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Gesundheit: Elefanten: Der gute Ton der jungen Wilden

Wer glaubt, das laute Trompeten der Elefanten sei Ausdrucksmittel genug, der irrt. In der Regel unterhalten sich die grauen Rüsselriesen im Flüsterton: Elefanten kommunizieren mittels Infraschall - und das in einer Art Ferngespräch.

Wer glaubt, das laute Trompeten der Elefanten sei Ausdrucksmittel genug, der irrt. In der Regel unterhalten sich die grauen Rüsselriesen im Flüsterton: Elefanten kommunizieren mittels Infraschall - und das in einer Art Ferngespräch.

Bereits Großwildjägern erschien es mysteriös, wie eine zur Nahrungssuche meilenweit über Savanne und Wald verstreute Elefantenfamilie auch nachts wieder zusammenfindet. Als die berühmten Elefanten-Forscher Iain und Oria Douglas-Hamilton dann in den 60er Jahren ihre systematischen Freilandstudien begannen, fiel ihnen das tiefe Grummeln und Grollen auf, wenn sie in der Nähe einer friedlich weidenden Elefantenherde waren.

Doch nicht nur dieses dumpfe, gerade noch vernehmbare Grollen dient der Kommunikation der Dickhäuter. Die Tiere unterhalten sich mit für uns Menschen meist gänzlich unhörbaren Lauten von besonders niedriger Schwingungszahl: dem Infraschall. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit reden sie auf diese Weise mit ihren Artgenossen über Entfernungen von bis zu 20 Kilometern.

Wie die amerikanische Zoologin Katherine Payne herausfand, sind die Schwergewichtler sehr gesprächig. Zufällig war Payne bei einem asiatischen Elefanten im Zoo von Portland in den USA aufgefallen, dass die Luft in unregelmäßigen Abständen immer wieder von tiefen Vibrationen erfüllt war. Mit Infraschall-Meßgeräten ließ sich schnell bestätigen, dass der Elefant 10 bis 15 Sekunden lang tiefe Töne zwischen 14 bis 24 Hertz von sich gab. Dieses Elefantengeflüster konnte dann sowohl bei afrikanischen wie asiatischen Tieren auch in freier Wildbahn nachweisen werden. Sie erzeugen es offenbar an der Ansatzstelle ihrer Rüssel, äußerlich sichtbar an einem kleinen Buckel auf Höhe der Augen. Dort, wo die durch den Rüssel führenden Nasengänge aus dem Schädel austreten, bringen Elefanten vermutlich eine Membran zum Schwingen.

Die afrikanischen Elefanten, die recht schlechte Futterverwerter sind und daher enorme Mengen an Nahrung in sich hineinstopfen müssen, verteilen sich beim Fressen in kleinen Verbänden von vier bis acht Tieren über die Baumsavanne; wie auf ein geheimes Signal hin setzen sich diese Familien dann irgendwann urplötzlich wieder in Bewegung und schließen sich zu einer größeren Herde von mehreren Dutzend Tieren zusammen, strecken sich zur Begrüßung gegenseitig den Rüssel - die "Vielzweckhand" der Tiere - ins Maul und wandern zusammen weiter.

Die ungewöhnlich tiefe Bassstimme hat dabei ihren gewichtigen Grund im Lebensraum der Tiere. Die Dickhäuter haben ihren Frequenzbereich vermutlich deshalb nach unten ausgedehnt, weil sich tiefe Töne im Unterholz und Gras der Savanne weit ausbreiten. Hohe Frequenzen werden dagegen im Dickicht sehr schnell geschluckt.

Ihr für unsere Ohren lautlos schwingender Kontrabass dient Elefanten zur wechselseitigen Kontaktaufnahme einzelner Tiere einer Herde - die immerhin 80 bis 100 Elefanten zählen kann. Aber auch beim Liebesleben gibt der Infraschall den Ton an. Bullen trollen grollend durch den Busch, verharren dann wie angewurzelt, als ob sie auf eine Antwort ihres Liebeswerbens lauschten. Hat der Bulle ein williges Weibchen gefunden, genießt dieses keineswegs schweigend das Schäferstündchen, sondern stößt während der Paarung kräftige Rufe im Infraschallbereich aus, die weitere Bullen anlocken. Die müssen sich beeilen, da eine Elefantin nur etwa zwei Tage paarungsbereit ist.

Eine Mitteilung in Infraschall abzusetzen, gehört demnach mehr als nur zum guten Ton unter Elefanten: sie ist lebenswichtig. Überdies wissen Elefanten ganz genau, mit wem sie gerade "reden". Kürzlich entdeckten Verhaltensforscher um Cynthia Moss vom Amboseli Elephant Research Project, dass die Dickhäuter ein ausgedehntes akustisches Netzwerk unterhalten.

Die Forscher spielten im Amboseli Nationalpark in Kenia frei lebenden Elefantenkühen die Kontaktrufe von bekannten und unbekannten Artgenossen vor. Sie fanden heraus, dass die Tiere rund 100 Artgenossen anhand ihrer Rufe unterscheiden können. Sie erkennen, ob es sich um Verwandte handelt oder nur um Gruppenmitglieder. Sogar nach zwei Jahren vermögen Elefanten noch den Infraschall-Ruf eines bereits verstorbenen Verwandten wiederzuerkennen, den die Wissenschaftler den Elefanten vom Tonband vorspielten. Die Tiere riefen zurück und machten sich auf die Suche nach dem vermeintlich "Verschollenen".

Auch ein jüngst beobachtetes Verhalten weist erstaunliche Analogien zum Menschen auf. Denn offenbar brauchen die männlichen Teenager dieser nicht immer sanften Riesen Vaterfiguren. Sonst randalieren sie und erliegen dem Männlichkeitswahn, glauben südafrikanische Verhaltensforscher um Rob Slotow.

In der Region um Pilanesberg in Südafrika waren in den 1980er Jahren mehrere durch den Abschuss ihrer Mütter verwaiste Elefanten im Alter von weniger als zehn Jahren ausgesetzt worden. Die halbstarken Bullen dieser Gruppe töteten mehr als 40 Nashörner. Die Bullen waren dabei auffällig lange und häufig in der "Musth", einem Zustand erhöhten Testosterongehalts, der vor allem beim afrikanischen Elefanten mit großer Aggression einhergeht.

Um dem mörderischen Treiben der jungen Vandalen zu begegnen, stellte die Parkverwaltung der Jugendbande schließlich eine Gruppe erfahrener und "normaler" älterer Männchen aus dem Krüger Nationalpark zur Seite. Diese Altbullen brachten die Jugendlichen tatsächlich schnell zur Räson, allein schon durch ihre bloße physische Präsenz. Dauer und Häufigkeit der "Musth" reduzierte sich im Handumdrehen, berichteten die Forscher im Fachjournal "Nature".

Bereits zuvor war beobachtet worden, dass die Auswirkungen der "Musth" schlagartig ausblieben, wenn die jüngeren Elefanten bei Anwesenheit älterer und kräftigerer Bullen ihre Aggression nicht ausleben können. Die Forscher vermuten, dass die Jung-Elefanten an ihren mit hormonellen Wechselbädern einhergehenden "Musth"-Tagen lernen, physiologisch und psychologisch mit den Hormonschüben umzugehen. Ohne den mäßigenden Einfluss der Altbullen jedoch laufen auch die jungen Wilden bei Elefanten offenbar Amok. Bleibt zu hoffen, dass die afrikanischen und asiatischen Elefanten in ihrem natürlichen Lebensraum überleben und dass Forscher die Chance haben, weitere Wesenszüge der Dickhäuter zum Vorschein zu bringen.

Matthias Glaubecht

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