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Gesundheit: Erste Bleibe: Hinterhof

Ein dunstiger Herbstmorgen am Prenzlauer Berg, morgens um kurz vor neun.Kristine steht in einem Pulk junger Leute vor dem Eingang der Wohnungsbaugesellschaft WIP an der Schwedter Straße und wartet darauf, daß die Türen aufgeschlossen werden.

Ein dunstiger Herbstmorgen am Prenzlauer Berg, morgens um kurz vor neun.Kristine steht in einem Pulk junger Leute vor dem Eingang der Wohnungsbaugesellschaft WIP an der Schwedter Straße und wartet darauf, daß die Türen aufgeschlossen werden.Ein halbes Jahr lebte die 22jährige in einem israelische Kibbuz, jetzt möchte sie sich an der Humboldt-Uni einschreiben."Ich suche eine Wohnung hier in der Gegend, auf jeden Fall Altbau.Schön wäre auch, wenn ich eine herzliche Hausgemeinschaft finde - ein bißchen wie im Kibbuz", sagt Kristine und lacht.Dieser Wunsch ist sicher erfüllbar.In den Innenstadtbezirken gibt es viele alte Mietshäuser, wo an warmen Sommerabenden gesellige Hof-Meetings gemacht werden oder wo einen der Nachbar auch mal zum Frühstück einlädt.Vor allem wegen der günstigeren Miete finden Studenten ihre erste Berliner Bleibe meist in einer Hinterhauswohnung.

Um eine eigene Wohnung zu finden, gibt es für Studenten in Berlin drei Möglichkeiten: Sie können sich ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft suchen, eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt aufstöbern oder sich an eine der städtischen Wohnungsbaugesellschaften wenden.Die Wohnungsangebote in den Wochenendausgaben der Berliner Tageszeitungen stammen vorwiegend von gewerblichen Anbietern, wie Maklern und Hausverwaltungen.Im dreimal wöchentlich erscheinenden Anzeigenblatt "Zweite Hand" inserieren vor allem Privatleute.Gewerbliche wie private Wohnungsangebote können dann meist am Samstag oder Sonntag besichtigt werden.Zu den Terminen mit Maklern und Hausverwaltungen sollte vorsorglich eine Mietbürgschaft der Eltern mitgenommen werden.Zimmer in Wohngemeinschaften werden vor allem in den Stadtmagazinen "zitty" und "Tip" sowie am schwarzen Brett in den Hochschulen angeboten.

In den nach der Wende besonders beliebten Innenstadtbezirken Prenzlauer Berg und Mitte werden für Studenten bezahlbare Wohnungen aufgrund des regen Sanierungsgeschehens allerdings immer rarer.Das ist wohl einer der Gründe dafür, daß der Bezirk Friedrichshain beim studentischen Publikum immer beliebter wird.Billige Wohnungen sind hier noch leichter zu finden als im angrenzenden Prenzlauer Berg.Überhaupt sollte man sich bei der Wohnungssuche nicht allzusehr von mitgebrachten Berlin-Klischees leiten lassen.Interessante Wohnviertel gibt es auch außerhalb der bekannten "In"-Bezirke.

Eine gute Anlaufstelle für Wohnungssuchende, die es ins Zentrums Berlins zieht, sind die gemeinnützigen und städtischen Wohnungsbaugesellschaften.Sie haben in den Berliner Ostbezirken die Nachfolgerschaft der früheren kommunalen Wohnungsverwaltungen angetreten und verfügen daher neben zahlreichen Plattenbauten (noch) über eine große Zahl an bezahlbaren Altbauwohnungen.Zwar sind die Mieten, die etwa die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP) bei Neuvermietungen ansetzt, oft nur wenig niedriger als die Mietpreise privater Hausverwaltungen.Doch wer nicht vor dem Heizen mit dem Kachelofen zurückschreckt, findet in den Beständen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften sehr preiswerte Wohnungen."Wir haben noch viele einfach ausgestattete Altbauwohnungen im Bestand", sagt Petra Ebert von der Wohnungsbaugesellschaft Pankow (GESOBAU).Die Kaltmiete einschließlich Nebenkosten für diese Wohnungen liegt bei acht bis neun Mark je Quadratmeter."Wenn ein Bewerber keine ausgefallenen Wünsche hat, dauert es vier bis sechs Wochen ab Bewerbung, bis ein Mietvertrag unterschrieben werden kann", sagt Maria Kunitz, Sprecherin der WIP in Prenzlauer Berg.

Das Bewerbungsverfahren ist bei fast allen Wohnungsbaugesellschaften gleich: Interessenten füllen ein Formular mit ihren persönlichen Daten sowie mit ihren Vorstellungen zur Wohnung aus.Meist ist auch die Kopie eines Wohnberechtigungsscheins beizulegen.Danach senden die Wohnungsbaugesellschaften den Bewerbern Angebote zu.Falls nach zwei Wochen noch kein interessantes Wohnungsangebot eingetroffen ist, rät Maria Kunitz von der WIP, noch einmal beim Bewerbungsbüro der Wohnungsbaugesellschaft nachzufragen.Einen Wohnberechtigungsschein - für die Mehrzahl der städtischen Wohnungen erforderlich - erhalten Studenten in der Regel problemlos.

Der Berliner Wohnungsmarkt zeichnet sich durch eine sehr hohe Preisspanne aus.Vor allem auf dem freien Wohnungsmarkt lohnt es sich, für die Wohnungssuche ein paar Tage mehr einzuplanen und nicht das erstbeste Angebot wahrzunehmen.Preiswert ist eine Wohnung bei einer Bruttokaltmiete (Kaltmiete plus Betriebskosten) von acht Mark pro Quadratmeter, die mittlere Preislage liegt bei elf bis dreizehn Mark kalt.Doch eine günstige Miete ist nicht alles.Viele Vermieter, so Reiner Wild vom Berliner Mieterverein, versuchen mittels extrem niedrig angesetzter Betriebskosten Interessenten zu ködern: Ist der Betriebskostenanteil an der Kaltmiete mit nur einer Mark berechnet, müsse man von einer "Ködermiete" ausgehen, sagt Wild, "und dann werden sie als Mieter bei der ersten Betriebskostennachzahlung eine böse Überraschung erleben".Ein realistischer Betriebskostenanteil liegt bei etwa zwei Mark pro Quadratmeter.

Matthias Bollmann ist Mitarbeiter bei der Gesellschaft "MietTips", dem Dachverband der städtischen Berliner Wohnungsunternehmen.Sein Rat für Neu-Berliner: "Die Erwartungen etwas zurückschrauben.Vor allem westdeutsche Zuzügler kommen oft mit unrealistischen Vorstellungen zu uns." Wer eine preiswerte Wohnung im Gründerzeitviertel sucht, sollte auch bereit sein, Abstriche am Komfort und einen Hinterhof-Ausblick in Kauf zu nehmen, meint Bollmann."Dafür sind sie dort aber mitten im prallen Leben und werden sich nie langweilen".

FRANK JÄGER

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