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Gesundheit: Debatte um Schuluniformen: Alles grüne Frösche

Das Kamerateam rückt an. Vor allem die älteren Schüler der Sinstorfer Haupt- und Realschule streichen noch einmal den Pullover glatt, ziehen den Reißverschluß ihrer Jacke bis zum Brustbein hoch und sind in gebannter Erwartung.

Das Kamerateam rückt an. Vor allem die älteren Schüler der Sinstorfer Haupt- und Realschule streichen noch einmal den Pullover glatt, ziehen den Reißverschluß ihrer Jacke bis zum Brustbein hoch und sind in gebannter Erwartung. Nicht ihretwegen sind die Reporter gekommen, sondern wegen der jüngeren Mitschüler aus der Klasse 5b, die seit Beginn des Schuljahres jeden Morgen ihr waldgrünes Sweatshirt überstreifen: einheitliche Kleidung für jeden Schüler dieser Klasse. "Bis zur Tischkante sind sie alle gleich", sagt Klaus Damian, Direktor der Hamburger Vorortschule.

Seitdem diese an einer staatlichen Schule außergewöhnliche Entscheidung bekannt wurde, steht die Schule im Mittelpunkt des Medieninteresses. Eine Diskussion über einheitliche Schuluniformen wurde losgetreten. Die Motivation für das Nähen der Pullover jedoch war eine ganz andere. Der Elternrat kam wie immer in den Sommerferien zusammen und sprach darüber, wie sich die Kinder stärker mit der Schule identifizieren könnten. Der Rat beschloss: Sweatshirts in "Forest Green" mit dem Emblem der Schule auf der Brust sollen die Schüler enger an die Schule binden.

Ende des Konsumterrors

Seither tragen die Kleinen die Pullis mit Leidenschaft, so die Klassenlehrerin Karin Brose. Was ihnen den Spitznamen "Frösche" eingebracht hat. Tauchen mehrere Frösche zusammen auf dem Schulhof auf, marschiert in den Augen der älteren Schüler "die grüne Armee" an. Die Schüler aus den höheren Klassen haben mit den grünen Pullis nichts im Sinn. Viel lieber rechnet einer von ihnen den Reportern vor, was seine "Klamotten" gekostet haben. Die Kleinen nehmen die Schelte der Älteren aber gelassen. "Wir sind nicht mehr so neidisch auf die Markenartikel der anderen", sagt eine Schülerin. Und das ist der wunde Punkt.

"Markenkleidung hat für einige Schüler eine Bedeutung gewonnen, die für uns nicht mehr nachzuvollziehen ist", so Direktor Damian. "Es gibt immer zwei, drei Schüler in der Klasse, die darunter leiden, dass sie keine Markenartikel tragen." Bei den Schülern der fünften Klasse habe sich das Sweatshirt durchgesetzt, meint Damian. Und Karin Brose ist froh, dass "endlich der Konsumterror aufhört". Ginge es nach ihr, könne man gerne die komplette Schuluniform einführen: vom Scheitel bis zur Sohle keine Unterschiede mehr.

Das scheint - zumindest an den öffentlichen Schulen - recht unwahrscheinlich. Zwar stimmt Jochen Schnack vom Hamburger Landesschulrat dem Sinstorfer Modell zu, jedoch winkt er bei einer konsequenten Einführung in allen anderen Schulen ab. Auch Damian meint: "Die Behörde wird sich hüten, einheitliche Kleidung zu verordnen. Es gibt immerhin noch den Grundsatz der Entfaltung der Persönlichkeit."

Private Schulen haben es da leichter. Die Leiterin der englischen Privatschule "St. Georgeos" in Köln, Mariette Horton, hat vor zwei Jahren nicht erst die Eltern gefragt, sondern die einheitliche Kleidung einfach eingeführt. Zwar müssen die Eltern der Schüler rund Tausend Mark Schulgeld aufbringen und könnten demnach auch die teuren Etiketten ihrer Kinder finanzieren, doch ist sich Horton heute sicher, das Richtige getan zu haben. "Unter die älteren Schüler hat die Kleidung viel mehr Ruhe gebracht, und die Jüngeren sind stolz wie Oskar in ihren dunkelblauen Hosen, in Hemd und Pullover", sagt Horton.

Besseres Benehmen

Die komplette Uniform kostet rund 150 Mark. So komme man auch den Schülern entgegen, deren Eltern sich den Schulaufenthalt vom Munde absparen, sagt Horton. Die rund 400 Schüler sollten auch keine harte Zeit haben, aber gerade weil man sie auch auf der Straße erkennen kann und ihre Zugehörigkeit leicht feststellen könne, würden sie sich auch besser benehmen. Ganz so wie es in England der Fall sei.

Anscheinend verhalten sich alle Schüler rund um den Globus gleich. Schuldirektor Damian, der auch in einer Schule in Santiago de Chile unterrichtet hat, erinnert sich, dass die Kleinen die Schulkleidung leicht akzeptiert hätten. "Die älteren Schüler haben dagegen oft genörgelt, doch letztendlich haben sich alle damit zurechtgefunden." Und ihm selbst seien die Schüler mit ihren Neigungen und Eigenarten in Erinnerung geblieben. Doch für deutsche Schulen möchte er die Uniform auf die Oberbekleidung beschränken. "Auch so können sich die Kinder auf den Unterricht konzentrieren", sagt Damian. Bislang hat ihnen der Medienrummel keine Chance auf Besinnung gelassen. Doch wenn in Sinstorf der Schulalltag wieder eingekehrt ist, werden die Frösche vielleicht zu Prinzen mutiert sein.

Gudrun Weitzenbürger

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