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Gesundheit: DAAD wird 75 Jahre alt: Der Millionenaustausch

Auf die zwei wichtigsten Gäste musste das Geburtstagskind verzichten: Weder Bundespräsident Rau noch Außenminister Fischer schafften es, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst zu seinem 75-Jährigen Jubiläum in persona zu gratulieren. Dabei ist der DAAD neben den Goethe-Instituten der wichtigste Vermittler deutscher Kultur und Wissenschaft in der Welt.

Auf die zwei wichtigsten Gäste musste das Geburtstagskind verzichten: Weder Bundespräsident Rau noch Außenminister Fischer schafften es, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst zu seinem 75-Jährigen Jubiläum in persona zu gratulieren. Dabei ist der DAAD neben den Goethe-Instituten der wichtigste Vermittler deutscher Kultur und Wissenschaft in der Welt. Immerhin hatten Johannes Rau und Joschka Fischer eine gute Entschuldigung, denn sie sorgten auf ihre Weise für einen Austausch zwischen den Nationen: Rau begleitete US-Präsident Bill Clinton zur Karlspreis-Verleihung nach Aachen, Fischer kümmerte sich persönlich um seine Amtskollegin Madeleine Albright. Ob sie geahnt hatten, dass DAAD-Präsident Theodor Berchem viel Schelte für die Politik bereit hielt?

25 Millionen Mark strich das Auswärtige Amt dem DAAD für diese Legislaturperiode. "Da steht man doch manchmal perplex da", kommentierte der DAAD-Präsident. "Einerseits kreiert die Politik etwa die deutsch-französische Hochschule, und zur gleichen Zeit werden bestehende Organsiationen wie die Goethe-Institute und wir zusammengekürzt. Das ist nicht sinnvoll."

Vielleicht liegt das daran, dass der DAAD vielen Politikern trotz seines hohen Alters nicht wirklich ein Begriff ist. Fischer-Vertreter Christoph Zöpel sprach konsequent vom Auslands- statt Austauschdienst. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn wähnte sich zunächst gar auf dem 15jährigen Jubiläum der Organisation. Und wen meinte der DAAD-Präsident, als er forderte: "Vielleicht müssten alle deutschen Politiker auch mal im Ausland studieren?" Etwa den Hardcore-FU-Studenten Eberhard Diepgen, der Berlin während seiner ganzen Ausbildung nie verlassen hat? Der notorische Kultur-Verächter überraschte durch die Ankündigung, "die kreativen und unkonventionellen Kulturszenen dieser Stadt" fördern zu wollen.

Das brachte die 1500 Gäste im Haus der Kulturen der Welt dann doch noch in Feierstimmung. Stolz bilanzierte DAAD-Präsident Berchem eine Millionen geförderter Stipendiaten in 184 Ländern: "Wir sind in mehr Ländern vertreten als der Bund." Allein 1999 schickte der DAAD 34 000 Deutsche ins Ausland, sei es als Studenten, Wissenschaftler oder Praktikanten. Knapp 26 000 ausländische Studierende und Wissenschaftler kamen mit Hilfe des DAAD nach Deutschland. Das ist Rekord - mehr Stipendiaten wurden vom DAAD noch nie innerhalb eines einzigen Jahres gefördert. Für die Zukunft will Berchem Deutschland wieder zu einer der ersten Adressen für die akademische Nachwuchselite im Ausland werden lassen. Statt wie bisher zehn sollen mittelfristig zwanzig Prozent aller deutschen Studenten zumindest einen Teil ihres Studiums im Ausland verbracht haben.

Angesichts dieser "größten Austausch-Agentur der Welt" (so der Hannoveraner Historiker Manfred Heinemann) nehmen sich die Anfänge der Organisation sehr bescheiden aus. Genau dreizehn Soziologie-Studenten kamen als erste in den Genuss von DAAD-Stipendien, auch wenn diese damals noch gar nicht so hießen. Der Heidelberger Student Carl Joachim Friedrich hatte 1925 besagte Stipendien am New Yorker Institute of International Education eingeworben und gründete extra den "Akademischen Austauschdienst", um sie an interessierte Kommilitonen zu bringen. Erst 1931 fügt die Organsiation das "Deutsch" zum Namen hinzu. Immerhin 101 Austauschstipendien warteten jetzt bereits auf auslandswillige Nachwuchswissenschaftler. In der NS-Zeit wird der DAAD in seiner Arbeit mehr und mehr eingeschränkt, bis 1943 alle Akten des DAAD einer Berliner Bombennacht zum Opfer fallen und der Austauschdienst seine Arbeit einstellt.

Gerade 0,0016 Prozent des heutigen Etats von 422 Millionen Mark standen einer Handvoll Mitarbeiter zum Neuaufbau nach dem Krieg zur Verfügung - nämlich 7000 Mark. Die Briten hatten 1950 zu einer Neugründung gedrängt. Dass Kultur- und Wissenschaftspolitik der hohen Politik auch voraus sein kann, zeigte sich ein Jahr später: Noch vier Jahre vor der Wiedereröffnung der deutschen Botschaft in Großbritannien richtet der DAAD eine Außenstelle in London ein.

Daraus sind inzwischen dreizehn geworden - von New York über Paris und Kairo nach Tokio sowie Jakarta. Eins gilt aber im neuen Jahrtausend wie 1925: Die meisten deutschen Geförderten - mehr als 60 Prozent - zieht es in die westlichen Industrieländer. Asien und Osteuropa gelten immer noch als unattraktiv, obwohl die derzeitige Debatte über den Mangel an IT-Spezialisten und Ingenieuren zeigt, dass die in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung vermeintlich nachhinkenden Länder gerade in diesen Zukunftsbranchen den Deutschen mehrere Schritte voraus sind. Umgekehrt kommen dagegen 46 Prozent aller ausländischen Stipendiaten aus dem ehemaligen Ostblock. Berchem warnte angesichts dieser Schieflage davor, den Austausch in einem erweiterten Europa zu einer Einbahnstrasse werden zu lasssen. Neue Programme des DAAD versuchen deswegen gezielt, Anreize für den Austausch mit Osteuropa, aber auch Asien und Lateinamerika zu schaffen.

Rumäniens Erziehungsminister Andrei Marga erinnerte eindrücklich daran, dass für viele Partnerländer die Verbindung über den DAAD weitaus mehr als nur eine Frage des "Studienstandortes Deutschland" (Bulmahn) ist. Marga promovierte als DAAD-Stipendiat 1975 in Freiburg und Bielefeld - in Rumänien herrschte damals noch der Schreckensdiktator Nicolae Ceausescu. Alternativen zum Ceausescu-Regime seien nicht durch Zufall von Intellektuellen propagiert worden, die alle ein Jahr an deutschen Universitäten verbracht hätten. "Die Zugehörigkeit zum freien Geist der europäischen Kultur erfuhren wir an deutschen Unis." Ähnliche Töne waren vom Inder V.S. Raju zu hören. Der heutige Direktor des Indian Institute of Technology in Neu Delhi, eine der IT-Kaderschmieden Indiens, wurde für seine Doktorarbeit an der Uni Karlsruhe ebenfalls vom DAAD unterstützt. Die Zeit in Deutschland habe ihm "die Augen für den Fortschritt geöffnet." Durch den Austauschdienst sei er immer wieder ermuntert worden, als "Katalysator ins Heimatland zurückzukehren, um dort Forschung und Industrie voranzutreiben". Das Ergebnis: Heute kommen deutsche Studenten zu Raju nach Neu Delhi, um dort ihre Doktorarbeit zu schreiben.

"Nichts kann die Erfahrung des persönlichen Austausches ersetzen", sah der DAAD-Präsident seinen Verband für die nächsten Jahrzehnte auf einem guten Weg. Auch E-Mail, Chatrooms und Videokonferenzen könnten daran nichts ändern. Der Festakt wurde übrigens per Webcam live im Internet übertragen. Vielleicht haben Johannes Rau und Joschka Fischer kurz zugeguckt.

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