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Gesundheit: Eine Spende fürs Leben

Menschen mit Blutkrebs brauchen Knochenmarkspender – nur wie findet man die?

Die zwei Frauen trafen sich am Dienstag vergangener Woche zum ersten Mal. Die eine kam aus Dresden, die andere aus Luckau. Schon weil sie beide eher stille Typen sind, werden sie nicht so viel gesprochen haben. Doch was sie verbindet, ist nicht wenig: Mit Stammzellen aus dem Blut der jungen Frau aus Luckau wurde der Dresdnerin vor vier Jahren das Leben gerettet.

Dass die Blut bildenden Zellen der Spenderin für die leukämiekranke Empfängerin so gut passten, ist ein großes Glück: Die Chancen liegen höchstens bei eins zu 20000, denn zahlreiche Gewebemerkmale müssen übereinstimmen. Die Harmonie der Zellen war aber auch das Ergebnis strategischer Planung und hartnäckiger Arbeit, die die Chancen erhöhten. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, DKMS, eine gemeinnützige Gesellschaft, die 1991 gegründet wurde, ist inzwischen weltweit die größte Stammzellspenderdatei. Und das Treffen der beiden jungen Frauen in Berlin fand statt, weil die Aufnahme des millionsten Spendewilligen in die Datei zu feiern war.

5000 wurden bisher tatsächlich für eine Spende gebraucht. Bei ihnen hatte ein Vergleich der Gewebemerkmale mit denen eines an Blutkrebs Erkrankten, der akut gesunde Stammzellen brauchte, eine hohe Übereinstimmung ergeben. Für die ersten Tests, deren Ergebnisse später in den Computer eingegeben werden, werden nur fünf Milliliter Blut gebraucht.

Wer auf Grund dieser Informationen später für einen Kranken als Lebensretter in Frage kommt, unterzieht sich nochmals einigen harmlosen Tests. Wenn es ernst wird, wird vom Spender mehr verlangt: Entweder werden ihm Blut bildende Stammzellen aus einer Armvene entnommen. Damit diese Zellen sich vermehren und im Körper zirkulieren, muss zuvor eine Behandlung mit dem hormonähnlichen Stoff G-CSF erfolgen. Am Entnahmetag selbst werden die Stammzellen aus dem Blut gefischt, über einen zweiten Venenzugang bekommt der Spender sein Blut zurück.

Für die ältere Methode, die Knochenmarkspende, braucht der Spender eine Vollnarkose. Mit einer Nadel wird aus dem hinteren Beckenknochen ein Gemisch aus Blut und Knochenmark entnommen. Ob Knochenmark oder periphere Stammzellen: Die transplantierten Zellen nisten sich, wenn alles gut geht, beim Empfänger ein und beginnen an ihrer neuen Wirkungsstätte, gesunde Blutzellen zu bilden.

Gefürchtet sind jedoch heftige Abwehrreaktionen. Aus den Stammzellen bilden sich auch Zellen, die den Körper des Empfängers angreifen. Mittlerweile jedoch macht man sich diesen Effekt sogar zu Nutze: Die fremden Zellen attackieren nämlich auch Krebsgewebe.

Nicht nur die Chance, dass die Zellen von Spender und Empfänger sich vertragen, sondern auch die Hilfsbereitschaft ist bei nahen Verwandten größer. Doch nur ein Drittel der Blutkrebs-Kranken, deren Leben durch eine Transplantation gerettet werden könnte, hat heute einen Angehörigen, der in dieser Hinsicht zu ihm passt. Und auch die Therapie mit eigenen, zuvor gereinigten Stammzellen kommt längst nicht für alle Patienten in Frage. Bei einigen Leukämie-Patienten gelingt es nicht, die Krebszellen mit einer Chemotherapie zu vernichten. „Bei komplexen Veränderungen der Chromosomen und besonders riskanten Leukämieformen ist die Fremdspende der Behandlung mit eigenen Stammzellen eindeutig überlegen“, sagt der Krebsspezialist Gerhard Ehninger, Direktor der Medizinischen Klinik am Uniklinikum in Dresden, wo es eine große Transplantationseinheit gibt. „Oft können wir heute dem Patienten schon am ersten Tag sagen, dass er eine Transplantation fremder Stammzellen brauchen wird.“ Dann wird alle Hoffnung in das gesunde Immunsystem des Spenders gelegt.

Und für 80 Prozent der Kranken erfüllt sie sich heute. Im zentralen Knochenmarkregister der Bundesrepublik in Ulm sind neben den Daten der DKMS auch eine Million weiterer Spendewilliger aus 40 anderen Dateien erfasst, außerdem bestehen Verbindungen zu internationalen Sammelstellen. Um weitere Spender wird weiter intensiv geworben. Schon allein, um die Dateien auf dem heutigen Niveau zu halten. Denn die registrierten Spendewilligen – unter ihnen auch viele Prominente – scheiden mit 60 aus Altersgründen aus der Datei aus.

Ab und zu nutzen die Organisatoren von Spenderdateien auch konkrete Fälle, um die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung zu wecken. „Wir tun dann allerdings nicht so, als suchten wir einen Spender nur für ein bestimmtes, besonders süßes Kind“, so DKMS- Pressesprecher Malte Wittwer. Er plädiert für den seriöseren Weg, nach dem Motto: „Sie helfen mit Ihrer Spende vielleicht nicht dem kleinen Markus, dafür aber anderen Menschen, die in derselben Situation sind.“

Deutsche Knochenmarkspenderdatei:

www.dkms.de , Tel. 07071–943-0

Adelheid Müller-Lissner

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