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Gesundheit: Das Polarmeer wird immer süßer

Klimawandel verringert Salzgehalt im Norden

Klimawandel verringert Salzgehalt im Norden

Schmeckt das Ozeanwasser im hohen Norden seit einigen Jahren weniger salzig, täuscht der Geschmackssinn die Eskimos nicht: Der Klimawandel hat den Salzgehalt der Polarmeere verändert. In den 50er Jahren enthielten diese noch erheblich mehr Salz als in den 90er Jahren, stellen US-Wissenschaftler des Woods Hole Meeresforschungsinstituts in Massachusetts fest („Science“, Band 313, Seite 1061). Da Salz aber nicht einfach verschwindet, muss Süßwasser die Fluten im Eismeer und im Norden von Atlantik und Pazifik verdünnt haben.

Diesem Süßwasser sind die Forscher auf der Spur. Eine Quelle bilden die steigenden Wassermengen, die Flüsse und Niederschläge ins Meer schütten. Rund 20 000 Kubikkilometer Süßwasser mehr als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichten so in den letzten fünfzig Jahren die Ozeane in den hohen Breiten. Würde man ein halbes Jahrhundert lang jährlich mehr als achtmal den Bodensee in die Polarmeere gießen, kämen dort ähnlich große Mengen an. Dieses Süßwasser könnte man in einem Würfel mit 27 Kilometer langen Kanten speichern, der am Meeresufer liegend dreimal höher als der höchste Berg der Erde wäre.

Fast die gleiche Süßwassermenge lieferte mit 15 000 Kubikkilometern seit den 1950er Jahren das zunehmend schmelzende Eis auf den Meeren der Arktis. Das entspricht ungefähr 300-mal der Wassermenge im Bodensee oder einem mit 25 Kilometer langen Kanten noch immer recht gigantischen Würfel. Weitere 2000 Kubikkilometer Süßwasser ließen die Schmelzwasser der abtauenden Gletscher der Gebirge Europas, Sibiriens und Nordamerikas in die Meere des Nordens strömen.

Tauen die Gletscher und das Eis auf den Meeren, ist die Schuldfrage schnell geklärt: Die Temperaturen müssen gestiegen sein. Schwieriger ist der Fall beim Süßwasser, das aus Wolken und Flüssen die Meere erreicht. Da hilft ein Blick auf die Wetterkarte: Seit den 1970er Jahren liegt im Winter viel häufiger als früher ein sehr stabiles Tiefdruckgebiet bei Island, dem über den Azoren ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet gegenüber steht.

Häufen sich solche Wetterlagen über dem Nordatlantik, stehen die Chancen auf Ski und Rodel in Mitteleuropa schlecht. Zwischen dem Islandtief und dem Azorenhoch pfeift der Wind nämlich besonders kräftig von West nach Ost und hält so die kalten und trockenen Luftmassen aus Sibirien vom Westen des Kontinents fern. Da die Luftmassen aus dem relativ warmen Atlantik viel Wasser aufgenommen haben, bringen die Westwinde Mitteleuropa nicht nur milde Winter, sondern auch reichlich Niederschläge. Und die erreichen entweder direkt, wenn sich die Wolken schon über dem Meer entladen, oder eben indirekt über Bäche und Flüsse die Ozeane im hohen Norden.

Wenn die Nordpolarmeere mehr Süßwasser enthalten, fehlt den Eskimos nicht nur der Salzgeschmack auf den Lippen. Auch die Meeresströmungen hängen vom Salzgehalt des Eismeeres ab. Je salziger dort nämlich das Wasser ist, umso stärker dreht über einen komplizierten Mechanismus die Warmwasserheizung Europas auf, die Laien als Golf- und Experten als Nordatlantikstrom kennen. Ob auch der Umkehrschluss gilt und süßer werdende Gewässer im hohen Norden Europa die Heizung abdrehen könnten, wird in Fachkreisen noch diskutiert.

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