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Gesundheit: Berlin braucht Universitäten eher als Fachhochschulen - weitere Umschichtungen schaden

Die Fachhochschulen Berlins veröffentlichten vor einigen Wochen ein Papier, das die Universitäten unter den gegebenen Umständen als Kampfansage empfinden müssen. Insofern müssen sie eine deutliche Antwort erwartet haben.

Die Fachhochschulen Berlins veröffentlichten vor einigen Wochen ein Papier, das die Universitäten unter den gegebenen Umständen als Kampfansage empfinden müssen. Insofern müssen sie eine deutliche Antwort erwartet haben. Sie sollen sie bekommen, indem ihnen hier ein "So nicht und jetzt nicht!" entgegengehalten wird.

Was die Fachhochschulen fordern, ist einfach gesagt: Nachdem bereits im Zuge der Verlängerung der Hochschulverträge mit dem Land Berlin 27 Millionen DM jährlich bis zum Jahre 2002 von den Universitäten zu den Fachhochschulen verlagert wurden, wollen die Fachhochschulen nun weitere Mittelverlagerungen zu Lasten der Universitäten bekommen. Und das, obwohl es sich um eine, wie Senator Radunski während der Verhandlungen immer wieder betonte, "einmalige Aktion auf besonderen Wunsch des Abgeordnetenhauses" handelte. Die Begründung dafür - in Berlin sei die Schieflage zwischen Fachhochschulstudienplätzen und Universitätsstudienplätzen mit 28 zu 72 besonders stark - ist grundsätzlich richtig. Sie verweist darauf, dass die Ausbauentscheidungen der deutschen Hochschulpolitik Anfang der 70er Jahre falsch waren.

Seinerzeit wurden die Universitäten - und nicht die Fachhochschulen ausgebaut. Damit wurde ein Verhältnis von 30 zu 70 zwischen Studienplätzen an Fachhochschulen und solchen an Universitäten bundesweit realisiert. Das war eine gigantische Geldverschwendung angesichts der Bedürfnisse der Wirtschaft, die liebend gern mehr Fachhochschulabsolventen als Universitätsabsolventen einstellen würde. Deshalb muss es langfristiges Ziel der Hochschulpolitik sein , das oben genannte Verhältnis zwischen 60 zu 40 und 70 zu 30 einzuspielen und damit umzukehren. Insofern haben die Berliner Fachhochschulen im Grundsatz Recht.

Aber es gibt gewichtige Argumente dagegen, dieser Forderung jetzt nachzukommen und das noch auf die vorgeschlagene Weise der einfachen Budgetverlagerung. Das erste Argument resultiert aus der durch die Verträge im Jahre 1997 geschaffenen Situation: Seinerzeit wurden die Hochschulen verpflichtet, auf der Basis der für das Jahr 2000 vereinbarten Budgets Strukturpläne zu entwickeln, die die bis dahin wirksamen dramatischen Kürzungen vor allem an den beiden früheren West-Berliner Universitäten auffangen sollten. Es galt, eine zukunftsfähige Struktur im geschrumpften Rahmen zu entwickeln. Diese Verpflichtung der Hochschulen enthielt freilich auch eine Verpflichtung des Landes, diesen geschrumpften Rahmen auszufinanzieren, damit die neuen Strukturen nachhaltig werden können. Die Hochschulen haben entsprechende Strukturpläne beschlossen, und das Land ist seiner Verpflichtung zur Ausfinanzierung bei der Verlängerung der Verträge bis zum Jahre 2002 im Rahmen seiner Möglichkeiten nachgekommen.

Leider wurden den Universitäten später noch global zugunsten der Fachhochschulen 27 Millionen DM abgezogen. Und die Finanzierung eines Anstiegs der Pensionslasten und Beihilfen zwischen 1997 und 2000 wurde den Universitäten verweigert. Das bedeutet zwar noch einmal einen Aderlass für die Universitäten, gefährdet aber die Nachhaltigkeit der neuen Strukturpläne nicht im Kern. Die vollständige Realisierung der neuen Strukturen wird nur um weitere zwei bis drei Jahre in die Zukunft verschoben. In den Ergänzungsverträgen bis 2002 wurde dann das Prinzip der Übernahme unproduktiver Ausgabensteigerungen (Inflation, Lohn- und Gehaltserhöhungen, Zuwächse bei Pensions- und Beihilfelasten) zugesagt. Solange diese Übernahme beibehalten wird, können die neuen Strukturen auf die Dauer finanziert werden.

Weitere Umverteilungen zu Lasten der Universitäten dagegen würden diese Basis gefährden. Nicht ein neuer Studienplatz würde kurz- und mittelfristig an den Fachhochschulen entstehen, wenn es zu einer nochmaligen Veränderung der langfristigen finanziellen Rahmenbedingungen kommt. Alle Kürzungen der Sollstruktur lassen nur den personellen Überhang wachsen. Denn das Reservoir derjenigen, die in den nächsten fünf bis sieben Jahren die Universitäten verlassen und damit finanziell entlasten, ist schon durch die vorangegangenen Kürzungsrunden mehr als ausgeschöpft. Würde man trotz dieser Situation die Sollstruktur der Universitäten weiter kürzen, so wären die Universitäten auf Jahre hinaus Einrichtungen zur Auslaufbeschäftigung von Überhangpersonal, ohne großen Nutzen für die Stadt, es sei denn, der Berliner Senat fände die Kraft, in soziale Besitzstände einzugreifen. Aber der Senat hat den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahre 2004 verlängert.

Was für einen großen Flächenstaat gilt (also die Relation von 60 zu 40 Fachhochschul- zu Universitätsstudienplätzen), muss nicht notwendig für einen Stadtstaat gelten. Die Bundeshauptstadt Berlin braucht seine drei Universitäten dringender als seine Fachhochschulen. Denn an den Universitäten werden jene Neuerungen kreiert, ohne die der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt und ihrer Umlandregion nicht stattfinden wird. Und weil Berlin im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen wirtschaftlich noch weit zurückliegt, müssen seine Universitäten besonders gut sein. Das immer wieder aufflackernde dumme Gerede, Berlin habe zu viele Universitäten, stammt von Leuten, die immer noch nicht begriffen haben, woher ihr Wohlstand kommt. Richtig ist, dass alle drei Universitäten - gemessen an der Anzahl der Studierenden, nicht an der Anzahl der Professuren - zu groß sind. Sie müssen ihre Betreuungsrelationen verbessern, sowohl um Eliteausbildung zu garantieren als auch um mehr Zeit für die Forschung zu haben.

Um das volle Ausmaß der Misere begreifen zu können, lohnt ein Blick über die Grenzen Berlins hinaus nach Brandenburg. Das Land hat sich mit der Finanzierung von gleich drei Universitäten wirklich übernommen. Hier ruht eine Zeitbombe von erheblicher Sprengwirkung für den Fall einer aus vielen Gründen mittelfristig unabdingbaren Vereinigung der beiden Länder Berlin und Brandenburg. Die Brandenburger haben immer unter dem aus ihrer Sicht raffgierigen Zentralismus Berlins gelitten. Da wird es wohl nichts nützen, darauf hinzuweisen, dass vor den Universitäts-Gründungen in Brandenburg gewarnt worden ist. Der Versuch, den Standort Golm zum Wissenschaftspark auszubauen, kann nur noch als rührend bezeichnet werden. Da fehlte es an Einsicht, dass Berlin die Mitte Brandenburgs bildet und deshalb kein schlechter Standort auch für Brandenburgs Universitäten wäre. Andererseits muss Berlin nicht notwendig auch die größten Fachhochschulen haben.

Man kann der Geschichte nicht nachtarocken. Deshalb wird man zur Kenntnis nehmen müssen, dass alle nun existierenden Hochschulen in Berlin und Brandenburg unter einer gewissen institutionellen Garantie stehen. Davon wird auch der Wissenschaftsrat bei seiner derzeit laufenden Begutachtung der Entwicklungspläne der Berliner Hochschulen ausgehen müssen.

Unter diesen Umständen muss die Lösung des aufgezeigten Dilemmas in einer Hochschulpolitik gesucht werden, die den Wettbewerb zwischen den Hochschulen und Forschungsinstituten in der Region Berlin-Brandenburg intensiviert. Dies impliziert weitergehende Freiheiten für die Hochschulen bis hin zu Studiengebühren. Ein solcher Wettbewerb ist kein reines Nullsummenspiel. Er eröffnet vielmehr die Chance, dass sich die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Region an die Spitze des sich abzeichnenden innovatorischen Wettlaufs auf dem Markt des Wissens setzen und dadurch auch finanziellen Spielräume zurückgewinnen, die ihnen die öffentlichen Haushalte schon lange nicht mehr garantieren können.

Eine solche Hochschulpolitik verlangt politischen Mut: zuzugeben, dass die öffentliche Alimentierung des Wissenschaftssystems im benötigten Umfang nicht mehr möglich ist; abzubauen, was sich an Besitzständen und ideologischen Überhöhungen im Laufe der vergangenen 30 Jahre um diese öffentliche Alimentierung gerankt hat, bei den Statusgruppen, bei den Verwaltungen und den Parlamenten; und schließlich zu ertragen, dass die eine oder andere liebgewordene Institution in diesem Wettbewerb untergeht.Der Autor ist Präsident der Technischen Universität Berlin.

Hans-Jürgen Ewers

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