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Ein Defibrillator ist leicht anzulegen und arbeitet nahezu von allein.

© Thilo Rückeis

Defibrillator: Gut versteckte Lebensretter

Defibrillatoren sorgen im Notfall dafür, dass das Herz wieder schlägt. Jede öffentliche Einrichtung sollte ein Gerät haben. Doch oft ist das schwer zu finden. Wir haben uns in Berliner Behörden, Einkaufszentren, Hotels und im Rathaus auf die Suche gemacht – und einige erstaunliche Antworten bekommen.

Mitten in einer Aufführung von Verdis „Aida“ an der Deutschen Oper Berlin 2001 starb der Dirigent Giuseppe Sinopoli am Pult an einem Herzinfarkt. Ein Defibrillator war nicht in der Nähe, das Opernhaus hat erst nach diesem Vorfall ein solches Gerät angeschafft.

Defibrillatoren können Leben retten. Wenn ein Mensch irgendwo in der Stadt plötzlich einen Herzstillstand erleidet, können ihn auch Laien mit einem Defibrilllator wiederbeleben – vorausgesetzt, es befindet sich einer in der Nähe, der auch öffentlich zugänglich ist. Defibrillatoren geben elektrische Schocks ans Herz ab und stellen den Herzschlag bei einem sogenannten Kammerflimmern wieder her. Dabei zuckt der Herzmuskel chaotisch, pumpt aber nicht mehr. Defibrillatoren funktionieren nahezu automatisch und sind somit auch für Laien geeignet. Nachdem man das Gerät anschaltet, werden alle durchzuführenden Schritte über eine Computerstimme oder Texthinweise auf dem eingebauten Bildschirm mitgeteilt.

Für das Magazin „Tagesspiegel Gesund“ zum Thema „Herz, Kreislauf und Gefäße“, das am vergangenen Freitag erschienen ist, hat sich die Redaktion auf die Suche gemacht nach Defibrillatoren, die im Notfall öffentlich zugänglich sind. Mehr als 100 sollen inzwischen in Berlin existieren. Bankfilialen, Supermärkte, Hotels, Kaufhäuser, Behörden, Theater, Stadien oder Bahnhöfe – viele Institutionen haben freiwillig die bis zu 2500 Euro teuren Geräte angeschafft. 38 Standorte haben wir uns genauer angesehen. Denn auch wenn eine Einrichtung über einen Defibrillator verfügt, heißt das noch lange nicht, dass man ihn dort finden, geschweige denn anwenden kann.

Oft sind die Geräte in einem Schrank hinter dem Tresen oder der Rezeption platziert

Wir mussten feststellen: Außenstehende können viele Defibrillatoren nur mithilfe eines informierten Mitarbeiters entdecken – und den zu finden, kann im Notfall wertvolle Zeit kosten. Oft sind die Geräte in einem Schrank hinter dem Tresen oder der Rezeption platziert oder hinter diversen Gegenständen in einem Pförtnerbüro versteckt. Ob in Bahnhöfen, Einkaufszentren oder anderen öffentlichen Gebäuden: viele Angestellte wissen nicht, ob in ihrem Gebäude überhaupt ein Defibrillator vorhanden ist – oder worum es sich dabei überhaupt handelt. Die häufigste Antwort auf unsere Frage, ob und wo ein Defi vorhanden ist, lautet zwar: „Ja klar, haben wir“. Die Frage nach dem genauen Standort des Gerätes kann dann aber häufig schon nicht mehr beantwortet werden.

In Hotels ist es anders. Die Angestellten wissen meist, wo genau sich der Defibrillator befindet. Weitere positive Beispiele: Universitäten und die Messe. Dort hängen Defis an zentralen Orten wie dem Foyer, sie sind deutlich gekennzeichnet. Auch in Sporteinrichtungen scheint das Thema einen hohen Stellenwert zu besitzen. Der Berliner Fußball-Verband und Hertha BSC sind gleich mit mehreren Defibrillatoren ausgestattet, ebenso viele andere Berliner Sporthallen und Sportplätze. Allerdings sind diese nicht immer rund um die Uhr problemlos erreichbar. Häufig befindet sich der Defibrillator im Büro des Hallen- oder Platzwarts, der nicht nur in seinem Büro arbeitet, sondern auch mal auf dem Gelände unterwegs ist.

Im Roten Rathaus heißt es: Niemand darf wissen, wo der Defibrillator hängt

Im Notfall stellt ein Defibrillator mit Stromstößen den Herzschlag wieder her.
Im Notfall stellt ein Defibrillator mit Stromstößen den Herzschlag wieder her.

© Thilo Rückeis

Gut platzierte Defibrillatoren und ein informiertes Personal sind jedoch nicht der Normalfall. Nicht nur der Begriff Defibrillator, auch seine Funktion scheint häufig unbekannt. Auf die Frage, ob es in diesem Gebäude einen Defibrillator gebe, lautet die Antwort: „Ja, da muss ich mal nachfragen. Brauchen Sie den gerade oder wie?“ Andere entgegnen, der Defibrillator stehe nur für interne Zwecke zur Verfügung. „Aber wenn draußen auf der Straße jemand umfällt, würden wir natürlich auch rauslaufen“, wird die Aussage zurechtgerückt. Während einige ihren Defibrillator auf interne Einsätze begrenzen, weisen andere darauf hin, dass man sich doch nicht in einem Krankenhaus befinde. Vielleicht ist es das allgemeine Unwissen über das Gerät und dessen Bedeutung, das viele dazu verleitet, über Standort und Zugang keine Auskunft geben zu wollen.

Am Empfang des Roten Rathaus werden wir zunächst informiert, dass ein Defibrillator direkt am Empfang platziert sei. Nach mehreren Telefonaten heißt es jedoch, dieser Fakt dürfe nicht veröffentlicht werden. Doch warum darf der Standort eines Defibrillators, der im Notfall Leben rettet, nicht öffentlich bekannt gemacht werden? Den Beauftragten für Raumplanung und Brandschutz des Roten Rathaus sind hierfür auf spätere Nachfrage keine Gründe bekannt. Die Angestellte habe sich in diesem Fall geirrt, heißt es entschuldigend.

Und im Europa-Center wussten die Angestellten der Informationsstelle zunächst nicht, wo sich ein Defibrillator befindet. Es gebe zwar einen Zuständigen, der das wisse, aber gerade nicht vor Ort sei. Dabei hat das Einkaufscenter durchaus daran gedacht. Ungefähr 15 Meter entfernt vom Infostand finden wir – deutlich gekennzeichnet – den Defibrillator. Das Management des Europa-Centers gibt an, großen Wert darauf zu legen, dass alle Mitarbeiter und auch die Mieter der Räumlichkeiten informiert sind. Dass keiner der Mitarbeiter vor Ort über den Standort des Gerätes Bescheid wusste, erklärt sich das Centermanagement damit, dass bei der Sicherheitsfirma viele neu eingestellte Mitarbeiter arbeiteten. Und auch Kurioses stellten wir fest: In einem der Gebäude, in denen wir uns erkundigten, suchte der befragte Mitarbeiter erst einmal im Telefonverzeichnis nach einer Person, die den Namen „Defibrillator“ trägt. Er hielt den medizinischen Schockgeber offenbar für einen Kollegen.

Auf der Suche nach öffentlichen Defibrillatoren in Berlin haben wir allgemeine Unsicherheit und Unwissenheit über das lebensrettende Gerät und seine Funktion erfahren. Regelmäßige Informationen und Schulungen könnten zumindest diese Probleme lösen.

Das Magazin Tagesspiegel Gesund zum Thema „Herz, Kreislauf und Gefäße“ ist für 6,50 Euro erhältlich im Zeitschriftenhandel und im Tagesspiegel- Shop (Tel. 29 02 15 20, online unter www.

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Gwendolin Gurr, Laura Stelter

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