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Gesundheit: Bakterien sind nie so schnell wie die Verbrennung

Mechanisch-biologische Verfahren zur Müllbehandlung tragen derzeit noch ein schweres Handicap: sie werden nach der gültigen Vorschrift (nach der Technischen Anleitung Siedlungsabfall, kurz: TASi) von 2005 an praktisch nicht mehr betrieben werden dürfen. Denn von diesem Zeitpunkt an dürfen auf herkömmlichen Hausmüllkippen nur noch Stoffe abgelagert werden, die maximal fünf Prozent Organik enthalten.

Mechanisch-biologische Verfahren zur Müllbehandlung tragen derzeit noch ein schweres Handicap: sie werden nach der gültigen Vorschrift (nach der Technischen Anleitung Siedlungsabfall, kurz: TASi) von 2005 an praktisch nicht mehr betrieben werden dürfen. Denn von diesem Zeitpunkt an dürfen auf herkömmlichen Hausmüllkippen nur noch Stoffe abgelagert werden, die maximal fünf Prozent Organik enthalten. Das schafft nur eine Verbrennungsanlage. Aber ist diese Vorschrift, ist dieser Wert wirklich entscheidend? Diese Frage stand gerade im Zentrum der Ergebnispräsentation eines Verbundvorhabens, die an der Uni Potsdam stattfand. Rund 300 Abfall-Fachleute aus der Bundesrepublik und dem Ausland kamen deswegen zusammen.

Die "Fünf-Prozent-Hürde" der TASi soll verhindern, dass das Material über Jahrzehnte hinweg biologisch abgebaut wird. Denn die Bakterien im Müll setzen die organischen Bestandteile zum klimaschädlichen Methangas um. Der Organik-Abbau gefährdet die Standsicherheit der Kippe und Regen wäscht gefährliche Stoffe ins Grundwasser.

Aber unter "Organik" läuft eben auch Material, das von den Bakterien gar nicht angeknabbert wird, das sich auf der Kippe über Jahrhunderte hinweg neutral ("inert") verhält, Kunststoffe zum Beispiel. Sicher, Plastik sollte ohnehin schon vorab aussortiert worden sein, aber manche Reste könnten durchrutschen. Und wenn das geschieht, dann erhöht das zwar den Organik-Anteil im Müll, macht sich biologisch aber gar nicht bemerkbar.

"Der Glühverlust-Wert ist eigentlich gar nicht ausschlaggebend, wichtiger sind da etwa der Sauerstoffbedarf und die Gasbildungsrate", sagt Konrad Soyez von der Forschungsgruppe Ökotechnologie am Zentrum für Umweltwissenschaften der Uni Potsdam. Die Forschungsgruppe koordiniert immerhin insgesamt 30 Institutionen, die an dem Thema gearbeitet haben und nun 18 Teilvorhaben präsentierten. Seit 1995 wurde für die Untersuchungen rund 20 Millionen Mark ausgegeben. Gefördert wird die umfangreiche Untersuchung vom Bundesforschungsministerium.

"Wenn die Vorbehandlung des Abfalls stimmt, dann gibt es auf der Kippe nur noch einen minimalen Stoffumsatz", fasst Soyez die Ergebnisse zusammen. Minimal, das bedeutet: pro Gramm Trockensubstanz werden fünf Milligramm Sauerstoff gebraucht, pro Kilo behandeltem Restmüll entstehen über die Folgejahre hinweg nur noch 20 Liter Methangas.

Angesichts der Millionen Tonnen von Hausmüll erscheint diese Menge gar nicht so gering. Deshalb kommt es auch sehr darauf an, wie die Kippe gebaut ist. Wenn oben eine einen bis zwei Meter dicke Schicht Kompost darüber gelegt wird, dann wird darin das Methan zu Kohlendioxid und Wasser zerlegt.

Dennoch ist es aus energeticher Sicht schade: Bei der Rotte wird Energie frei und nachher auch. Das kann man doch nutzen? "Sicher, einige Projekte arbeiten mit einer zwischengeschalteten Vergärung", sagt Soyez. Unter Sauerstoffabschluss ("anaerob") wird eben jenes Methan frei, das (wie Erdgas) als Energieträger genutzt werden kann. Aus so einer luftdichten Anlage dringt zudem kein Gestank ins Freie. Aber auch eine Vergärung setzt nicht alles vollständig um, das Material muss anschließend zur Nachrotte.

Und ein Nachteil bleibt immer: Die Bakterien sind - ob mit oder ohne Vergärung - nie so schnell wie eine Müllverbrennung. Selbst intensiv arbeitende Rotten brauchen 14 Tage für die Vorarbeit und zwölf bis 16 Wochen für die Nachrotte. "Extensive Rotten" lassen sich sogar sechs Monate und mehr Zeit, um große Teile der organischen Substanzen abzubauen.

Gideon Heimann

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