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Von TISCH zu TISCH: Txokoa

Fenchel-„Risotto“ auf drei Arten.

Streng genommen ist es Unfug, sich abends ein langes Menü reinzustopfen und mit viel Wein runterzuspülen. Ich bin kein Mediziner, aber das nach solchen Mahlzeiten oft die ganze Nacht anhaltende unangenehme Gefühl sagt mir: Gesund war das nicht. Insofern ist es wohl ein großes Missverständnis, dass immer weniger gute Restaurants mittags überhaupt noch geöffnet sind. Und ich verstehe gut, dass gerade jene Betriebe boomen, die abends zwar gute Qualität liefern, aber den Gast nicht zum Verschlingen kompletter Menüs zwingen.

Andersherum geht es besser. Man bestellt ein Glas Wein, isst einen Happen, und der schmeckt. Warum also nicht noch ein wenig mehr probieren? Ach, und noch ein Glas Wein… Immer mehr legere Weinbars aller möglichen Stilrichtungen schließen sich dem Vorbild, der spanischen Tapas-Bar an. Die ist ja eigentlich erfunden worden, um für das eigentliche Essen, das gegen zehn in der Nacht beginnt, ein wenig vorzuglühen. Berliner Tapas-Bars öffnen gegen sieben, das ist ein Kompromiss. Sie befinden sich zwangsläufig in den In-Vierteln der Innenstadt, dort, wo leise das Monster der Gentrifizierung schnurrt, und ihre Betreiber probieren oft merkbar, was da noch gehen könnte. Denn wenn man die klassischen Tapas ein paar Mal gegessen hat, werden sie langweilig.

Vermutlich gefällt mir deshalb das baskisch getönte „Txokoa“, die Perle von Kreuzkölln, am besten. Nicht nur, weil baskisch eben nicht spanisch ist, sondern auch, weil hier in der Küche einer steht, der sich in der aktuellen Spitzenküche auskennt. Statt üblicher Tapas-Standardkost gibt es präzise gekochte aktuelle Gerichte wie das Fenchel-Risotto auf drei Arten, also: ein „Risotto“. Denn dessen Basis besteht aus Fenchelwürfeln, dazu kommen roh gehobelte Fenchelscheiben und ein würziger Schaum – das ist alles, das ist sehr gut (6,80).

Perfekt zart kommt der Oktopus mit Zimtkartoffeln und einer süßlichen Apfelemulsion (8,50), interessant schräg schmeckt die herbe Wildleberwurst in geliertem weißem Txakoli-Wein – viel Genuss für wenig Geld. Nun das große Aber: Das Weinangebot ist mehr als dürftig. Gerade einmal vier recht belanglose Weiße von 14 bis 24 Euro, davon drei offen, und einer auch noch aus Italien; bei den Roten sieht es nicht viel besser aus.

Andersherum liegen die Dinge in der Kreuzberger „Bar Raval“ am finsteren Görlitzer Park. Sie hat anfangs vor allem deshalb Aufsehen erregt, weil der Schauspieler Daniel Brühl beteiligt ist. Hier geht fast alles klassisch zu, die warmen wie kalten Häppchen aus der Standardkarte bieten keine Überraschungen, es sind - qualitativ gut ausgesuchte - Dinge, an denen die Küche wenig ändern kann. Für 13,90 gibt es: Gebackene Kartoffeln mit Aioli, kleine sanft scharfe Würste, Stockfischkrapfen und die unvermeidlichen Pimientos del Padron, nett, aber ohne großen Ehrgeiz zubereitet.

Attraktiver schien mir da die Tageskarte, auf der sich Ansätze einer eigenständigen Küchenidee zeigen. Wir probierten zwei vegetarische Gerichte, ein Tatar von Tomaten, Avocado und Champignons (6,90), sowie die gegrillten Gemüse („Escalivada“) mit überbackenem Ziegenkäse (7,40), ganz angenehme Häppchen, leider stereotyp mit Rucola bedeckt. Begeisterung, Sie lesen es zwischen den Zeilen, sieht anders aus. Aber immerhin stimmt hier das Weinangebot, zumal es qualitativ (wie natürlich auch preislich) ein ganzes Stück weiter nach oben reicht: Ein 0,2-l-Glas Sauvignon blanc Reina de Castilla kostet 7,20 Euro.

Beide Bars sind supersimpel eingerichtet, wobei die besonders eng gestopfte „Bar Raval“ die größere Anzahl eigentlich unzumutbarer Durchgangs- und Katzentische hat, zum Beispiel direkt neben der heftig schwingenden Klotür. Beide setzen auf Qualität für wenig Geld, beide liegen in der richtigen Gegend. Mein Ding ist eher das „Txokoa“.

Bar Raval, Lübbener Str. 1, Kreuzberg, Tel. 53167954, täglich ab 18 Uhr, im Sommer Sa/So auch mittags.

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