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Gesundheit: Denker der deutschen Demokratie Zum Tode des Politologen

Kurt Sontheimer

Als der Freiburger Student der Politikwissenschaften Kurt Sontheimer Anfang der 50erJahre nach Chicago kommt, trifft er auf den Emigranten Arnold Bergstraesser. Der hatte Deutschland im Nationalsozialismus verlassen müssen und kehrt 1954 zurück, an die Uni Freiburg, mit einem Assistenten: Kurt Sontheimer. Am Münchner Institut für Zeitgeschichte erforscht der junge Politologe dann „Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik“ – und schafft sein Lebenswerk. Sontheimer blieb zeitlebens seinen Anfängen treu – als einer der bekanntesten und angesehensten Politikwissenschaftler Deutschlands, der in Berlin und München lehrte, und als streitbarer Liberaler in der SPD. Am Pfingstmontag ist Kurt Sontheimer im Alter von 76 Jahren in Murnau nach kurzer Krankheit gestorben.

An das Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin kommt Sontheimer 1962. Nach sieben Jahren wechselt er an die Uni München – ohne ein 68er geworden zu sein. Er bezweifelte, dass diese „zur Aufarbeitung der unseligen deutschen Vergangenheit beigetragen“ haben. Der Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas hat Sontheimer als einen „liebenswürdigen, prinzipienfesten und engagierten Geist“ gewürdigt. „Er hat die politische Entwicklung der Bundesrepublik wachsam und mit klugen Kommentaren begleitet.“

Sontheimer beschränkte sich nie auf die Wissenschaft. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand für den Politologen, der sich selbst als „durch 1933 traumatisierten Deutschen“ bezeichnete, die Verankerung der freiheitlichen Demokratie in Deutschland. 1969 gründete er mit Günter Grass die erste Wählerinitiative in der Bundesrepublik und warb für Willy Brandt.

Immer wieder geriet Sontheimer mit umstrittenen Äußerungen in die Schlagzeilen, etwa, als er 1986 die CDU/CSU für die Wiederbelebung nationalistischer Tendenzen in der Bundesrepublik verantwortlich machte. Auch im eigenen Haus sorgte der Ordinarius für Politische Wissenschaft am renommierten Geschwister-Scholl-Institut der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Ende der 80er-Jahre für Wirbel, als er das Institut massiv kritisierte. Er warf der Leitung Mangel an akademischem Ethos vor und geriet im Kollegium in eine Außenseiterrolle. Die Studenten drängten dafür umso stärker in die Vorlesungen des brillanten Redners. Der „Professorenstreit“ endete 1993 mit der vorzeitigen Emeritierung Sontheimers. Danach ging er nach Paris und lehrte am dortigen Alfred-Grosser-Lehrstuhl am Institut für politische Wissenschaften.

Bis zuletzt hat Sontheimer geschrieben, Vorträge gehalten und sich öffentlich zu Wort gemeldet. Noch vor wenigen Wochen prophezeite er seinem Parteigenossen Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Niederlage bei der Bundestagswahl 2006. Schröder und der SPD fehlten die Vision für die Zukunft des Landes.

Mit der Linken und ihrem Utopismus ging Sontheimer mit seinem 1976 erschienenen Werk „Das Elend unserer Intellektuellen“ hart ins Gericht. Als Vorbild für sein politisches Engagement galt Sontheimer stets Thomas Mann und dessen politisches Credo: „Ich bin ein Mensch des Gleichgewichts. Ich lehne mich instinktiv nach links, wenn der Kahn rechts zu kentern droht und umgekehrt.“ -ry/dpa

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