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Gesundheit: Bevölkerungsrückgang: Die schrumpfende Gesellschaft

"In diesem Jahrhundert werden wir in Deutschland nie wieder so viele Jugendliche haben wie heute." In dieser nüchternen Feststellung fasst der Bevölkerungsforscher Herwig Birg viele detaillierte Berechnungen zusammen.

"In diesem Jahrhundert werden wir in Deutschland nie wieder so viele Jugendliche haben wie heute." In dieser nüchternen Feststellung fasst der Bevölkerungsforscher Herwig Birg viele detaillierte Berechnungen zusammen. Eine Grundthese: Wir brauchen Zuwanderung. Aber auch mit deutlich mehr Zuwanderern als heute kann der Bevölkerungsrückgang nicht kompensiert werden.

An Alarmrufe über schrumpfende Einwohnerzahlen ist man in Deutschland eigentlich seit Jahrzehnten gewöhnt. Schließlich hatten wir Mitte der 80er Jahre weltweit die niedrigste Geburtenrate, was schon damals Spekulationen über ein Aussterben auslöste. Doch die Entwicklung der 80er Jahre wirkt sich erst heute richtig aus. "Wenn die Geburtenrate einmal unter die stabilisierende Zahl von durchschnittlich 2,1 Kindern pro Frau gesunken ist, setzt 20 bis 30 Jahre später eine deutlich geringere Zahl von Eltern diese Entwicklung fort", erläuterte Birg. In diesem Jahrhundert sei die Fortsetzung des Geburtenrückgangs folglich unvermeidlich. Selbst wenn beispielsweise durch eine freundlichere Familienpolitik in Deutschland wieder im Schnitt mehr als zwei Kinder pro Frau geboren werden, werde die Bevölkerung von 82 Millionen über 71 Millionen auf 67 Millionen abnehmen.

Birg warnt angesichts dieser Entwicklung vor zunehmenden sozialen Konflikten. Die Probleme der Rentenversicherung sind schon länger bekannt. Künftig kommen voraussichtlich höhere Lasten auf den einzelnen Bürger zu. Das können aber nicht alle finanzieren - ein erheblicher Zündstoff. Wenig beachtet ist, dass auch die Krankenversicherung bei einer alternden Gesellschaft erheblich belastet wird: Versicherte, die älter als 60 Jahre seien, kosteten die Kassen heute acht mal mehr als Jüngere, meint Birg. Auch hier werde das Problem durch die schwindene Zahl von Beitragszahlern verstärkt.

Die Hoffnung auf jüngere, gut qualifierte Zuwanderer dämpfte der Wissenschaftler. Eine Beispielrechnung der Vereinten Nationen geht von 188 Millionen Einwanderern nach Deutschland bis zum Jahr 2050 aus, die zur Kompensation des Geburtenrückgangs nötig sind. Das wären mehr als 3,5 Millionen Menschen pro Jahr. Angesichts der aktuellen und erregten Diskussionen über mehrere tausend Zuwanderer jährlich ist das kaum vorstellbar. Dazu kommt, dass andere Industriestaaten eine ähnliche Entwicklung verzeichnen wie wir selbst. Gleichwohl wächst die Weltbevölkerung insgesamt weiter, nach diesen Rechnungen von derzeit 6,1 Milliarden auf rund 9,3 Milliarden im Jahr 2050. Allein Indien würde mit einem Geburtenüberschuss von 16 Millionen in einem einzigen Jahr die Defizite der meisten Industriestaaten aufwiegen.

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