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Gesundheit: „Das Reformwerk Charité kann gelingen“

Vorstandschef Detlev Ganten über die Situation der Hochschulmedizin in Berlin

Herr Ganten, die Enquetekommission des Abgeordnetenhauses „Eine Zukunft für Berlin“ hat vor einem Monat eine „University of Berlin“ als Dach für die drei großen Berliner Universitäten vorgeschlagen. Unterstützen Sie diesen Vorstoß?

Nein, diesen Vorstoß unterstütze ich nicht. Was Berlin wirklich braucht, ist eine bessere autonome Koordination der Wissenschaft und die Stärkung der politischen, finanziellen und wissenschaftlichen Unterstützung. Die Abstimmung wird schon jetzt effizient realisiert durch die Konferenz der Berliner Universitäten (KBU). Es wäre unsinnig, diesen autonomen Koordinationsprozess zu stören. Neue Strukturdiskussionen wären kontraproduktiv.

Der Gedanke an ein gemeinsames Dach, wie auch Sie es in Ihrem von uns in gekürzter Fassung dokumentierten Text vorgeschlagen haben, verursacht bei den Hochschulen Angst vor einer Fusion.

Ich kenne niemanden, der eine Fusion der Berliner Universitäten ernsthaft überlegt, ich sicher nicht. In meinem Aufsatz für die Deutsche Nationalstiftung von 2003, der jetzt vom Tagesspiegel in Auszügen nachgedruckt wurde, habe ich nicht von „Fusion“ gesprochen, sondern von einer Bündelung der Kräfte für die Wissenschaftsstadt Berlin. Die wichtigsten Grundaussagen basierten auf den gemeinsam erarbeiteten Positionen der Vereinigung der Berliner Wissenschaft „WissenSchaft Zukunft“ und der Initiative „An Morgen Denken“.

Ihre Überlegungen werden missverstanden?

Ja, mir geht es um etwas ganz anderes. Darum, an die große Wissenschaftstradition in Berlin anzuknüpfen und in die Rolle einer „Global City“ hineinzuwachsen. Um Weltstädte, die als Knotenpunkte fungieren, in denen neues Wissen geschaffen und interdisziplinär zwischen den verschiedenen Forschungsbereichen verbunden wird. So entwickeln sich dort wirtschaftliche Kraft und kulturelle Vitalität mit großer Ausstrahlungskraft.

Es gehört zum wissenschaftspolitischen Mainstream, zu versuchen, die einzelnen Forschungseinrichtungen besser miteinander zu vernetzen sowie die Versäulung zwischen den außeruniversitären Instituten und den Hochschulen zu überwinden. Und Berlins Abgeordnete argumentieren, der Verbund der Hochschulen könne helfen, die Profilierung der einzelnen Standorte zu erleichtern und die Verwaltung effizienter zu gestalten. Das klingt doch vernünftig?

Das klingt nicht nur vernünftig, sondern wird hier, wie gesagt, bereits durch die Konferenz der Berliner Universitäten (KBU) realisiert. Die Einbeziehung der außeruniversitären Forschung in die Universitäten bleibt trotz guter Fortschritte ein wichtiges Thema für die Zukunft. Die Helmholtz-Gemeinschaft, aber auch die Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft machen hier begrüßenswerte Anstrengungen. Wenn die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder jetzt endlich doch Realität wird, was wir alle hoffen, wird diese engere, auch verbindliche Zusammenarbeit Berlin zum Gewinner im Wettbewerb der Wissenschaftsstandorte und damit im Zukunftswettbewerb machen.

Der Senat hat vor zwei Jahren die Fusion der Berliner Hochschulmedizin beschlossen, die sich jetzt – besonders angesichts der geforderten Einsparungen – schwierig gestaltet. Können Sie trotz alledem auch schon positive Effekte erkennen?

Dem Fusionsbeschluss ging eine jahrelange, polarisierende Standortdebatte voraus. Inzwischen haben auch viele andere Universitätskliniken in Deutschland allergrößte finanzielle Schwierigkeiten und schwierige Strukturdebatten. Wir werden in Deutschland großen und langfristigen Schaden für die klinische Forschung erleiden, wenn wir nicht entschlossen und systematisch gegen steuern. Wir brauchen langfristige politische Lösungen für die Überlebensfähigkeit der universitären Medizin und der Gesundheitsforschung einschließlich der Biotechnologie, Medizintechnik und Pharmazie.

Wie sieht das in der Charité aus?

Die Charité geht ganz entschieden den Weg der unternehmerischen Neugestaltung. Dieses macht erkennbar große Schwierigkeiten, nach innen und außen. Unser Ziel ist es, unter den Bedingungen einer staatlichen Einrichtung unternehmerisch zu handeln. Kernelement der neuen Strukturen sind die 17 Charité-Zentren, die ein hohes Maß an Handlungsfreiheit in allen Bereichen erhalten sollen, damit dort Forscher, Ärzte und alle anderen Mitarbeiter weitgehend selbstverantwortlich ihre Aufgaben erfüllen können. Es gibt ein hohes Maß an Bereitschaft mitzuarbeiten. Allerdings muss die Berliner Politik endlich auch ein Medizinstrukturgesetz verabschieden, das uns die Möglichkeiten unternehmerischen Handels eröffnet. Darauf warten wir dringend.

Kritiker an den Universitäten befürchten, die Charité würde mit dem neuen UniMed-Gesetz aus den Hochschulen herausgelöst und gleichsam zu einer selbstständigen Hochschule. Ist diese Sorge begründet?

Nein. Wir jedenfalls halten fest an der Rechtsform einer Gliedkörperschaft öffentlichen Rechts mit den zwei Mutteruniversitäten, Freie Universität und Humboldt-Universität. Wir halten die Einbindung der Charité in das universitäre System Berlins für unerlässlich und haben hier auch die Unterstützung der Politik und der Präsidenten der Universitäten.

Die Charité ist in einer schwierigen finanziellen Lage, es gibt innere Spannungen. Wie lassen sich diese Probleme meistern?

Mit Offenheit, Transparenz, harter Arbeit und klaren Konzepten. Patentrezepte gibt es für eine solche Situation aber nicht. Allen Beteiligten ist bewusst, dass die Fusion und Restrukturierung der Charité eine große, schwierige, mit vielen Anfechtungen jeglicher Art verbundene Aufgabe ist. Eine solche Aufgabe lässt sich auch nicht in kurzer Zeit bewältigen. Aber das „Reformwerk Charité“ kann gelingen, da es trotz aller verständlichen Spannungen und Enttäuschungen eine ermutigende Bereitschaft zur Mitarbeit gibt und eine hervorragende Leistungsbereitschaft und Unterstützung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Ebenen und in allen Berufsgruppen. Die Krankenversorgung bleibt auf allerhöchstem Niveau gewährleistet. Begeisternd ist die Tatsache, dass die Einwerbung von Drittmitteln auch im vergangenen Jahr nochmals gesteigert werden konnte und die 100-Millionen-Euro- Grenze erstmalig überschritten hat.

Wird es zu einem erfolgreichen Abschluss der Tarfiverhandlungen kommen?

Das und ein ausgeglichener Haushalt sind unsere wichtigsten Ziele. Daran wird von uns allen hart gearbeitet.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

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