auf der Karte noch Anfang Juli eine Spargelsuppe sowie Spargelvariation mit rohen Scheiben, einem sanften Parfait und zarten Flusskrebsschwänzen vor – das macht eine runde Woche nach Abschluss der deutschen Spargelsaison keinen guten Eindruck, auch wenn gegen die Qualität nichts einzuwenden war.

Das Fleisch gelang ebenfalls gut: Schön saftiger Mai(!)bock in dünnem, knusprigen „Bauernbrotmantel“ mit Blumenkohlpüree und ebenso gelungene Bresse-Poulardenbrust mit Selleriepüree und kräftiger Sauce aus Senffrüchten waren zwei handwerklich sehr gelungene, gut gewürzte Fleischgänge; das alles ist zwar keine Gemüseküche, doch das Grünzeug wird merklich prominenter herausgestellt als in vergleichbaren Restaurants dieser Kategorie.

Wir beschlossen mit je einem Dessert-Dreiteiler im Variationen-Stil, schlüssiger kombiniert bei gebackenem Pfirsich in Pergament, Pfirsichsorbet und einem sahnigen Mousse, eher zufällig bei Waldmeistersüppchen, Kaffee-Eis und Erdbeertörtchen – aber bitte, das ist für nur acht Euro auf jeden Fall ein gutes Angebot, wie überhaupt das Preis-Qualitäts-Verhältnis ausgesprochen gut ist. (Vorspeisen um 18, Hauptgänge 24 bis 28 Euro, vier Gänge 48 Euro).

Die Weinkarte bietet zu freundlichen Preisen für jeden etwas – auffällig ist die Konzentration auf weniger bekannte Namen wie Landmann, Max Müller, Schloss Sommerhausen und völlige Newcomer. Die Stars der Saison findet man hier nicht, das ist erfreulich, denn es gibt dem Restaurant ein eigenständiges Profil, das sich noch steigern lässt, wenn man dem Chef die Auswahl der Weine glasweise überlässt. Dann schenkt er Nahe-Silvaner ein, weiß gekelterten Spätburgunder aus Rheinhessen oder Merlot aus der Pfalz, Dinge, die man normalerweise nicht bestellt, weil immer scheinbar Verlockenderes auf der Karte steht. Hier trinkt man all das mit großem Genuss, zumal die Abstimmung auf die einzelnen Gerichte durchweg sehr gut gelingt. Ein äußerst sympathisches Restaurant, das dem verflossenen Bamberger Reiter alle Ehre macht, auch wenn es dessen einstige Alleinstellung natürlich nicht mehr zu erreichen vermag.

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