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Gesundheit: „Die Wissenschaftler werden dankbar sein“

Minister Jürgen Zöllner erklärt, warum Politiker im Elite-Wettbewerb mitentscheiden müssen

Herr Zöllner, mehrere Hochschulexperten sagen, im Elite-Wettbewerb der Universitäten ginge es nicht ausschließlich nach Leistung. Inzwischen sprechen der Wissenschaftsrat und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) davon, auch „strategisches Denken“ werde nötig sein, um die Finanzströme optimal zu lenken. Welche Aspekte könnten damit gemeint sein?

Das müssen Sie diejenigen fragen, die das gesagt haben. Jedenfalls wird es in diesem Wettbewerb allein um die Qualität der eingereichten Konzepte gehen, soweit wir das als Politiker beeinflussen können. Strategisches Denken steht dazu sicher nicht im Widerspruch, solange damit nicht Opportunismus gemeint ist.

Von verschiedenen Seiten wird der Eindruck erweckt, die Politiker hätten in diesem Wettbewerb nichts zu sagen. Ist also davon auszugehen, dass die Politiker sich mit ihren Stimmen im Bewilligungsausschuss, in dem die letzte Entscheidung fällt, enthalten?

Die Vorentscheidung am 20. Januar wird allein von Wissenschaftlern getroffen, dabei ist die Politik völlig außen vor. Wenn es aber um meine Rolle im Bewilligungsausschuss geht, sage ich: Ich trage seit Jahrzehnten Verantwortung in der Wissenschaft und der Politik. Ich traue mir sehr wohl zu, meine Kenntnisse einzubringen. Dabei werde ich mich an den von den Wissenschaftlern vertretenen Plausibilitäts- und Qualitätskriterien orientieren, diese aber auch mit allem Nachdruck hinterfragen. Denn eine so wichtige Entscheidung muss in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung getroffen werden.

Der Wettbewerb könnte die Hochschullandschaft in Deutschland stark verändern. Fünf bis zehn Universitäten, die in der entscheidenden dritten Förderlinie des Wettbewerbs Erfolg haben, werden fortan über ein erheblich besseres Image und bessere Ressourcen verfügen. Kann hierüber ausschließlich nach rein wissenschaftlichen Kriterien entschieden werden?

Ich denke, dass die Wissenschaftler zum Schluss sogar dankbar sein werden, wenn die Politiker zur Klärung einer schwierigen Entscheidungssituation beitragen. Denn es ist doch möglich, dass es zuletzt zwei bis drei Universitäten gibt, über die man im Zweifel ist. In dieser Situation kann für die Entscheidungsfindung der Dialog mit der Wissenschaftspolitik sehr hilfreich sein. Wissenschaft ist das Schönste, was es gibt, aber ein Selbstzweck ist sie nicht, sondern sie muss der Gesellschaft dienen. Die Politiker aber können die gesellschaftliche Bedeutung dieses Wettbewerbs am besten einschätzen. Deswegen müssen sie hier auch Verantwortung übernehmen.

Die Politiker werden sich also in die Schlussauswahl einschalten?

Jeder Sonderforschungsbereich der DFG wird letztlich mit Beteiligung der Politik beschlossen. Ich verstehe nicht, wie jemand dann im Ernst annehmen kann, bei einer noch wichtigeren Entscheidung ginge es ohne die Politik. Ich glaube auch nicht, dass die Politiker, die ja immer viel gescholten werden, sich hier verstecken müssen. Immerhin ist dieser Wettbewerb in seiner Form, über die man in der Wissenschaft sehr glücklich ist, das Ergebnis politischer Überlegungen und Entscheidungen.

Während ein Wettbewerb um Spitzenuniversitäten läuft, rechnen die Kultusminister mit einem neuen Ansturm von Studierenden. Berlins Finanzsenator stellt das in Abrede: Die Zahlen seien deutlich übertrieben. Und der Chef des Statistischen Bundesamtes hat unlängst festgestellt, die Schätzungen der Kultusminister für das Jahr 2005 seien zu hoch gegriffen: Im Moment gibt es 1, 982 Millionen Studierende, nicht 2, 145 Millionen, wie die Kultusminister im Vorfeld angenommen haben. Wie solide ist Ihre Prognose?

Unsere Prognosen haben mindestens die Qualität der Prognosen der Finanzministerkonferenz. Sie sind im Übrigen so genau oder ungenau, wie Prognosen nun einmal sind. Im Kern ist doch entscheidend: Wir werden in den nächsten Jahren spürbar mehr Studierende an den Hochschulen haben. Das ist für Deutschland auch eine überaus erfreuliche Entwicklung, die die Innovationskraft stärken wird.

Ein Ziel der Reform mit den neuen verschulten Bachelor-Studiengängen war es, die Studienzeiten zu verkürzen. Wird das helfen, den Ansturm zu bewältigen?

Die Reform des Studiums muss helfen. Doch das gesamte Problem lässt sich damit nicht lösen. Selbst CDU-Politiker sagen ja inzwischen, wir müssten den Anteil der Studierenden von 30 auf 40 Prozent erhöhen. Wir brauchen in jedem Fall deutlich mehr Studienplätze.

Die Hochschulrektorenkonferenz geht davon aus, dass der Studentenberg jährlich anderthalb bis zwei Milliarden Euro kosten wird. Ist das realistisch?

Genau lege ich mich nicht fest, aber richtig ist, dass sich die Summe im Milliardenbereich bewegt.

Werden die Länder diese Aufgabe ohne den Bund schultern können?

Ich hatte nie Berührungsängste mit dem Bund. Aber ich bewege mich auf dem Boden der Verfassung, und danach ist Lehre an Hochschulen Ländersache, erst Recht nach der reformierten Verfassung. Umso mehr muss ich schmunzeln, wenn Kollegen, die genau darauf bestanden haben, nun mit dem Bund Pakete schnüren wollen. Aber natürlich sind Hochschulen eine gemeinschaftliche Aufgabe. Denn neben den Herausforderungen der Lehre gibt es die der Spitzenforschung.

Die Länder werden Bundeshilfen brauchen, um mehr Personal für die Lehre anstellen zu können. Es sind Zweifel zu hören, ob ein solches Hochschulsonderprogramm des Bundes mit der neuen Verfassung überhaupt möglich ist.

Bundesbildungsministerin Schavan wird sicher bald sagen, wie das zu machen ist. Dann werde ich mich dazu äußern.

Könnte der Bund die Hochschulen in der Forschung entlasten, damit die Länder ihre Mittel in der Lehre konzentrieren können?

Es ist in jedem Fall darauf zu achten, dass die Asymmetrie in der Unterstützung der Länder nicht noch größer wird. Schon jetzt profitieren einige deutlich mehr von Bundesmitteln für die Forschung.

Wenn die neue Studierendenwelle kommt, wird sie vor allem Bundesländer im Westen treffen. Ihr CDU-Kollege Peter Frankenberg, Wissenschaftsminister in Baden-Württemberg, befürchtet, die ostdeutschen Länder könnten deshalb gar kein Interesse an einem solchen Programm haben. Was, wenn die nötigen 13 Länderstimmen nicht zusammenkommen?

Wenn Herr Frankenberg seinen Einfluss so geltend macht, dass von einem solchen Programm nur ein Land mit der Charakteristik Baden-Württembergs profitiert, wäre das ein Fehler.

Sie haben vor einem Jahr einen neuen Vorteilsausgleich unter den Ländern vorgeschlagen. Danach soll ein Bundesland für jedes Landeskind, das in einem anderen Bundesland studiert, dorthin die Kosten dafür überweisen. Gibt es in der Kultusministerkonferenz (KMK) eine Annäherung?

Die KMK hat Rheinland-Pfalz und Sachsen beauftragt, im Februar einen konkreten Vorschlag vorzulegen. Ich hoffe, dass die Kollegen der anderen Länder die Dimension des Problems erkennen und von Egoismen absehen werden. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Studierenden um zehn Prozent gestiegen. Ein Studienplatz kostet je nach Fach 5000 bis 25 000 Euro. Doch die Last ist sehr unterschiedlich verteilt. Rheinland-Pfalz etwa hat die Zahl seiner Studienplätze um 22 Prozent aufgestockt, während andere Länder nur geringfügige Steigerungsraten oder gar Studienplätze abgebaut haben. Man kann die Verantwortung aber nicht auf einzelne Länder abwälzen. Natürlich könnte man dirigistisch festlegen, welches Bundesland wie viele Studienplätze vorzuhalten hat. Die SPD-Länder plädieren stattdessen für Anreize, Kapazitäten zu schaffen.

In den 80er Jahren besetzte man im Rahmen des Fiebiger-Programms Professuren parallel, um die Situation in der Lehre zu entspannen. Wäre das auch jetzt ein Weg?

Das ist eine Möglichkeit. In Rheinland-Pfalz gibt es bereits das Modell der „Senior-Professoren“. Die Stellen emeritierter Professoren werden zwar besetzt, doch die Professoren erhalten die Möglichkeit, noch drei bis fünf Jahre weiter zu unterrichten und zu forschen. Das ist für das Land kostengünstig und für die Studierenden ein Gewinn.

Im Gespräch ist auch, dass die Länder eine neue Personalkategorie an den Unis einführen könnten, einen Lecturer, der weniger kostet als Professuren und sich vor allem in der Lehre betätigt.

Den Lecturer gibt es im deutschen Hochschulsystem längst, nur dass er hier Akademischer Rat heißt. Auch solche Stellen können neben Fiebiger-Professuren Bausteine sein, das Problem zu lösen. Das Problem der Kapazitäten lösen wird all das aber nicht. Was fehlt, sind Wettbewerbsbedingungen, eben der von uns geforderte Vorteilsausgleich.

Das Gespräch führte Anja Kühne.

Jürgen Zöllner , 60,

ist seit 1991 Minister für Wissenschaft in Rheinland-Pfalz. In der Kultusministerkonferenz koordiniert er die SPD-Länder.

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