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Gesundheit: Die Wechseljahre im Wandel - 450 Frauen und ein knappes Dutzend Männer reden über die schwierigen Mittelzeiten im Leben des Menschen

Barbara Wanner Kraft sieht nicht so aus, als fehlten ihr Hormone. Eigentlich sieht die schmale Endvierzigerin mit dem Pferdeschwanz und den unternehmungslustig funkelnden Augen so aus, als ob ihr überhaupt nichts fehlt - obwohl die vorherrschend männliche Fachwelt sich darüber einig ist, dass Frauen in Barbara Wanner Krafts Alter wandelnde Hormondefizitäre sind.

Barbara Wanner Kraft sieht nicht so aus, als fehlten ihr Hormone. Eigentlich sieht die schmale Endvierzigerin mit dem Pferdeschwanz und den unternehmungslustig funkelnden Augen so aus, als ob ihr überhaupt nichts fehlt - obwohl die vorherrschend männliche Fachwelt sich darüber einig ist, dass Frauen in Barbara Wanner Krafts Alter wandelnde Hormondefizitäre sind. Die Schweizer Ärztin sieht eher so aus, als ob sie sich einfach nur freut, dass so viele Teilnehmer zu ihrem Klimakteriums-Kongress nach Zürich gekommen sind.

Ein Hörsaal voll wechseljähriger Frauen hat irgendwie etwas Beunruhigendes. Wenn sie dazu noch über "Die Menopause im Wandel" diskutieren, ist das fast ein ideales Szenario für einen britischen Regisseur mit beißendem Humor. Komisch ging es in Zürich allerdings nur in einem Vortrag über die männlichen Wechseljahre zu. Und das knappe Dutzend Männer unter den 450 Medizinerinnen, Therapeutinnen und Philosophinnen schien sich auch nicht zu genieren, obwohl für die meisten Männer allein schon Begriffe wie "Wechseljahre, Menopause, Klimakterium" einen solchen Hautgout ausströmen, dass sie am liebsten davonlaufen würden. Schweißausbrüche, Migräneanfälle, Schlafstörungen, Depressionen - sobald die Kinder aus dem Haus sind, senkt sich die dunkle Wolke des Alterns über die Frauen, nimmt ihnen die monatliche Regelblutung und gesellschaftliche Attraktivität, und der Gatte muss zu einer Jüngeren flüchten: So zumindest das Bild in den fünfziger und sechziger Jahren, als eine natürliche Lebensphase plötzlich zur HormonmangelKrankheit erklärt wurde. "Diese neue Definition setzte übrigens genau zu dem Zeitpunkt ein, als die ersten synthetischen Hormone auf den Markt kamen", sagt Barbara Wanner Kraft mit süffisantem Lächeln.

Mittlerweile wird fast jeder dritten Frau in Deutschland die Hormonersatz-Therapie verschrieben, und in den USA gehören Östrogenpräparate zu den meistverkauften Arzneimitteln. Ende der achtziger Jahre entdeckte man dann die Wechseljahre der Frau als hochgradige Risikozeit für verschiedene Krankheiten. Osteoporose, Herzkrankheiten und Alzheimer drohen am Horizont, wiewohl Männer ab einem bestimmten Alter ebenso von Herzkrankheiten und Alzheimer betroffen sind. Unter dem Gelächter der Zuhörenden zitiert Wanner Kraft einen Gesundheitsratgeber, der vor der "trügerischen Ruhe bei Frauen" warnt, "welche keine menopausalen Beschwerden haben und sich deshalb in falscher Sicherheit wähnen. Da ist äußerste Vorsicht geboten, denn die verheerenden Auswirkungen machen heimlich und leise weiter, von ihnen unbemerkt." Das sei doch mindestens so schön wie jene Bemerkung des Menopausen-Papstes Lauritzen: "Alles, was wir an Frauen lieben, hängt mit den Östrogenen zusammen."

Die Atmosphäre im Hörsaal ist entspannt und konzentriert. Die meisten Kongress-Teilnehmerinnen sind gut verdienende Akademikerinnen und gehören zu jener Frauengeneration, die vor zwanzig oder dreißig Jahren gelernt hat, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und inzwischen selbstverständlich gewordene Rechte einzufordern. Eine Generation, die sich auch jenseits von Fortpflanzung selbst verwirklichen konnte; die Schlagzeilen damit machte, dass sie den Professoren ihre Büstenhalter vor die Füße warf und laut darauf hinwies, im Gegensatz zu den Männern unendlich orgasmusfähig zu sein. Diese Frauen wollen sich weder von den Wechseljahren in die Knie zwingen lassen, noch von der Gier der Pharmaindustrie, immer mehr Profit aus der Angst vor dem Altern zu schlagen.

Und wie ist das bei Männern? Der Androloge und Dermatologe Christian Sigg hielt einen zeitweilig sehr amüsanten Vortrag mit dem Titel: "Klimakterium virile - Hormonersatz-Therapie für Männer - eine nahe Zukunft?". Für Sigg steht fest: Es gibt die Andropause, bedingt durch biologisches, hormonelles und psychisches Altern. Männer aber haben offenbar kein Problem damit, Hormone zu nehmen, wie wir seit dem unerwarteten Viagra-Erfolg wissen. Allerdings scheinen den Männern die Wechseljahre und ihre Symptome nicht so peinlich zu sein. Liegt das an ihrem mangelnden Körpergefühl, oder schämen sie sich vielleicht weniger als Frauen?

Um es sachlich richtig zu formulieren: "Beim Mann nimmt mit zunehmendem Alter das Hodengewicht wie die Stimulierbarkeit des Hypophysen-Vorderlappens ab." Das Publikum, das größtenteils aus Frauen besteht, nickt. "Das Klimakterium virile", sagt Sigg, "ist eine existenzielle Krise des alternden Mannes durch Überforderung des Ich-Ideals." Damit beschreibt er den Widerspruch zwischen männlicher Erwartungshaltung und verminderten Körperfunktionen. Wie man den Mann kennt, wird er mit dem Grauen angesichts seiner Sterblichkeit alleine sein und bleiben. Er ist das gewöhnt.

Die Frauen hingegen bewegen sich zwischen der Sehnsucht nach schwesterlicher Wärme und Auflehnung gegen das Kartell aus Ärzteschaft und Pharmaindustrie. Sie haben möglicherweise mehr Selbstbestimmung, aber auch mehr Zweifel zu gewinnen.

Renée Zucker

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