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Hannovers Emanuel Pogatetz mit dem Dieter-Hoeneß-Gedächtnisverband - zumindest ansatzweise.

© dapd

Dr. Dollas Diagnose (40): Verrückter Hund mit Turban

Trotz einer heftig blutenden Platzwunde am Kopf spielte Hannovers Emanuel Pogatetz im Bundesligaspiel gegen Leverkusen weiter. Wie ist das überhaupt möglich und welche Risiken bestehen?

Der Österreicher Emanuel Pogatetz von Hannover 96 lief im Bundesligaspiel gegen Bayer Leverkusen nach einem Zusammenstoß mit Simon Rolfes mit blutender Kopfwunde in die Kabine, kam kurz danach aufs Spielfeld zurück. Der Teamarzt hatte die Wunde mit vier Stichen genäht. Wie werden Platzwunden versorgt? Kann man damit überhaupt Sport treiben?

Die Platzwunde ist eine häufig auftretende Verletzung im Sport. Sie tritt als Folge eines direkten Anpralltraumas auf. Entweder beim Boxen als Folge eines Schlages oder Kopfstoßes, beim Eishockey oft nach einem Bodycheck gegen die Bande oder beim Fußball häufig im Kopfballduell. Oft kommt es zur Kopfplatzwunde im Bereich der Stirn, meist aber im Bereich der Augenbraue. Die Platzwunde ist oberflächlich, die Hautränder können auch zerfetzt sein. Es kann aufgrund der guten Durchblutung im Kopfbereich zu einer starken Blutung kommen.

Dr. Thorsten Dolla, Sportmediziner und Tagesspiegel-Experte.
Dr. Thorsten Dolla, Sportmediziner und Tagesspiegel-Experte.

© promo

Nach Untersuchung wird die Wunde desinfiziert und komprimiert. Es kann ein Kompressionsverband angelegt werden. In der Fußball-Bundesliga dürfen Spieler auf dem Spielfeld nicht bluten (auch Nasenbluten muss mit einer Tamponade versorgt werden). Ist der Spieler nach ärztlicher Untersuchung weiterhin spielfähig, muss eine umgehende Behandlung der Wunde durchgeführt werden. Dabei wird entschieden, ob ein Kompressionsverband ("Turban") angelegt werden muss oder, wie häufig im Gesichtsbereich, ein Klammerpflaster ("Steri-Strip") geklebt werden muss. Ist die Wunde, wie häufig im Kopfbereich, stark blutend, kann auch eine Wundversorgung mit Metallklammern ("getackert") durchgeführt werden. Aufgrund der Ästhetik wird dies nicht im Gesichtsbereich durchgeführt. Eine weitere Möglichkeit ist die Wundversorgung mit einer Naht.

Während der Boxer mit Vaseline, die mit einem Medikament angereichert ist, versorgt wird, kann es beim Eishockey zu einer adäquaten Wundversorgung in der Kabine kommen. Nach ausreichender Versorgung des Spielers kann dieser wieder eingewechselt werden und am Spiel teilnehmen. Beim Fußball muss schnell entschieden werden, ob der Spieler ausgewechselt werden muss oder weiterspielen kann. Eine entsprechende Wundversorgung wird dann noch am Spielfeldrand oder in der Kabine durchgeführt.

Durch ausreichende Desinfektion und die gute Durchblutung im Kopfbereich kommt es bei der Versorgung einer Kopfplatzverletzung selten zu Wundheilungsstörungen. Tetanusschutz durch eine entsprechende Impfung muss für alle Sportler vorhanden sein.

Bei Pogatetz platzte die Wunde im weiteren Spielverlauf noch einmal auf. Doch der in seiner Zeit in England "Mad Dog" genannte Abwehrspieler ließ sich auch davon nicht beeindrucken und hielt bis zum Ende durch. Anschließend wurde er sogar noch zum Spieler des Spiels gewählt. Verrückt.

Der Berliner Orthopäde Dr. Thorsten Dolla, 48, ist seit vielen Jahren in der Sportmedizin tätig. Er war Mannschaftsarzt bei Hertha BSC, beim 1. FC Union und dem Footballteam Berlin Thunder. Beim ISTAF war er bis 2009 leitender Arzt und ist heute Ringarzt beim Boxen. Für Tagesspiegel.de schreibt er regelmäßig über Sportverletzungen und ihre Folgen.

Aufgezeichnet von Michael Rosentritt

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