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Gesundheit: Auen könnten austrocknen - Schaden für die Landwirtschaft befürchtet

Was dem Westen der Rhein, ist dem Osten die Elbe: Nach jahrelangen Forschungen und Unsummen von Investitionen ist die Elbe heute auf dem Weg, sich einigermaßen zu erholen. Doch alle Kuren für Ostdeutschlands größte Müllkippe nützen nichts, wenn die Zuflüsse unbeachtet bleiben.

Was dem Westen der Rhein, ist dem Osten die Elbe: Nach jahrelangen Forschungen und Unsummen von Investitionen ist die Elbe heute auf dem Weg, sich einigermaßen zu erholen. Doch alle Kuren für Ostdeutschlands größte Müllkippe nützen nichts, wenn die Zuflüsse unbeachtet bleiben. Die Elbe-Programme des Bundesforschungsministeriums laufen in wenigen Monaten aus. Alle Aufmerksamkeit richtet sich nun auf ihren größten Zufluss: die Saale.

Das Leipziger Umweltforschungszentrum und die Akademie der Naturforscher Leopoldina luden deshalb zahlreiche Experten ein, um eine erste Analyse des Zustandes der Saale vorzunehmen. Sie entspringt im nördlichen Fichtelgebirge und fließt über Bayern nach Thüringen, an riesigen Kaligruben vorbei. Der Bergbau ruht weitestgehend, doch die alten Abraumhalden werden das Wasser der Saale noch auf Jahrzehnte versalzen. Der wichtigste Abschnitt des Flusses mit 182 Kilometern liegt in Sachsen-Anhalt, bevor die Saale südöstlich von Barby in die Elbe mündet. Ihr Einzugsgebiet beträgt 23 687 Quadratkilometer, davon entfallen auf Sachsen-Anhalt 19 000 Quadratkilometer.

Etwa 4,5 Millionen Menschen leben im Einzugsbereich des Flusses, der durch extreme Pegelschwankungen gekennzeichnet ist. Während des großen Hochwassers im Jahre 1994 führte die Saale hundert Mal so viel Wasser wie zum historischen Tiefststand 1934. Um Energie zu gewinnen oder die Pegel zu regulieren, entstanden entlang des Flusses zahlreiche Staubecken und Wehre. Dennoch ist die Saale über weite Abschnitte noch natürlich - ausgedehnte Auen puffern die Hochwasser. "Es gibt in Deutschland nur noch zwei intakte Mündungsgebiete: wo die Saale in die Elbe fließt und die Mündung der Isar in die Donau", meinte Stefan Klotz vom Umweltforschungszentrum. "Kommt der geplante Ausbau zur Wasserstraße auch für größere Schiffe, werden die Auen radikal zurückgehen." Der Ausbau ist von Halle an der Saale bis zur Elbmündung geplant.

Durch die jahrzehntelange Versiegelung der Randauen verlieren die Flüsse ihre Anbindung an das Grundwasser, denn die Überschwemmungsflächen fallen weg. Der Fluss wird in ein eingedeichtes Bett gezwängt oder gar durch Dichtwände, so genannte Spunde, völlig vom Untergrund getrennt. Die vom Fluss abgeschnittenen Auen hingegen trocknen aus. Seit einigen Jahren drängen Erlen und Ahorn in die ehemals feuchten Weidenauen der Saale. Das ist ein deutliches Zeichen, dass sich das Grundwasser zurückzieht. "Im Sinne der Volkswirtschaft, der Bauern und des Naturschutzes wäre es sinnvoll, die Grundwasserspitzen zu erhalten", sagte Stefan Klotz. "Jede Staustufe hält Wasser zurück, das den Auen fehlt."

Die Folge: Bei Hochwasser schwellen die Flüsse gewaltig an. Um nicht zu überfluten, müssen in diesem Fall die Staubecken und Wehre geöffnet werden. Dies zwingt wiederum dazu, die Deiche vor allem in Orten auszubauen. Das kostet Millionen und betrifft die Infrastruktur der Kommunen. So musste die Stadt Köln am Rhein unlängst 110 Millionen Mark hinblättern, um ihre Kanalisation in Ordnung zu bringen.

Zwar hatten die Deiche des Rheins während des letzten großen Hochwassers gehalten, aber das Abwasser hatte sich zurückgestaut und war durch die Keller in die Häuser gestiegen. Auch erhöht sich durch Flussbegradigungen im Interesse der Schifffahrt die Fließgeschwindigkeit der Gewässer enorm und damit ihre Wucht, falls die Deiche brechen. Das sinkende Grundwasser hingegen trifft vor allem die Landwirte, denn die Böden trocknen aus. Bislang gilt die Magdeburger Börde, unmittelbar zum Einzugsgebiet der Saale gehörend, als eine der fruchtbarsten Regionen Deutschlands.

Für die Forscher ist die Saale auch aus einem anderen Grund von höchstem Interesse: Mitte dieses Jahres wird aus Brüssel die neue Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union erwartet, die schrittweise in nationales Recht umzusetzen ist. Sie sieht vor, künftig alle Kosten - also auch die verdeckten Subventionen in die Infrastruktur oder den Umweltschutz - in den Preis für Wasserdienstleistungen einzubeziehen. Zwar ist noch nicht ganz klar, wie sich die ökologische Qualität eines Gewässers in Geld ausdrücken lässt, doch erste Forschungen dazu laufen bereits. "Das betrifft sowohl das Flusswasser als auch das Grundwasser", erläuterte Martin Socher vom Umweltfachamt in Leipzig. "Das Ziel ist die kostendeckende Abrechnung von Wasserdienstleistungen, inbegriffen die Aufwendungen für den Umweltschutz und die Schonung der Ressourcen."

Ein ökologisch intaktes Gewässer, das in der Lage ist, eine hohe Wasserqualität aus sich selbst heraus bereitzustellen, wird also weniger Kosten verursachen als ein Fluss, der mit enormem Aufwand gereinigt werden muss. Alle Investitionen für die Schiffbarkeit eingerechnet - wird dann der Gütertransport per Saaleschiff vergleichbare Preise erreichen wie der mit der Trägerrakete Ariane ins Weltall?

Ein Schwerpunkt der Saaleforschung wird es sein, den ökologischen Zustand eines Flusses in Geld auszudrücken. Bernd Hansjürgens, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Halle-Wittenberg, verwies auf Forschungen zur Sozio-Ökonomie, die sich mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Armut oder Migration beschäftigt. Auch diese Probleme haben enorme volkswirtschaftliche Bedeutung, sind aber bisher kaum in konkrete Summen zu fassen. Nur für die Inanspruchnahme von Böden gibt es erste Modelle, den Bodenwert und Ausgleichsflächen in Geld umzurechnen.

Heiko Schwarzburger

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