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Gesundheit: Bayern zeigt seine Prestigeforschung

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften ist das "Aushängeschild der bayerischen Forschung, das sich zum ersten Mal außerhalb der Landesgrenzen präsentiert". Rainer Bocklet, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, ist zur festlichen Präsentation in die Bayerische Landesvertretung nach Berlin-Mitte gekommen.

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften ist das "Aushängeschild der bayerischen Forschung, das sich zum ersten Mal außerhalb der Landesgrenzen präsentiert". Rainer Bocklet, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, ist zur festlichen Präsentation in die Bayerische Landesvertretung nach Berlin-Mitte gekommen. Zweierlei bewegt die Bayern: Ihr Freistaat "ist einer der führenden Forschungsstandorte in Europa". Und: "Bislang haben sich die Akademien zu wenig um wissenschaftspolitische Öffentlichkeitsarbeit bemüht".

Doch das ändert sich gerade: "Forschung zum Anfassen" verspricht Heinrich Nöth, der Präsident der Akademie. Die Bayerische Akdemie ist nach Etat, Anzahl der Mitarbeiter und der Forschungsvorhaben die größte unter den sieben in der "Union" zusammengeschlossenen Wissenschaftsakademien in Deutschland. Von den 60 Millionen Mark, die jährlich für die Arbeit zur Verfügung stehen, steuert der Freistaat Bayern rund zwei Drittel bei.

Begonnen hat das Unternehmen vor rund 300 Jahren. Es sollte eine "Nutz und Lust erweckende Gesellschaft der vertrauten Nachbarn am Isarstrand" sein. Das heutige Themenspektrum erstreckt sich viel weiter: "Von alten Kulturen zum schnellsten Rechner" spannt sich der Bogen. An den acht Ständen im Lichthof des Gebäudes erläutern Tieftemperaturforscher Grundlagen und Anwendungen der Supraleitung und Verfahren zur Verflüssigung von Helium. Musikhistoriker erklären die Sisyphusarbeit beim Edieren der Werke von Orlando di Lasso, der im 16. Jahrhundert am bayerischen Herzogshof wirkte und als einer der fruchtbarsten Komponisten seiner Zeit gilt. Und bei den Keilschriftexperten ist die Schlange der Interessierten am längsten: Es gibt Mitbringsel zu verteilen. Ein sumerisch gewandeter Wissenschaftler, "gebürtig aus Schwabing", drückt mit einem kleinen Stab Keilschrift in weiche Tonklümpchen. Wie man mittelalterliche Handschriften erschließt, erfährt man am Stand der Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters: geistliche Spiele und Marienkataloge, sämtliche Bilderhandschriften deutscher Sprache und Lieddichtungen des Mittelalters wurden von der Kommission aufgearbeitet. Ihr Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters umfasst dreieinhalbtausend mit Illustrationen und sonstigem Buchschmuck ausgestattete Codices deutscher Sprache.

"Langfristige Forschungsvorhaben, die meist die Lebensspanne oder die Arbeitskraft eines einzelnen Forschers übersteigen, werden durch Kommissionen geleitet," erklärt Heinrich Nöth. Für den Akademiepräsidenten ist angesichts dieser Leistungen die Kritik an den Langzeitprojekten unverständlich. Wo anders als in den Akademien der Wissenschaften hätten sie ihren Platz, meint Nöth und verweist auf die Editionen großer Philosophen wie Jacobi, Fichte oder Schelling, auf die Herausgabe wissenschaftlicher Wörterbücher wie der Tibetischen Schriftsprache, des Altokzitanischen, aber auch des Bayrischen und Fränkischen.

Ganz anderer und aktueller Natur sind die Gletscherforschungen. Glaziologen der Akademie unterhalten die höchst gelegene Mess-Station der Alpen auf dem Vernagt-Gletscher in Österreich. Welche Bedeutung die Beobachtung der Gletscher für das große Thema der Klimaerwärmung hat, erläutert die Glaziologin Heidi Escher-Vetter. Die Massenbilanz des Gletschers und der Wasserhaushalt werden in Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen erforscht - und das schon seit mehr als hundert Jahren. "Gletscher sind eine wichtige Süßwasserressource," betont sie, "die Erde braucht das Wasser nicht, aber die Menschen!" Das Eis des Vernagt-Gletschers habe in den letzten zehn, fünfzehn Jahren dramatisch abgenommen - ein Beweis, welche bedenkliche Entwicklung sich hier unter dem Stichwort globale Erwärmung vollzieht.

Die jüdische Westwanderung

"Dass ein Akademiemitglied auch über anderes als die Akademie sprechen kann", will Horst Fuhrmann, Historiker und Vorgänger Heinrich Nöths im Amt des Akademiepräsidenten, beweisen. Sein Vortrag beschäftigt sich mit der jüdischen Bevölkerung Berlins vor dem Ersten Weltkrieg, besonders mit den Einwanderern aus Schlesien. Über die "jüdische Westwanderung" schrieb schon der Dichter Gustav Freytag: "dies jüdische Element... beginnt einen Bildungsprozeß in der ersten Generation bei uns, die zweite Generation geht nach Berlin." Selbstverständlich seien es hauptsächlich wirtschaftliche Gründe gewesen, die die Juden nach Westen, nach Berlin lockten. Hier begannen sie bald auch eine gesellschaftlich-kulturelle Rolle zu spielen, betont Horst Fuhrmann. Ihre Herkunft, ihr Wirken in Beruf und Gesellschaft, bezeichnet Horst Fuhrmann als "bedrückende Spurensuche." Denn ihre Leistung sei in Vergessenheit geraten.

Die Lebenswege des tüchtigen Juristen Theodor Heidenfeld und des erfolgreichen Geschäftsmannes Simon Cohn begannen im oberschlesischen Kreuzburg und führten nach Berlin, direkt vor die Tür der heutigen Bayerischen Vertretung in der Behrenstraße 47. Dort hatte Simon Cohn um 1870 ein Haus in Berlins vornehmer Mitte erworben, eingerahmt von zwei jüdischen Nachbarn, beide Bankiers.

Cohn, Heidenfeld und viele andere strebten nicht nur hierher, "um später in Berlin die höchste Culturstufe zu erreichen," meint Horst Fuhrmann, indem er ein zeitgenössisches ironisches Wort aufgreift, sondern sie förderten Bildung und Kultur. Das habe auch Theodor Fontane den reichen jüdischen Bürgern hoch angerechnet, obschon er in seiner Einstellung zu den Juden sehr schwankte und angesichts des wachsenden jüdischen Hausbesitzes eine "totale Verjüdelung" fürchtete.

Gerlinde Unverzagt

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