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Behandlungsfehler: „Die Hemmschwelle ist immens“

Beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler sollten sich Patienten gut beraten lassen, rät Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Auch die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten zu unterstützen.

Frau Dr. Köster-Steinebach, wie eifrig klagen die Deutschen ihre Ärzte wegen vermeintlicher Behandlungsfehler an?

Gar nicht eifrig, die Hemmschwelle ist immens.

Woran liegt das?

Das liegt einmal daran, dass so eine Klage eine enorme psychische und zeitaufwändige Belastung ist. Viele wollen und können sich das nicht antun. Und zum anderen werden Behandlungsfehler meist gar nicht wahrgenommen. Nehmen Sie zum Beispiel eine Wundinfektion. Wie wollen Sie als Patient beurteilen, wo das eigene Schicksal aufhört und der Fehler der Klinik anfängt? Darum gehen wir von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.

Angenommen mir kommt als Patient etwas verdächtig vor. Was raten Sie mir?

Das kommt sehr darauf an, was Sie erreichen wollen. Wenn Sie sich erst einmal orientieren wollen, sprechen Sie mit dem behandelnden Arzt oder holen Sie sich eine Art Zweitmeinung ein. Die Verbraucherzentrale und die Unabhängige Patientenberatung Deutschlands UPD können Sie in jedem Fall kontaktieren. Die werden Ihnen auch sagen, wo Sie sich hinwenden können, wenn Sie etwa eine Entschädigung wollen.

Wer hilft mir in diesem Fall weiter?

Wenn es Ihnen um Schadenersatz oder eine Entschädigung geht, dann können Sie sich an die Schlichtungsstellen der Ärztekammern oder den Medizinischen Dienst der Krankenkassen wenden. Die erstellen Ihnen auch ein Gutachten. Das können die Beratungsdienste nicht. Neuerdings sind auch die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, ihre Versicherten bei Behandlungsfehlern zu unterstützen.

Wie gut werden denn meine Interessen von diesen Institutionen vertreten?

Leider ist das sehr unterschiedlich. Aus unserer Erfahrung nutzen ärztliche Gutachter gerne ihren Ermessensspielraum aus, was manchmal mehr den Ärzten als den Patienten nützt. Und bei den Krankenkassen kommt es auch auf den Streitwert an. Der Aufwand, so einen Fall aufzudröseln, ist nämlich beachtlich. Es ist schon schwer genug, einen Behandlungsfehler nachzuweisen. Aber Sie müssen dazu noch belegen, dass Ihr erlittener Schaden durch den Behandlungsfehler entstanden ist. Diese Beweisführung ist extrem schwierig und genau daran scheitern auch viele.

Hat das neue Patientenrechtegesetz hier nicht eine Verbesserung gebracht?

Ach was. Dieser Punkt hat sich sogar tendenziell verschlechtert. Es gab eine patientenfreundliche Entwicklung in der Rechtsprechung, die eine Beweiserleichterung auch bei einfachen Behandlungsfehlern vorsah. Das wurde vom Gesetz jetzt wieder auf grobe Behandlungsfehler zurückgedreht.

Klingt irgendwie ernüchternd.

Und wenn Sie schauen, wie niedrig am Ende die Entschädigungssummen sind, lassen viele eine Klage lieber gleich bleiben. Hier müsste sich im deutschen Recht dringend etwas ändern. Ich glaube, das würde langfristig auch die medizinische Qualität verbessern.

Dr. Ilona Köster-Steinebach, Referentin, Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., Berlin. Mit ihr sprach Beatrice Hamberger.

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