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Gesundheit: Diese Sprache ist im Fluss

Uwe Schlicht erklärt, warum die Kultusminister die Rechtschreibregelung für geglückt halten. Für sie hat die Routine längst begonnen

NEUER STREIT UM DIE RECHTSCHREIBREFORM

Kann der Umgang mit der Rechtschreibreform jemals Routine werden? In der Kultusministerkonferenz der Länder hat man das bis vor kurzem geglaubt. Dann brach erneut die Kritik der Reformgegner über die Kultusminister herein, und wieder müssen sie erkennen: Mit Routine kann dieser Streitpunkt nicht aus der Welt geschaffen werden. Deswegen versteht ein ausgewiesener Schulexperte wie der bayerische Ministerialdirektor Josef Erhard die Welt nicht mehr: „Jetzt greifen wir die Kritik der Reformgegner auf, aber schon beschweren sie sich wieder. Denen kann man es nie recht machen.“

Was war geschehen? Die deutschen Kultusminister wollten der zwischenstaatlichen Kommission mehr Freiheiten geben: Die Kommission, in der zwölf Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Reform vorantreiben und beobachten, sollte „über geringfügige Änderungen nach Beteiligung der bestehenden Beiräte“ selbst entscheiden, jedoch nach wie vor „Änderungen von grundsätzlicher Bedeutung und Tragweite“ den zuständigen staatlichen Stellen zur Entscheidung vorlegen.

Alles über die Bühne

Denn aus Sicht der Kultusminister ist die neue Rechtschreibung, die seit 1998 in Schulen und Behörden verbindlich eingeführt wurde, erfolgreich über die Bühne gegangen. Was sich jetzt noch ändert, sind routinemäßige Anpassungen und daher Kleinigkeiten, meinen die Minister. Nur Änderungen von grundsätzlicher Bedeutung, wie die generelle Einführung der Kleinschreibung von Substantiven, sollten der Zustimmung der staatlichen Stellen bedürfen. Doch eine solche Revolution der deutschen Rechtschreibung hatten die deutschen Kultusminister schon vor Jahren zu Beginn der Reformdiskussion abgelehnt und sich damit gegenüber ihren Partnerländern Österreich und der Schweiz durchgesetzt.

Doch kaum wurde der Plan bekannt, brach ein Sturm der Empörung in der Öffentlichkeit los. Von einem Geheimpapier der Kultusminister war die Rede. Gegner der Rechtschreibreform erklärten sofort, die „Zwischenstaatliche Kommission für die deutsche Rechtschreibung“ werde der politischen Kontrolle entzogen. „Ein obskurer Kader, dessen Qualifikationen und Rekrutierungregeln undurchschaubar sind, möchte sich selbständig machen, als bräuchte dieses Land eine Sonderbehörde für Rechtschreibung mit nahezu geheimdienstlichen Kompetenzen“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“.

Die Kultusminister versichern jedoch, sie hätten keineswegs daran gedacht, ihre Absichten und die neuen Änderungsvorschläge der Kommission zur Rechtschreibreform geheim zu halten. Dem Vorwurf, die Kommission wolle Befugnisse an sich reißen, entgegnet Ministerialdirektor Josef Erhard aus dem bayerischen Schulministerium mit dem Argument, die Zwischenstaatliche Kommission sei von den Regierungen der drei Länder eingesetzt worden und beziehe von daher ihre Legitimation.

Für die Kultusminister sah nun einmal alles nach Routine aus: In seinem jüngsten Bericht empfiehlt die Kommission erneut einen freieren Umgang mit den Schreibweisen. Das betrifft vor allem die Getrennt- und Zusammenschreibung, wo Varianten in Einzelfällen zugelassen werden. Neue Wörter- und Schulbücher müssten deswegen nicht verteilt werden, heißt es.

Schon in den vergangenen Berichten der „Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung“ hatten die Experten jeweils einen größeren Spielraum bei der Schreibung gewährt, aber aus Sicht der Kultusminister keine gravierenden Neuerungen mehr vorgeschlagen. So gingen die Kultusminister davon aus, die Kommission könnte von der Pflicht, alle zwei Jahre einen neuen Bericht zu verfassen, befreit werden. Das wollten die deutschen Minister auch den Österreichern und Schweizern vorschlagen. Denn bislang ist die Kommission dazu verpflicht, alle zwei Jahre Bericht über den Verlauf der Reform zu erstatten.

Der jetzt vorliegende Bericht ist der letzte, bevor im Jahre 2005 die Übergangsregelungen auslaufen. Vom ersten August 2005 an gilt in den Schulen und Behörden nur noch die neue Rechtschreibung.

Reform im Fünf–Jahres-Rhythmus

Wie geht es weiter? Die Amtschefskommission unter Vorsitz von Josef Erhard und dem Staatssekretär Elmar Schulz-Vanheyden aus Nordrhein-Westfalen könnte am heutigen Donnerstag den vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission zur Kenntnis nehmen und empfehlen, den Zwei-Jahres-Rhythmus aufzugeben und in einen Fünf-Jahres-Turnus zu überführen. In der Zwischenzeit sollte sich die Kommission bei der weiteren Beobachtung der Sprachentwicklung des Rates der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Fachbeiräte bedienen.

Nicht Bestand dürfte dagegen die aus dem Routinedenken geborene Idee haben, die weiteren Änderungen in der Rechtschreibreform der Zwischenstaatlichen Kommission anzuvertrauen, ohne dass die zuständigen Kultusminister das noch bestätigen müssen. Der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Erich Thies, betonte gegenüber dem Tagesspiegel, die endgültige Entscheidung über den Bericht werde das Plenum der Kultusministerkonferenz im März treffen.

Nach den öffentlichen Diskussionen sei aber nicht zu erwarten, dass sich die Kultusminister auch in Zukunft die Verantwortung für die Änderungen in der Rechtschreibung aus der Hand nehmen lassen werden. Die Übertragung dieser Verantwortung auf die Zwischenstaatliche Kommission werde also in dieser Form nicht beschlossen.

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