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Gesundheit: Der fliegende Robot

Computer ahmen die Natur nach – im Zeitraffer

„Hummeln können gar nicht fliegen“, spottet Peter Nordin. Wahr ist: Die Forscher können immer noch nicht genau erklären, wie sich Insekten in der Luft halten. „Am wenigsten wissen wir, wie die Hautflügler Balance und Bewegung kontrollieren“, sagt der Professor der Technischen Universität Göteborg. Um hinter die Tricks der Natur zu kommen, baute er eine geflügelte Maschine, die sich das Fliegen selbst beibrachte – nach dem Vorbild der Evolution durch Versuch und Irrtum. Dabei entwickelte der Automat auch gleich eigene Tricks, um es sich bequem zu machen.

Das Tierreich zeichnet sich durch Mobilität aus. Doch so leicht, so graziös, so selbstverständlich Fliegen, Laufen und Schwimmen auch wirken, es handelt sich um eine Meisterleistung der Natur. Richtig klar wurde das erst, als der Mensch versuchte, seine Roboter mobil zu machen. Um beispielsweise die Beinbewegungen eines insektenartigen Roboters (Insektoid) für den aufrechten Gang korrekt zu beschreiben, wird ein System komplizierter mathematischer Gleichungen gebraucht. Ein autonomer Automat muss daher ein recht großes Gewicht an Rechenkapazität mit sich herumschleppen – allein um vorwärts zu kommen.

Die Natur hat leichtere Lösungen gefunden. So können etwa Insekten mit nur ein paar hunderttausend Nervenzellen ihren eleganten Flug perfekt steuern – und zusätzlich ihr Leben als Raupe oder Made und Insekt managen. Die Evolution brauchte für diese Erfindung immerhin etliche Millionen Jahre.

Peter Nordins Maschine benötigte – zumindest um Fliegen zu lernen – nur ein paar Stunden. Der Bio-Techniker hatte an einer Montageplatte zwei überdimensionale Hautflügel befestigt: 90 Zentimeter lange Rahmen aus Balsaholz, überzogen mit dünner Bastlerfolie. Sie ließen sich von kleinen Servomotoren auf und ab sowie vor und zurück bewegen und um beliebige Winkel drehen. Nordin hängte seine Konstruktion zwischen zwei Stahlstangen, an denen sie hinauf und hinunter gleiten konnte. Ein externer Tischrechner übernahm die Steuerung der Flügel. Doch die Technik für einen erfolgreichen Höhenflug musste sich die Maschine mit Hilfe des Computers erst noch erarbeiten.

Dazu haben Nordin und sein Mitarbeiter Krister Wolff den Rechner mit einem evolutionären Algorithmus programmiert. Durch Versuch und Irrtum nähern sie sich – ähnlich wie die Evolution – schrittweise der Lösung eines Problems. Dabei durchläuft die Entwicklung ihre ungezählten Zwischenstadien mit Hilfe eines Rechners in einem Zeitraffer.

Die genetische Grundlage für die Göteborger Flugversuche bildete ein Satz von Bewegungs-Befehlen: Flügel rauf oder runter, Flügel vor oder zurück, Flügel um einen bestimmten Winkel drehen oder gar nichts tun. Jede zwanzigstel Sekunde wurde eines dieser Kommandos zufällig ausgewählt und an die Maschine geschickt. Der Computer merkte sich die Reihenfolge der Instruktionen. Nach einigen Durchläufen wählte der Rechner die beiden erfolgreichsten Individuen und erzeugte eine Nachkommenschaft durch zufällige Kombinationen des elterlichen Erbguts, den Befehlen. Dann wiederholte der Rechner die Versuchsabläufe so lange, bis sich die Maschine in der Luft hielt.

Der Apparat fand schließlich den effektivsten Flügelschlag für ein Höhe gewinnendes Flattern: Beim Herunterschlagen wird der Flügel gerade gehalten, beim Aufschlag möglichst weit gedreht, um den Luftwiderstand zu verringern. Nordin erweiterte seine Versuche schließlich noch auf die Vorwärtsbewegung. Aus dem Wust der zufälligen Befehle kristallisierten sich dann zwei unterschiedliche Bewegungsformen heraus: Flattern und Rudern.

Niko Deussen

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