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Gesundheit: Die Akte Asta

Verdacht der Untreue: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wieder gegen Berliner Studentenvertreter

Wie gehen Berlins Studierendenvertreter mit dem Geld ihrer Kommilitonen um? Die Staatsanwaltschaft muss weiter gegen mehr als zwanzig ehemalige Mitglieder des Allgemeinen Studentenausschusses (Asta) der Freien Universität (FU) und des „ReferentInnenrates“ (Refrat) der Humboldt-Universität (HU) ermitteln. Das hat die Berliner Generalstaatsanwaltschaft kürzlich entschieden, wie ein Justizsprecher dem Tagesspiegel auf Anfrage mitteilte. Die Vorwürfe lauten auf Veruntreuung studentischen Geldes. Vor der Entscheidung hatte die Staatsanwaltschaft rund vier Jahre ermittelt und ihre Nachforschungen im Laufe des Jahres 2004 eingestellt. Doch „die Generalstaatsanwaltschaft hat entschieden, dass der Sachverhalt noch nicht ausermittelt ist“, sagte der Sprecher. Die Ermittlungen seien zu früh abgeschlossen worden.

Bei den Untreuevorwürfen geht es um Ordnungsgeldzahlungen. Beiden Studentenvertretungen hatten die Berliner Verwaltungsgerichte allgemeinpolitische Aktivitäten und Äußerungen untersagt (wir berichteten). FU-Asta und HU-Refrat hatten sich mehrfach nicht an die Verbote gehalten und mussten mehrere Tausend Euro Ordnungsgelder zahlen.

Die Erstatter der Strafanzeigen gehen davon aus, dass diese Ordnungsgelder aus studentischen Mitteln bezahlt wurden, also aus dem Geld, das jeder Student zwangsweise mit jeder Rückmeldung an die Uni überweisen muss. Darin sehen sie den Tatbestand der Untreue verwirklicht, wie ihr Rechtsanwalt Michael Braun, zugleich Fraktionsvorsitzender der CDU im Abgeordnetenhaus, mitteilt. Braun vertritt die Gruppe konservativer und liberaler Studenten um den Vorsitzenden der Berliner Jungen Union, Tim Peters. Peters und seine Mitstreiter hatten Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft eingereicht, nachdem die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden waren.

„Trotz eines klaren Anfangsverdachts und klarer Rechtslage hat die Berliner Staatsanwaltschaft mehrere Jahre einfach keine wesentlichen eigenen Ermittlungen angestellt“, sagt Tim Peters. Rechtsanwalt Braun sieht das genauso: „Die Studierenden gewinnen den Eindruck, man befinde sich in einem rechtsfreien Raum. Der Landesrechnungshof schreibt einen Bericht, und kein Mensch interessiert sich dafür. Die Freie Universität macht nichts, die Senatsverwaltung für Wissenschaft macht nichts und die Staatsanwaltschaft verschleppt das Ermittlungsverfahren.“ Braun sieht die Gründe in der Überlastung und im Personalmangel bei der Staatsanwaltschaft. Die lange Dauer der Ermittlungen konnte der Justizsprecher nicht erklären: „Ich weiß nicht, ob es an dem Wechsel der Sachbearbeiter oder an der extrem umfangreichen Akte lag“, sagte er auf Anfrage.

Einen Hinweis darauf, dass er studentische Mittel für gerichtliche Auseinandersetzungen nutzt, liefert der HU-Refrat nach Ansicht von Peters auf seiner Homepage: „Zudem absorbiert die Auseinandersetzung mit KlägerInnen und Gerichten eine ungebührliche Menge an Arbeitskraft und finanziellen Ressourcen, die eigentlich für die Beratung Studierender zur Verfügung stehen sollte“, heißt es da.

Die Untreuevorwürfe gegen den FU-Asta, der über einen Jahresetat von rund 500000 Euro verfügt, stützen sich laut Braun zudem auf einen Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2000. Darin schrieb die Behörde: „Wir haben im Rahmen der Prüfung festgestellt, dass der Asta weiterhin allgemeinpolitisch tätig wird und auch politische Aktionen Dritter finanziell unterstützt.“ Dabei ging es um umgerechnet etwa 10000 Euro studentischer Mittel, die für mehrere Projekte ausgegeben worden waren, unter anderem für einen Flug nach Manila. Der Justizsprecher verwies auch darauf, dass die Staatsanwaltschaft auf eine Kubareise gestoßen sei. „Bei dieser Reise nahmen Studierende an einer Delegation der HU teil, die einer kubanischen Universität einen Besuch abgestattet hatte“, erklärt Peter Hartwig vom Refrat. Auch Professoren und wissenschaftliches Personal seien mitgereist.

Die Unileitungen, die die Rechtsaufsicht über die Asten haben, halten es jedoch nicht für möglich, Verstöße gegen gerichtliche Verbote vorbeugend zu unterbinden. Man könne nur auf Aktivitäten des Asta reagieren, etwa Broschüren einstampfen oder Veranstaltungen absagen, sagte eine HU-Sprecherin dem Tagesspiegel: „Das ist weder sonderlich erfolgreich noch befriedigend.“ Ein FU-Sprecher wollte sich zu der Angelegenheit nicht äußern, auch der Asta beantwortet Fragen zu dem Thema nicht.

Noch in einem anderen Punkt beschäftigt das Haushaltsgebaren von Berliner Studierendenvertretungen die Öffentlichkeit. Dabei geht es um Bürgschaften: Für Studierende besteht die Möglichkeit, beim Studentenwerk Darlehen aufzunehmen. Bis vor einigen Jahren war es durchaus üblich, dass die Asten der drei großen Universitäten für Darlehen gebürgt haben. Dabei mussten die Asten in zahlreichen Fällen für Schulden von Kommilitonen beim Studentenwerk mit studentischem Geld einstehen. Im Jahr 1997 sei das Studentenwerk in 100 von 143 Fällen an die Studentenvertretungen herangetreten, weil die Studierenden ihre Darlehen nicht mehr zurückgezahlt hätten, sagte Petra Mai-Hartung, Geschäftsführerin des Berliner Studentenwerks. In den Jahren danach seien es dann weniger Fälle gewesen, weil die Asten keine Bürgschaften mehr übernommen hätten.

Erst unlängst erkundigte sich der CDU-Abgeordnete Peter Kurth in einer „Kleinen Anfrage“ an die Senatsverwaltung für Wissenschaft nach der Höhe der Verluste „aus nicht eingetriebenen Rückzahlungsforderungen von Darlehen oder von Bürgschaften für Studenten“. Zum FU-Asta erklärte der Staatssekretär für Wissenschaft, Hans-Gerhard Husung: „Nach Auskunft der FU bestehen aktuell Bürgschaftsforderungen in Höhe von 181400,32 Euro“ – Geld aus dem Haushaltstopf des Astas, in den alle Studierenden jedes Semester einzahlen müssen.

In diesem Punkt hat in der Vergangenheit auch der Rechnungshof Kritik am FU-Asta geübt: „Zu Beginn des Haushaltsjahres 1998/99 waren offene Forderungen in Höhe von 489827,64 DM erfasst. Die Rückzahlung der ausstehenden Beträge wird ... nicht mit dem notwendigen Nachdruck verfolgt“, schrieb der Rechnungshof im Jahr 2000. An der HU belaufen sich die offenen Bürgschaften nach Auskunft der Senatsverwaltung derzeit auf 14605,42 Euro, an der Technischen Uni sind es 83971,23 Euro.

Angesichts der vielen Ungereimtheiten irritiert es Peters und seine Mitstreiter umso mehr, dass der FU-Asta in den letzten drei Jahren keinen Wirtschaftsprüfer zur Überprüfung des eigenen Haushalts bestellt hat, wie aus der Antwort des Senats auf die „Kleine Anfrage“ von Peter Kurth hervorgeht.

Jan-Oliver Schütz

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