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Gesundheit: Bakterien auf der Rutschbahn

Seife rettet Kinderleben in Karatschi

Während es in unseren Breiten gang und gäbe ist, sich nach dem Besuch des „stillen Örtchens“ die Hände mit Seife zu waschen und anschließend an einem sauberen Handtuch abzutrocknen, wird diese Verhaltensregel in typischen Entwicklungsländern von nicht einmal einem Fünftel der Bevölkerung befolgt. Manchmal gibt es dort kein Wasser, wo man es bräuchte. Meist fehlt es allerdings an jenem Stückchen glitschigen Materials, das Bakterien wie auf einer Rutschbahn von den Händen gleiten lässt. Ist beides vorhanden, werden aus Unkenntnis oder Phlegma die Hände an einem Kleidungsstück abgewischt, das – bakteriologisch gesehen – ähnlich schmutzig ist, wie es die Finger gerade vorher waren.

Die Folge: infektiöse Darmerkrankungen. Etwa zwei Millionen Kinder sterben jährlich an den Folgen fäkal-oraler Infektionen, bei denen Keime aus den Exkrementen über verschmutzte Hände, Küchenutensilien oder Kleidung in den Mund gelangen.

Der Frage, was konsequentes Händewaschen mit Seife unter diesen Verhältnissen für die Erkrankungshäufigkeit von Säuglingen und Kleinkindern bewirkt, ist jetzt eine Gruppe amerikanisch-pakistanischer Forscher in den Elendsquartieren von Karatschi nachgegangen. Hier treten im Durchschnitt vier akute Durchfälle pro 100 Kinder pro Woche auf. Diese sind bei Kleinkindern häufig der Ausgangspunkt einer lebensbedrohlichen Erkrankung.

Die Ärzte unterteilten die Familien eines Slums nach Zufallskriterien in zwei Gruppen. 606 Haushalte bekamen eine handelsübliche Seife gestellt. Sie wurden darüber aufgeklärt, warum es wichtig ist, sich die Hände mit Seife zu waschen und wie und wann man es am besten macht. In ähnlich vielen Familien blieb alles beim Alten. Diese Haushalte dienten den Wissenschaftlern als Kontrollen.

Bereits nach acht Wochen hatte sich die Erkrankungshäufigkeit in den Familien mit regelmäßigem Seifengebrauch dramatisch verändert. Bei Säuglingen war die Durchfallrate um 39 Prozent, bei Kleinkindern sogar um 57 Prozent gesunken. Dabei war es unerheblich, ob die Eltern eine normale Seife oder ein viel teueres Produkt mit keimabtötenden Zusätzen benutzt hatten. Im Laufe der nächsten 12 Monate mussten Kinder aus den „Seifenfamilien“ 56 Prozent seltener wegen eines Durchfalls in ärztliche Behandlung, die Notwendigkeit von Krankenhausaufenthalten sank um ein Viertel.

Die Studie ist ein Beispiel für eine privat-öffentliche Partnerschaft im Gesundheitswesen, bei der beide Seiten profitieren. Sie wurde von dem amerikanischen Waschmittel- und Kosmetikhersteller „Procter & Gamble“ finanziert und von einer gemeinnützigen Einrichtung in die Tat umgesetzt. Das Interesse der Waschmittelhersteller liegt auf der Hand. Ihre Werbestrategen wissen seit langem, dass Attraktivität und Schönheit suggerierende Seifen ein Garant hoher Umsätze sind. Sechs gut gemachte Werbespots pro Monat gehört oder gesehen, und schon ändert sich das Kaufverhalten – zumindest bei Frauen. Und die Frauen kaufen in Entwicklungsländern ohnehin Seife zum Waschen der Wäsche und sind meist für die Körperhygiene der Kinder verantwortlich. Doch nicht nur die Industrie, sondern nicht zuletzt auch die Betroffenen profitieren von der Kooperation, wie die Studie eindrucksvoll demonstriert.

Herrmann Feldmeier

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