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Gesundheit: Das Erziehungs-ABC

Wie soll ich mein Kind ernähren? Was mache ich, wenn es krank wird? Eine Ärztin der Berliner Charité bereitet werdende Eltern auf ihre neue Rolle vor

Was brauche ich, wenn ich Mutter werde? Ausgezeichneten Rat bekommen werdende Eltern von der Charité-Kinderärztin Renate Bergmann. Ihr Projekt „Eltern-Kolleg“ wurde mit dem Innovationspreis der Kaufmännischen Krankenkasse für vorbildliche und innovative Ansätze in der Prävention prämiert. Im Rahmen ihres Projekts hat die Ärztin bereits über 200 Seminare abgehalten.

Die Teilnehmer dieser Lehrveranstaltungen waren nicht Medizinstudenten, sondern 206 junge Familien aus dem Berliner Bezirk Wedding. Auch ihre Babys hatten sie in Kinderwagen oder Wippe an die Universität mitgebracht. Sie wurden zwischendurch gestillt und gewickelt. Faltblätter, Handzettel, Overhead-Folien, eigens gedrehte Filme dienten als Lehrmaterialien. Später, als die Kinder schon krabbeln und laufen konnten, kamen sie selbst als Anschauungsmaterial in den Kolleg-Stunden vor.

Insgesamt sechs Mal trafen sich die jungen Eltern, deren Kinder alle in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 in der Klinik für Geburtsmedizin der Charité Campus Virchow geboren wurden, in Gruppen von bis zu zehn Familien mit den Kinderärzten, zum ersten Mal einen Monat nach der Geburt, zuletzt eineinhalb Jahre danach.

Während dieser Zeit nahmen sie nicht nur regelmäßig an den Info-Veranstaltungen teil, sondern kamen auch mehrfach mit den Kindern zu ärztlichen und zahnärztlichen Untersuchungen und füllten zahllose Fragebögen aus.

Renate Bergmann und ihr ebenfalls an der Charité tätige Mann Karl Bergmann wollten mit ihrem Projekt die Hypothese prüfen, ob gezielter und anschaulich-verständlicher Unterricht in den „Fächern“ Stillen und Ernährung, Raucherentwöhnung der Eltern, Kariesvorbeugung, Ekzemverhütung und Impfungen jungen Eltern hilft, ihre Babys und Kleinkinder gesundheitlich optimal zu fördern.

Tatsächlich zeigte sich, dass die Mütter, die am Kolleg teilnahmen, ihre Kinder länger stillten als eine Vergleichsgruppe von Müttern, die nicht in den Genuss des Kollegs gekommen waren. Später gaben sie ihren Kindern weniger gezuckerte Getränke, Kekse, Schokolade – aber auch weniger aromatisierte Quarks und Joghurts, die wegen entsprechender Vermarktung bei vielen Eltern zu Unrecht als „gesund“ gelten. Die medizinischen Untersuchungen der Kinder ergaben, dass diejenigen, die mindestens sechs Monate lang gestillt worden waren, in dieser Zeit weniger Infekte durchgemacht hatten. Sie blieben zudem auch später schlanker.

Die geschulten Eltern waren auch mit Nahrungsmitteln, die bei Veranlagung Allergien auslösen können, zurückhaltender. Der Erfolg zeigte sich darin, dass bei den Kindern aus erblich vorbelasteten Familien beispielsweise deutlich seltener Fälle von Neurodermitis auftraten.

Die Zahnpflege

Die Eltern-Abende der Kinderärzte führten auch dazu, dass die Impftermine gewissenhafter wahrgenommen wurden. Renate Bergmann sieht hier eine wichtige Aufgabe der ärztlichen Aufklärung. Denn Hebammen, die heute als Ansprechpartnerinnen werdender und junger Mütter ausgesprochen wichtig sind, geben zwar wichtige Hilfen beim Stillen und bei der Säuglingspflege. „Viele von ihnen raten aber von Impfungen ab. Das ist bedenklich, denn die Hebammen haben das Vertrauen der Eltern“, so Bergmann.

Ein Sektor, auf dem sich zum Leidwesen der Wissenschaftler nicht viel bewegt hat, ist das Rauchen: Nach anfänglicher Zurückhaltung, vor allem in den Wohnräumen, rauchten die jungen Eltern zwei Jahre nach der Geburt ihres Kindes wieder so viel wie vor der Schwangerschaft.

Als großen Erfolg dagegen wertet Renate Bergmann dagegen den Sieg gegen Karies, der allerdings aufwendig ist. Die Eltern müssen dafür zum Beispiel lernen, dass meist sie die auslösenden Bakterien aus der eigenen Mundhöhle an ihre Säuglinge übertragen. Das Programm schloss folglich Zahnpflegetipps und einen Zahnarztbesuch der Mütter mit ein. Der messbare Erfolg zeigte sich darin, dass kindliche und mütterliche Mundhöhlen eineinhalb Jahre nach der Geburt bei den Kollegteilnehmern deutlich weniger von Kariesbakterien besiedelt waren.

Das Preisgeld in Höhe von 8000 Euro will die engagierte Wissenschaftlerin in den Ausbau des Eltern-Kollegs stecken.

Derzeit erprobt die AOK das Konzept in einem Modellprojekt. Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) ist eine Broschüre in Arbeit, die die wichtigsten Elemente des Kolleg-Programms enthält und allen jungen Eltern in Deutschland zugänglich gemacht werden soll.

Adelheid Müller-Lissner

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