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Gesundheit: Die Perle am Ostkreuz

Keine Massen, keine verranzten Teppiche: Die Berufsakademie gilt als vorbildlich – jetzt wird sie Teil einer Fachhochschule

Als „Perle“ der Berliner Bildungslandschaft" wird sie gefeiert: die Berliner Berufsakademie (BA). Hell und einladend wirkt das unweit des S-Bahnhofs Ostkreuz gelegene Gebäude. Keine Graffitis und Beschmierungen an den Wänden, keine verranzten Teppiche und verrauchten Gänge. Und trotzdem wird hier studiert. An die 1500 Studierenden streben zur Zeit ihrem Abschluss als „Diplom-Betriebswirt/in“ oder „Diplom-Ingenieur/in“ (jeweils mit dem Zusatz „Berufsakademie“) entgegen. Insgesamt bietet die Berliner Berufsakademie dreizehn verschiedene Studiengänge in den Bereichen Wirtschaft und Technik an.

Anders als an herkömmlichen Hoch- und Fachhochschulen büffeln Studierende hier aber nicht nur Theorie. Stattdessen lernen BA-ler auch „die Praxis hautnah" kennen, wie Student Lars Winkelmann sagt. Denn in den dualen Studiengängen wechseln die Studierenden alle drei Monate zwischen Theorie- und Praxisphase. Und das bedeutet auch, dass sie nicht tagaus, tagein morgens einfach sorglos in die S-Bahn Richtung Ostkreuz springen können. Schließlich übernimmt die Berufsakademie nur den theoretischen Teil der Ausbildung. Praxiserfahrungen für ihre späteren Aufgaben als Gruppen- und Filialleiter im unteren bis mittleren Management sammeln die Studenten in einem der Partnerunternehmen. Dazu gehören neben zahlreichen anderen auch Großunternehmen wie Ikea, die Deutsche Bank und BASF.

Während der Theoriephase sitzen BA-ler, wie andere Studierende auch, in Vorlesungen und pauken ihren Stoff. Im Vergleich zu Massenuniversitäten allerdings unter beneidenswerten Bedingungen. Vorlesungen begrenzen sich hier auf ungefähr dreißig Kursteilnehmer. Obwohl die geringe Kursteilnehmerzahl den Kontakt unter den Studierenden fördert, bleibt durch die straff organisierten Stundenpläne nicht viel Freizeit. Montags bis freitags sind die Studierenden nach ihren eigenen Angaben von morgens um neun bis nachmittags um fünf (mindestens) beschäftigt. Auch während der Theoriephase gleichen die Tage regulären Arbeitstagen. Und dann entfallen auch die Semesterferien. Stattdessen begnügen sich die Studierenden mit 30 Tagen Urlaub im Jahr.

Wehmütige Studenten

Ein bisschen wehmütig sind sie da schon, wenn sie erzählen, wie ihnen die wilde Studentenzeit durch die straffe Verplanung flöten geht. Ein Trostpflaster ist das Ausbildungsgehalt, das ihnen auch während der Theoriephasen von ihrem jeweiligen Partnerunternehmen gezahlt wird. Gleichzeitig hoffen sie, dass ihr Verzicht letztendlich durch den reibungslosen Einstieg in das Berufsleben belohnt wird. Denn das Studium an der Berufsakademie genießt ein hohes Ansehen in Wirtschaftskreisen. Kein Wunder: Als BA-Partnerunternehmen hat die Wirtschaft direktes Mitspracherecht in Studieninhalten und -verlauf. Die Industrie sieht in der Berufsakademie ihre „Kaderschmiede“, meint ein Student.

Schon bei der Zulassung haben die Unternehmen ihre Nase vorne. Interessierte bewerben sich direkt bei einem der Partnerunternehmen um einen Studienplatz. Diese entscheiden dann, welche Bewerber sie ausbilden wollen. Lars Winkelmann verbringt seine Praxisphase bei der Deutschen Bank: mal in der Kundenbetreuung, mal im Personalbüro und oft in verschiedenen Filialen. Zusätzlich hat die Deutsche Bank die Praxisphasen auch noch mit Bank-internen Seminaren und Planspielen angereichert. So bleibt das Studium „hundertprozentig abwechslungreich“, wie Winkelmann meint.

Nach drei Jahren werden die Studierenden in die Arbeitswelt entlassen. Bisher öffnete das Diplom mit dem Zusatz Berufsakademie zahlreiche Türen in den Beruf. Bis zu 80 Prozent der Absolventen kommen sofort unter. Viele werden einfach von ihren Ausbildungsunternehmen übernommen.

Zur Zeit sehen Studierende ihre goldene Berufszukunft jedoch in der Schwebe. Der Grund ist das noch für dieses Jahr geplante Ende der Berufsakademie als selbstständige Hochschule. Fortan wird die Berliner Berufsakademie als Teil der Fachhochschule für Wirtschaft (FHW) fortgeführt – als eigener Fachbereich. Anders hätte die Berufsakademie nicht mehr überleben können. Denn in den nächsten zwei Jahren stehen ihr Einsparungen von 1,3 Millionen Euro bevor. Ohne die Eingliederung würden „40 Prozent der Kapazitäten“ wegfallen, erläutert der Direktor der Berufsakademie, Hartmund Barth, der deshalb für die Integration der Berufsakademie in die Fachhochschule ist.

Abschied vom Diplom

Genau so wie die meisten Studenten, die sich allerdings um ihren zukünftigen Abschluss-Grad Sorgen machen. Sobald die Berufsakademie nicht länger selbstständig ist, sondern als Fachbereich agiert, wird der „Bachelor“ das Diplom (Zusatz: „Berufsakademie“) ersetzen. Die Einführung des „Bachelor“ soll es den Studierenden erleichtern, auf ihr Studium andere Studiengänge im In- und Ausland aufzubauen. Und anders als das Diplom (Zusatz: „Berufsakademie“) wird der „Bachelor“ bundesweit anerkannt. Trotzdem befürchten die Studenten eine Verschlechterung. Denn die bisherige Gleichstellung zum Fachhochschuldiplom, die in mehreren Bundesländern galt, ist mit dem „Bachelor“ zukünftig nicht mehr gegeben. Außerdem befürchten die Studenten, dass sich der Neuling „Bachelor“ erst noch in der deutschen Bildungslandschaft durchsetzen muss. Denn auch wenn das Diplom (Zusatz: „Berufsakademie“) nicht allen Unternehmen vertraut ist, genießt es doch bei vielen ein hohes Ansehen. Im Gegensatz dazu wissen die meisten Unternehmen jedoch bei „Bachelor“-Abschlüssen noch nicht, welche Qualifikationen damit verbunden sind.

Trotz der Umstellungsschwierigkeiten sieht der Rektor der Fachhochschule für Wirtschaft, Franz Herbert Rieger, in der Berufsakademie keinen akademischen „Sanierungsfall“. Auch als Fachbereich der FHW werde die Berufsakademie nur duale Studiengänge in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft anbieten, verspricht er. So kann sie eine Perle bleiben – auch in der Auster FHW.

Henrike Lehnguth

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