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Medikamente erwischen das HI-Virus nur, wenn es in aktiven Zellen sitzt.

© dpa

Aids-Forschung: Chancen auf Heilung

HIV lässt sich inzwischen gut behandeln – doch ganz wird man der Krankheit noch immer nicht Herr.

Die AIDS-Forschung ist ein Paradebeispiel dafür, wie nahe Hoffnung und Enttäuschung beieinanderliegen. Nicht zuletzt das „Mississippi-Baby“ hatte die Hoffnung beflügelt, HIV ließe sich mit einer frühen Therapie heilen. Rückschläge im vorigen Jahr zeigen jedoch, dass die Heilung von HIV weiter Zukunftsmusik bleibt. Forscher wissen inzwischen, dass sich das Virus schon kurz nach der Infektion im Körper versteckt und vermuten, dass selbst ein noch so früher Therapiebeginn nichts dagegen ausrichten kann. HIV-Medikamente erwischen das Virus nämlich nur, wenn es in aktiven Zellen sitzt, wo es sich vermehren kann. Sitzt es hingegen in ruhenden Zellen, kann es dort unbemerkt überwintern. „Wenn sich das Virus in solchen Zellen versteckt, können wir es momentan nicht mit Medikamenten treffen“, sagt der Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Köln, Gerd Fätkenheuer. „Das hat man vielfach gesehen.“

Die jüngsten Rückschläge sind die Kehrseite einer Medaille, die eigentlich eine Erfolgsgeschichte ist. Denn immerhin hat die antiretrovirale Therapie (ART) aus dem Schreckgespenst der 1980er und 1990er Jahre eine behandelbare Krankheit gemacht. Dass die moderne Kombinationstherapie den Ausbruch von Aids verhindern kann und Betroffene inzwischen eine normale Lebenserwartung haben, wertet der leitende Infektiologe des Universitätsklinikums Bonn, Jürgen Rockstroh, als „einen der ganz großen Erfolge in der Medizin“. Außerdem seien die Medikamente heute derart gut, dass es nur noch ganz selten zu Resistenzen oder Therapieabbrüchen wegen Nebenwirkungen komme. „Wir sind heute schon sehr nahe an idealen Kombinationen dran“, sagt Rockstroh. „Das lässt sich praktisch kaum noch steigern.“

Die Suche nach einem Heilmittel geht weiter

Aktuelle Forschungsbemühungen gehen dahin, die Einnahme weiter zu erleichtern und die Therapien besser verträglich zu machen. Noch in diesem Jahr soll die TAF-Therapie (Tenofovir Alafenamid) zugelassen werden und Nebenwirkungen an Nieren und Knochen verringern. Weitere Bemühungen zielen auf eine neue Wirkstoffklasse namens Attachment-Inhibitoren, die vor allem Patienten mit Resistenzen zugute kommen soll.

Unterdessen geht die Suche nach gänzlich neuen Therapieansätzen respektive einem Heilmittel unverdrossen weiter. Während eine Schutzimpfung gegen HIV vorerst wohl ein Wunsch bleiben wird, scheint eine „funktionelle Heilung“ zumindest im Bereich des Möglichen zu sein. Bei diesem „heilungsähnlichen Zustand“ halten nicht Tabletten, sondern das Immunsystem die Viren in Schach. Die Gentherapie gilt unter Dutzenden anderen Forschungsansätzen – darunter eine therapeutische Impfung – als besonders vielversprechend.

In Berlin ist man damit sogar schon recht weit: Wissenschaftlern der Charité ist es gemeinsam mit US-Kollegen gelungen, Blutstammzellen von HIV-Infizierten genetisch so zu verändern, dass das Immunsystem resistent gegen das Aidsvirus wird. Ob die HIV-Infektion mit der neuen Gentherapie auch beim Menschen dauerhaft kontrolliert werden kann, müssen klinische Studien erst noch zeigen.

Eine funktionelle Heilung von HIV – ähnlich wie bei einer Herpes-Infektion – hält auch der Kölner Infektiologe Gerd Fätkenheuer für „vorstellbar“. Mit welchen Mitteln, lässt er allerdings offen: „Wahrscheinlich werden multimodale Konzepte die Zukunft der HIV-Therapie bestimmen.“

Beatrice Hamberger

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