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Gesundheit: „Es waren nicht mehr gute Anträge da“

DFG-Chef Ernst-Ludwig Winnacker reagiert auf die Kritik der Wissenschaftsminister am Auswahlverfahren im Exzellenzwettbewerb

Herr Winnacker, es gibt massive Kritik am Entscheidungsverfahren im Elitewettbewerb, Wissenschaftsminister fühlen sich düpiert. Warum wurde das Verfahren überraschend geändert und keine Diskussion um die Zweifelsfälle zugelassen?

Es wurde gar keine Kritik geübt, das war ein ganz friedlicher Prozess.

Öffentlich haben sich Schleswig-Holsteins Wissenschaftsminister Austermann und Berlins Wissenschaftssenator Flierl beschwert und von einem Eklat gesprochen, auch haben die Politiker aus Ärger zehn Prozent der Mittel eingefroren.

Es gibt in einem Wettbewerb immer Gewinner und Verlierer, das müssen wir in der Forschung noch lernen. Die Politik hat immer gesagt, sie will sich nicht einmischen, und sie hat das auch nicht getan. Dafür bin ich außerordentlich dankbar. Es hat sich jetzt zum ersten Mal ein Prozess entwickelt, der wirklich wissenschaftsgetrieben war und der den Föderalismus aus den Entscheidungen herausgehalten hat. Und das ist von den Ministern auch akzeptiert worden.

Gab es denn mit der Politik gar nichts mehr zu diskutieren?

Ich habe noch bis zum Donnerstag geglaubt, dass wir vielleicht so viele gute Anträge haben, die wir nicht alle finanzieren können. Da hätten wir mit den Ministern besprechen müssen, ob wir das Finanzlimit von 45 Prozent der Finanzmittel für die erste Runde überschreiten können. Es waren aber nicht mehr gute Anträge da, um sie den Wissenschaftsministern noch vorzulegen. Schlechte konnten wir ihnen ja nicht gut anbieten.

In den letzten Tagen vor den Entscheidung sollen Kommissionen als mittelmäßig bewertete Anträge aufgewertet und andere abgewertet haben, um den gewünschten Eliteunis über die Ziellinie zu helfen.

Ich hatte zwar die Sitzungsleitung, aber ich hatte keine Stimme und habe auch nie an einer Diskussion über München, meine alte Uni, teilgenommen. Und als es um Karlsruhe ging, gab es keine Hinweise auf etwaige Umwertungen. Natürlich wurde hin und her diskutiert: Ist jene Graduiertenschule besser als diese, welche Kriterien stimmen in diesem Fall besser als in einem anderen? Und zwischendurch wurde mal das eine besser bewertet als das andere, wurden Kriterien doch noch einmal anders gewichtet. Das war unsere Aufgabe. Aber will ernsthaft jemand so prominenten Gutachtern wie dem Nobelpreisträger Ketterle oder der Forschungsleiterin von Google so eine Kleinstaaterei unterstellen? Die Gutachter sind an solchen föderalen Dingen überhaupt nicht interessiert.

Eine Reihe von Politikern, aber auch Unipräsidenten, verlangen, dass mehr Transparenz in das Begutachtungs- und Entscheidungsverfahren kommt. Haben Sie schon über Wege nachgedacht?

Was meinen Sie mit Intransparenz? Wir laden ja die Antragsteller ein, sich mit den Gutachtern zu unterhalten. Wir fragen auch, ob sie mit der Gutachtergruppe einverstanden sind – so etwas Transparentes habe ich noch nie gehört. Während der Begutachtung können sie Fragen stellen, Kritikpunkte anbringen, das Ganze geschieht also in einem Dialog. Die Gutachten werden in der zweiten Stufe an die Kommissionen geschickt. Die müssen dann die Quadratur des Kreises üben, sich beispielsweise darüber klar werden, ob ein Antrag in der Kunstgeschichte besser ist als einer in der Physik. Aber die Kriterien waren ja den Antragstellern bekannt. Ich wüsste nicht, was man da ändern sollte.

Den Politikern geht es vor allem um die entscheidende gemeinsame Sitzung, in der sie nicht nur das Votum der Wissenschaftler abnicken wollen.

Das ist nicht nur ein Abnickgremium. Wir haben solche Hauptausschüsse, in denen die Politik am Verfahren beteiligt wird, seit 1920. Die Politiker werden dort informiert, was gut in Deutschland ist, und sie erfahren die Kriterien, nach denen entschieden wird in der internationalen „scientific community“.

Die Geistes- und Sozialwissenschaften sind weitgehend aus der Exzellenzförderung ausgeschlossen. Gehören die Disziplinen nicht mehr zur Exzellenz in Deutschland?

Vieles, was jetzt nicht gefördert worden ist, gehört zur exzellenten Forschung. 27 Prozent der Anträge bei den Graduiertenschulen kamen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, 20 Prozent werden jetzt gefördert. Das ist mehr als im Durchschnitt der DFG-Förderung. Ich bin sicher, dass die Beteiligung auch an den Clustern in der zweiten Runde besser sein wird. An sich ist die Exzellenzinitiative ein tolles Instrument für die Geisteswissenschaften. Und zwar dann, wenn man ein Forschungscluster wie ein großes Dach versteht, das die Gemeinsamkeiten der Fächer betont, und auch individuelle Arbeitsmöglichkeiten gestattet. Die Geisteswissenschaften brauchen vor allem Zeit zu forschen, auf ihnen lastet ja die ganze Bürde der Massenuniversität. Es dauert aber erfahrungsgemäß eine Weile, bis sich eine Wissenschaftskultur auf neue Instrumente einstellt.

Berlin ist mit nur drei Graduiertenschulen schlecht weggekommen. Wie erklären sie sich, dass sich die kürzlich wieder von der DFG bestätigte Stärke des Wissenschaftsstandortes nicht auszahlt?

Ich habe eine große Hochachtung vor der Berliner Hochschulsituation schon wegen der angespannten finanziellen Lage. Wir werden allen Antragstellern auch erneut die Argumente schicken, mit denen ihre Anträge jetzt nicht bewilligt wurden.

Besteht womöglich die Gefahr, dass in diesem Wettbewerb nicht die langfristige Stärke einer Uni gewürdigt wird, sondern ihre Tagesform? Wenn nur eine Graduiertenschule wegbricht, ist das ganze Zukunftskonzept Makulatur, egal ob die Uni sonst zu den besten in Deutschland zählt.

Wenn eine Universität zu den besten zählt, dann passiert ihr so etwas nicht. Eine exzellente Universität muss in der Lage sein, exzellente Anträge in allen drei Linien des Wettbewerbs zu stellen. Dass das beim ersten Mal nicht gleich klappt, kann passieren, dann können sie es in der zweiten Runde versuchen. Nur heiße Luft reicht nicht. Bei der dritten Säule ging es um den Status quo und um die Zukunftsperspektiven. Aber eines ist klar: Die 30 Millionen, die eine Uni mit dem Elite-Label bekommt, machen finanziell keine Spitzenuniversität. Die TU München hat immer noch nur ein Drittel der Mittel, die die ETH Zürich hat. Aber es wird ein bisschen besser, so können sie nun neue Sponsoren bekommen. Und nächstes Jahr gibt es ein neues Spiel.

Warum gibt es in der ersten Runde nur drei Eliteunis, am Ende sollen es doch bis zu zehn werden? Gab es wirklich nicht mehr würdige Kandidatinnen?

Das waren Richtzahlen. Keiner konnte vorher wissen, wie viele Cluster, Graduiertenschulen und Zukunftskonzepte am Ende förderwürdig sein werden. Man hat sich daran gehalten, was man vorgefunden hat. In der nächsten Runde wird der Druck noch größer: Die, die jetzt nicht dabei sind, treten automatisch wieder an, und da sind gute dabei, darunter Aachen, Heidelberg und Freiburg. Und es gibt ein paar, die noch gar nicht dabei waren, Hamburg und Frankfurt am Main etwa.

Bayern ist sehr erfolgreich mit zwei Eliteunis in München. Andere Länder werfen Bayern vor, sich nicht genug beim Ausbau der Studienplätze engagiert zu haben, sondern ihre Finanzmittel auf die Forschung konzentriert zu haben.

Ich meine, in München auch schon Studenten gesehen zu haben – und überfüllte Vorlesungen. Forschung und Lehre gehen immer zusammen. Aber es gibt eben auch Forschungsuniversitäten. Mein Bild ist das einer Pyramide mit einer breiten guten Basis und mit Spitzen. Nicht jeder Professor muss immer acht Stunden lesen. Warum nicht einer sechs, ein anderer zwölf? Und nicht alle Universitäten müssen gleich viele Studienplätze haben.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

Ernst-Ludwig Winnacker (65) ist Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und leitet die Gemeinsame Kommission von DFG und Wissenschaftsrat in der Exzellenzinitiative

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