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Gesundheit: Exotische Typen

Vom Orient zum Okzident: Die Staatsbibliothek zeigt kostbare Drucke aus fernen Ländern

Im Jahre 1574 wurde die erste Druckerei in Berlin eröffnet. Ihr Besitzer, der Arzt, Goldschmied und Alchimist Leonhard Thurneisser, war ein weit gereister Mann mit einem Faible für entlegene Sprachen. Er verschaffte sich Vorlagen von fremden Schriften, um die Typen in der eigenen Schriftgießerei herzustellen und zum Druck eigener Werke zu verwenden. Thurneissers „Magna Alchymia“ von 1583 enthält Bibelverse sowohl in lateinischer, griechischer und deutscher Sprache als auch in hebräischen, arabischen, syrischen, armenischen und äthiopischen Buchstaben. Offensichtlich wollte der innovative Verleger damit seine Leistungsfähigkeit unterstreichen und Kunden beeindrucken.

Das Buch gehört zu den attraktiven Schaustücken einer Ausstellung, der die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz den Titel „Exotische Typen. Orient im Buchdruck – Buchdruck im Orient“ gab. Gezeigt werden im Bibliotheksgebäude an der Potsdamer Straße Spitzenleistungen der orientalischen Druckerkunst und weitere Werke, die die engen Beziehungen zwischen Orient und Okzident und das Interesse der Europäer am Wissen und der Kultur der Araber, Juden, Armenier, Inder und anderer Völker demonstrieren. Die Besucher erleben nach Worten von Ausstellungskuratorin Meliné Pehlivanian das Bild einer spannungsreichen und befruchtenden Wechselbeziehung zwischen Orient und Okzident. „Zuerst waren es Juden, die bald nach der Erfindung des Buchdrucks, nämlich 1475, die neue Setztechnik verwendeten. Es folgen die Armenier, die Handschriften durch den Druck mit dem Ziel vervielfältigten, gefährdetes Kulturerbe vor dem Untergang zu retten und die eigene Identität bewahren.“

Gleich eingangs zieht eine 1494 in Brescia gedruckte hebräische Bibel neugierige Blicke auf sich. Martin Luther hat sie als Vorlage für die Übersetzung des Alten Testaments ins Deutsche verwendet und sie mit Anmerkungen auf den Seitenrändern versehen. Enkel des Reformators verkauften den Band 1595 dem späteren brandenburgischen Kurfürsten Joachim Friedrich. Später gelangte die Bibel in die 1661 gegründete kurfürstliche Büchersammlung, aus der sich die heutige Staatsbibliothek entwickelte.

Ein paar Schritte weiter sind hebräische Inkunabeln ausgelegt, also Wiegendrucke, die bereits im 15. Jahrhundert hergestellt wurden. Erinnert wird an weitere Pioniere der Druckerkunst, so an die Osmanen, die sich 1729 als erstes muslimisches Volk der Druckerkunst bedienten. Fortschrittlich waren auch die Perser. Sie verwendeten die vor 200 Jahren in Europa entwickelte Lithographie zur Herstellung prächtig illuminierter Druckwerke. Zu sehen sind schließlich kostbar mit Goldprägung dekorierte islamische Einbände sowie Drucke in indischen Sprachen, die bereits vor über 200 Jahren Goethe, Herder und die Brüder Schlegel fasziniert haben.

Die bis zum 10. Juni laufende Ausstellung ist bei freiem Eintritt Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, am Samstag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Katalog kostet in der Ausstellung 16, im Buchhandel 23 Euro.

Helmut Caspar

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