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Gesundheit: Die Neuen Thesen von Peter Glotz

"Der deutsche Student studiert dort, wo Mutters Waschmaschine steht. Deshalb gibt es noch nicht einnmal einen Konkurrenzkampf zwischen den Universitäten in Deutschland".

"Der deutsche Student studiert dort, wo Mutters Waschmaschine steht. Deshalb gibt es noch nicht einnmal einen Konkurrenzkampf zwischen den Universitäten in Deutschland". Peter Glotz weiß, wovon er spricht. Als ehemaliger Gründungsrektor der Erfurter Reformuni und seit Anfang des Jahres Professor im schweizerischen St. Gallen hat er eigene Lehrerfahrungen im deutschen Bildungssystem gemacht. Und dabei jede Menge Defizite entdeckt. Dass deutsche Hochschulen in der sich wandelnden Welt bald nicht mehr mithalten können, ist eine der Befürchtungen, die der ehemalige SPD-Politiker in seinem neuesten Buch "Die beschleunigte Gesellschaft - Kulturkämpfe im digitalen Zeitalter" darlegt. Am Dienstagabend trug er daraus im SiemensForum vor.

Die Umwandlung der Industrie- zur Informationsgesellschaft, die Glotz konstatiert, mache Bildung noch stärker zu einer Handelsware. Denn Beschleunigung, Dematerialisierung und Globalisierung führten zur "Internationalisierung des Bildungswettbewerbs". Das deutsche Universitätssystem - in der Masse zwar durchaus solide, aber ohne anerkannte Elite-Einrichtungen - habe laut Glotz dabei keine guten Chancen, vor allem im Vergleich mit den USA. Wenn die amerikanischen Unis mit "Markennamen wie Harvard, Stanford, Yale in Zukunft virtuelle Seminare und Prüfungen online anböten, dann träten sie im "internationalen Bildungsmarkt" in direkte Konkurrenz zu deutschen Unis. "Schon heute hat eine kleine Minderheit der deutschen Studierenden, eine Elite von weniger als fünf Prozent, die Situation erkannt und geht nach Amerika", beschrieb Glotz die Situation. In Zukunft würden aus diesen fünf vielleicht 15 Prozent, plus der Anteil der online in Amerika Studierenden. "Wenn alle wichtigen Leute in Amerika ausgebildet werden - wollen wir das?", fragte Glotz sich und sein Publikum rhetorisch. Die Ausrichtug der weltweiten Elite an amerikanischen Leitbildern zeige schon jetzt Folgen: Während die Grundlagen der digitalen Revolution in Europa gelegt wurden, seien nach 1945 alle wichtigen Entwicklungen - mit Ausnahme des Worldwideweb - von Amerika ausgegangen.

Lebenslanges Lernen, so Glotz, werde in Deutschland ebenfalls zu schwer gemacht. Zumindest die Universitäten hätten sich darauf, anders als ihre amerikanische Konkurrenz, noch nicht eingestellt. "Die amerikanischen Unis gehen systematisch in diesen Markt rein", sagte Glotz, der deutsche Seniorenstudiengänge in diesem Zusammenang nicht gelten lassen wollte. Wo denn das alte sozialdemokratische Ideal der Bildung für alle in seinem Konzept bliebe, fragte eine etwas verunsicherte Zuhörerin. Er wolle ein Bildungssystem, das Schwache fördere, aber eben auch Eliten, entgegnete Glotz. "Ich habe genug davon, dass man in Deutschland die Breitenbildung gegen die Eliteförderung ausspielt".

hdt

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