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Gesundheit: "Dann tobt der Saal"

Manche Profs können Hörer fesseln / Neun von ihnen hat die TU zu "Champions der Lehre" gekürtVON INGO BACHJedesmal, wenn ein Student seine Vorlesung mittendrin verläßt, ist Bernd Hillemeier deprimiert.Darum müht sich der Dozent am Fachbereich Bauingenieurwesen der Technischen Universität (TU), die Studenten - "eine anspruchsvolle Kundschaft" - über 90 Minuten bei der Stange zu halten.

Manche Profs können Hörer fesseln / Neun von ihnen hat die TU zu "Champions der Lehre" gekürtVON INGO BACHJedesmal, wenn ein Student seine Vorlesung mittendrin verläßt, ist Bernd Hillemeier deprimiert.Darum müht sich der Dozent am Fachbereich Bauingenieurwesen der Technischen Universität (TU), die Studenten - "eine anspruchsvolle Kundschaft" - über 90 Minuten bei der Stange zu halten.Zwischendrin übt er auch mal mit ihnen, wie man Vorträge hält."Viele wissen vor Aufregung gar nicht, wohin mit den Händen", sagt er.Dann greife er tief in die Vorstellungskiste: "Der Moderator des Sportstudios hat seine Hände weder in der Hosentasche noch hält er sich am Overhead-Projektor fest." Eine kleine Einlage - "dann tobt der Saal." Hillemeier ist einer der Favoriten an der TU und darf sich "Champion der Lehre" nennen.Am Dienstag würdigte die Uni neun Profs mit einer Urkunde, einer Ehrenplakette und einem Päckchen Tafelkreide. Ein Champion ist Hillemeier nicht nur wegen seiner Entertainment-Einlagen, sondern auch, weil er erfolgreich Wissen vermittelt.Damit die Konzentration seiner durchschnittlich 500 Zuhörer nicht verlorengeht, plant er immer zwei Phasen ein, in denen die Studenten mitschreiben.Und zum Ende der Vorlesung gibt es "zur Belohnung" ein paar Dias zu sehen - das macht fröhlich. Über ähnliche Talente, die Lehre spannend und unterhaltsam zu machen, verfügen auch die anderen Preisträger, die durch eine Fragebogenaktion unter den Studenten ermittelt wurden.Damit ist die TU die erste Berliner Universität, die aus einer Evaluierung sichtbare Konsequenzen zieht.Auch anderswo gab es derartige Versuche.So kursierten im letzten Jahr an der Humboldt-Universität Fragebögen an Studenten der Fachbereiche Physik und Landwirtschaft.Das Echo war verheerend: Nur wenige Studenten machten mit und die Dozenten fühlten sich von Leuten kontrolliert, die die fachliche Qualität ihrer Lehre gar nicht kompetent beurteilen könnten. Auch an der TU stolperte man über ähnliche Probleme, räumt der "Erfinder" dieser Bewertungsaktion, Vizepräsident Christian Thomsen, ein.Im Schnitt hätten sich zwar je nach Lehrveranstaltung 40 bis 90 Prozent der Studierenden an der Umfrage beteiligt, aber bei manchen Lehrveranstaltungen sei die Resonanz gleich null gewesen.Dies lag wohl auch daran, daß die Lehrkräfte selbst die Fragebögen verteilen sollten.Nicht alle Dozenten hätten das getan, sagt Thomsen."Das kann man natürlich als eine Art Gegenwehr interpretieren." Viele seiner Kollegen seien von dieser Bewertung eben nicht nur begeistert.Bei der nächsten Champions-Umfrage im kommenden Sommersemester werden deshalb die Fragebögen per Infopost direkt an die Studierenden verschickt. So ganz kann Thomsen den Unwillen seiner Kollegen nicht verstehen, ging es doch diesmal nur um eine Positivauswahl - eben um die Champions.Die hinteren Ränge wurden gar nicht beachtet, weil das Frageraster nach dem Motto: "Hat es dir gefallen? Und wenn ja, warum?" dafür viel zu grob gestrickt war.Um Mängel aufzuspüren, bedarf es eines wesentlich feineren Fragekataloges.Und den darf man nicht nur Studenten vorlegen, auch Fachkollegen von außerhalb sollten bei der Beurteilung ein Wörtchen mitreden dürfen.Und das nach objektiven Vergleichskriterien, die anfang dieses Jahres auch schon der Wissenschaftsrat gefordert hat.Freilich, Vergleiche kann man nur zwischen ähnlichen Studiengängen ziehen, also müßten sich verschiedene Technische Universitäten zusammensetzen und einen Evaluierungsverbund bilden, sagt Thomsen.Zur Zeit werkele an der TU eine Komission genau an diesem Problem.Dabei macht der Vizepräsident Druck.Schon ab dem Wintersemester 1998 will er herausfinden, was in der Lehre "nicht klappt".Er weiß, daß die Studenten nur ungern an solchen Bewertungsaktionen teilnehmen, weil den weniger erfolgreichen Dozenten bisher nie Konsequenzen drohten.Und auch wenn er es nicht direkt sagt: Thomsen will die Nichtchampions endlich auf Trab bringen. Denn es geht auch um Geld.Langfristig will Thomsen die knappen Mittel den Fachbereichen nach der Qualität der Lehre zuteilen oder sie, wenn es die Evaluierung ergibt, einstellen.

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