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Gesundheit: Der erste Großvogel des Jahres war wohl gar nicht in Afrika

Der erste Brandenburger Storch des Jahres 2000 landete am 10. März nachmittags auf seiner Rühstädter Scheune.

Der erste Brandenburger Storch des Jahres 2000 landete am 10. März nachmittags auf seiner Rühstädter Scheune. Am nächsten Tag stand er, wie es sich für einen lang erwarteten Frühlingsboten gehört, in den Nachrichtenspalten. Zum dritten Mal nacheinander. "Der kam immer als erster", berichtete Scheunenbesitzer Gotthard Genrich, "nach ihm war erst mal für ein paar Wochen Ruhe."

Ein merkwürdiger Vogel, denn die normale Rückkehrzeit bei uns brütender Störche liegt zwischen Anfang und Mitte April. Je genauer Weißstörche nach dem 6000 bis 8000 Kilometer langen Flug diese Zeiten einhalten, umso höher sind die Chancen auf ein erfolgreiches Brutgeschäft. Wenn die Jungen nach 32 Tagen Brut schlüpfen, dann ist der Boden in unseren Breiten meist noch so feucht, dass sie ausreichend mit der passenden Nahrung fürs zarte Alter versorgt werden können: mit leicht zu schluckenden Regenwürmern.

Der Storch von Genrichs Scheune passt nicht in den Zeitplan - und er gehört auch nicht in die Kategorie jener Zugvögel, die klimatischen Veränderungen folgend, neuerdings in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten siedeln und früher als bisher aus ihren Winterquartieren zurückkehren. Dieser gefeierte dreifache Sieger im Langstreckenflug, dieser Medienheld, machte sich nicht erfolgreicher als andere Artgenossen mit afrikanischen Heerwürmern fit, sondern stieg erst gar nicht ins Rennen ein.

Seine Geschichte lässt sich am Ring erahnen, angelegt im Juni 1994 in WiesbadenSchierstein, in einer der deutschen StorchenAufzuchtstation. Einer von jenen, von denen manchmal zur Winterszeit exotisch wirkende Zeitungsfotos zu sehen sind, wenn ein Storchentrupp zur Futterstelle rauscht. Ob Ringstorch 981 B sich nach einem Kurztrip aus dem Geburtsland Hessen zu Ruhm und Ehren fliegt oder ob er sich, auch das hält der Prignitzer Storchenbetreuer Falk Schulz für möglich, auf einer Müllkippe in Spanien durch den Winter füttert, ist nicht bekannt.

Bekannt dagegen ist, was ein anderer aus seiner Kategorie, der "erste" Storch SachenAnhalts, in den letzten beiden Wintern getrieben hat. In diesem März kam er aus dem Luisenpark von Mannheim zum Nest in Kalbe, im Jahr davor ließ er sich im Zoo von Straßburg versorgen. Für Vögel solcher Art hatte Verhaltensforscher Konrad Lorenz das böse Wort von den "verhausschweinten Störchen" geprägt.

Die erste Zuchtstation entstand schon kurz nach dem Krieg im schweizerischen Altreu, um den verschwundenen Weißstorch wieder im Lande anzusiedeln. Das Projekt wurde eingestellt, weil Störche nur erfolgreich überleben können, wenn sie ausreichend Nahrung finden. Längere Zeit an Futtertöpfen hängende Weißstörche verlieren schnell ihren Charakter von Wildtieren, nicht zuletzt den Zugtrieb. Nach Ansicht von Biologen können sie zur Gefahr für die Erhaltung ihrer wildlebenden Artgenossen werden. Denn Frühankömmlinge wie 981 B besetzen die Nistplätze, die die besten Chancen für die erfolgreiche Aufzucht versprechen.

Die in diesen Tagen bei uns eintreffenden "richtigen" Störche, die als Ostzieher zwischen dem Tschad und dem Süden Afrikas überwintert haben, befanden sich noch über dem Sudan als Genrichs Storch schon mit seiner kurz danach (woher wohl?) eingetroffenen Partnerin das Liebesspiel im Rühstädter Nest spielte. Die Streckenmeldung von unterwegs lieferte ein winziger Sender, angelegt an einem Jungstorch, um Flugrouten und Rastplätze für einen besseren Schutz auf den Zugwegen genauer kennen zu lernen. Betrieben wird dieses Projekt von Storchenhof Lohburg in Sachsen-Anhalt und der Vogelwarte Radolfzell. Trotz weltweit deutlich gestiegener Storchenbestände, 166 000 Paare nach der Zählung von 1994, ist diese international abgestimmte Vorsorge notwendig, denn der Weißstorch gilt noch immer als gefährdete Art. Brandenburg besitzt mit knapp über 1300 Paaren fast ein Drittel des Weißstorchenbestandes in Deutschland.

Zur Ehrenrettung von 981 B sei gesagt, dass er vergangenes Jahr mit seiner Partnerin auf Genrichs Scheune immerhin fünf Junge hochgefüttert hatte. Einer davon kam beim Anflug an eine Stromleitung zu Tode. Die anderen vier scheinen gemeinsam mit den Nachkommen "echter" Wildstörche ins afrikanische Winterquartier gezogen zu sein.

Günter Blutke

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