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Gesundheit: Es gibt noch Wunder

Von Uwe Schlicht Am Anfang der großen Haushaltsdebatte im Wissenschaftsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses stand das Selbstlob des Wissenschaftssenators Thomas Flierl (PDS): „Mit dem Doppelhaushalt 2002/2003 ist es gelungen, die Priorität für Wissenschaft und Forschung zu sichern." Danach zählte der Senator die Einzelheiten auf.

Von Uwe Schlicht

Am Anfang der großen Haushaltsdebatte im Wissenschaftsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses stand das Selbstlob des Wissenschaftssenators Thomas Flierl (PDS): „Mit dem Doppelhaushalt 2002/2003 ist es gelungen, die Priorität für Wissenschaft und Forschung zu sichern." Danach zählte der Senator die Einzelheiten auf. Es sei erreicht worden, die Hochschulverträge bis zum Jahre 2005 zu halten und auch die zusätzlichen Belastungen durch Pensionen und Beihilfen zu finanzieren. Besonders hob der Senator die Vertragstreue des Landes Berlin gegenüber der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft sowie der Fraunhofer-Gesellschaft hervor.

Diese Vertragstreue ist erst durch massiven Druck der Wissenschaftsorganisationen zustande gekommen, die damit gedroht hatten, ein Max-Planck-Institut zu schließen und den Sonderforschungsbereich Mathematik nicht nach Berlin zu vergeben, falls die Stadt aus der vereinbarten Steigerung der Finanzmittel für die großen Wissenschaftsorganisationen aussteigen sollte. Durch den Berliner Alleingang drohten den Großorganisationen der Wissenschaften Verluste von 80 Millionen Euro.

Das große Zaubermittel, das der Berliner Senat für die Wissenschaft und Forschung so plötzlich gefunden hat, sind 10,8 Millionen Euro aus nicht verwendeten Baumitteln der Museumsinsel. Mit diesem Zaubergeld werden gravierende Einsparbeschlüsse von der Haushaltsklausur im März dieses Jahres rückgängig gemacht, und damit entstehen auch neue Perspektiven.

Da hier Geld verschoben wird, ist die Haushaltskorrektur für 2002 und 2003 über so genannte Nachschiebelisten vorgenommen worden. In der ersten Nachschiebeliste hat der Berliner Senat in der vergangenen Woche die Zufallsstreichung beim Elektronen-Speicherring für Synchrotronstrahlung (BESSY II) rückgängig gemacht. Ohne die zusätzlich vergebenen drei Millionen Euro hätte BESSY II im Sommer dieses Jahres seinen Betrieb einschränken müssen. In der ersten Nachschiebeliste wurde auch das Studentenwerk wieder arbeitsfähig gemacht, dem im letzten Jahr 28 Millionen Mark abgezwackt worden waren. Jetzt erhält es 16 Millionen Euro zusätzlich, um weiterhin Studentenwohnheime und das Mensa-Essen zu finanzieren. Der große Befreiungsschlag kommt jedoch erst noch und zwar über die Nachschiebeliste zwei, über die der Berliner Senat in der nächsten Woche befinden will.

Wissenschaftssenator Flierl ist sich so sicher, dass er bereits gestern vor den Abgeordneten Einzelheiten bekannt gab (siehe Kasten). Trotz dieser positiven Perspektiven wurden einzelne wichtige Bereiche von den Abgeordneten kritisch durchleuchtet. Die CDU bemängelte, dass bei der Berufsakademie 410 000 Euro gestrichen werden und warf der SPD vor, gegen dieses besonders in Baden-Württemberg erprobte Modell einer von Staat und Wirtschaft gemeinsam finanzierten Berufsausbildung von Anfang an ideologische Vorbehalte gehabt zu haben. Bert Flemming von der SPD und Benjamin Hoff von der PDS wiesen den Vorwurf der Ideologie zurück und priesen die Berufsakademie als ein bewährtes Modell. Da die Wirtschaft nicht in der Lage sei, einen zusätzlichen Finanzbeitrag zu leisten, wolle man jetzt über die Statusanhebung zur Fachhochschule wenigstens an die Hochschulbaugelder des Bundes herankommen.

Die drei kleinen Kunsthochschulen, Hanns Eissler für Musik, Ernst Busch für die Schauspielkunst und die Kunsthochschule in Weißensee, sollten Einsparungen in Höhe von 900 000 Euro in den Jahren 2002 und 2003 verkraften. Das hätte ihre Arbeitsfähigkeit in Frage gestellt. Ihre Weiterarbeit ist durch einen Solidarbeitrag der großen Universitäten in Berlin gesichert. Dabei wird es jedoch nicht bleiben. Senator Flierl kündigte für das Jahr 2004 Hochschulverträge auch für die drei kleinen Kunsthochschulen an, um ihnen eine langfristige Perspektive bieten zu können. Zur Vorbereitung dieses Schrittes wird eine Expertenkommission eingesetzt.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie hat noch einmal Glück im Unglück gehabt. Die Studienstiftung des Deutschen Volkes möchte ihre Räume mitnutzen und stellt dafür eine Million Euro zur Verfügung. Damit sind ihre Langzeitvorhaben gesichert. Die Arbeitsgruppen zu aktuellen Forschungsthemen werden weiterhin gemeinsam von den Ländern Berlin und Brandenburg finanziert. Staatssekretär Peer Pasternack sagte auch warum: Hätte man die Einstellung der Arbeitsgruppen erzwungen, wäre damit das einzigartige Konzept dieser Akademie in Frage gestellt worden. Die Opposition wollte dem Senator bei seinem Selbstlob nicht ohne Weiteres folgen. Die hochschulpolitische Sprecherin der CDU, Monika Grütters, vermochte die Priorität für Forschung und Hochschulen nicht zu erkennen, weil Finanzsenator Thilo Sarrazin bis zum Auslaufen der Hochschulverträge im Jahre 2005 eine 20-prozentige Senkung der Staatszuschüsse angekündigt hat.

Die Abwehrversuche der rot-roten Koalition waren gespalten: Für den Doppelhaushalt 2002/2003 konstatierte der SPD-Hochschulsprecher Bert Flemming, die Wissenschaft sei der einzige Bereich, der in der jetzigen Notsituation noch Zuwächse habe. Benjamin Hoff von der PDS war da schon nüchterner. Er sagte voraus: „Hochschulverträge auf dem Niveau der Jahre 2003 bis 2005 werden wir nicht mehr länger halten können." Mit anderen Worten: In den nächsten Jahren werden die 85 000 Studienplätze der Stadt in Frage gestellt.

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