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Gesundheit: Exponate gestohlen?: Schmutzige Wäsche um Pharaonen-Sarkophag - Museumsleiter dunkler Erwerbspraktiken beschuldigt

In den Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz herrscht Alarmstimmung. Beate Salje, Direktorin des Vorderasiatischen Museums, ist entsetzt: "Diese Geschichten liefern denjenigen Munition, die solche Funde wie den Pergamon-Altar oder das Ischtar-Tor zurückfordern.

In den Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz herrscht Alarmstimmung. Beate Salje, Direktorin des Vorderasiatischen Museums, ist entsetzt: "Diese Geschichten liefern denjenigen Munition, die solche Funde wie den Pergamon-Altar oder das Ischtar-Tor zurückfordern." Auch ihr Kollege Dietrich Wildung, Chef des Ägyptischen Museums, befürchtet, dass die Diskussion um die Rückgabe von archäologischen Kostbarkeiten an die Fundländer neu entfacht werden könnte. "Wir sind die Sachwalter der Vergangenheit dieser Staaten und pflegen ihr Erbe viel intensiver, als sie es selbst könnten", sagt Wildung. "Da brauchen wir eine weiße Weste."

Doch nun behauptet ausgerechnet einer seiner Mitarbeiter, dass diese Weste jede Menge Flecken aufweist. Was war geschehen? Auf der Jahrestagung der deutschen Ägyptologen Anfang Juli in Heidelberg erhob Rolf Krauss vom Berliner Ägyptischen Museum schwere Vorwürfe gegen Direktoren Ägyptischer Sammlungen. Sie seien in krumme Geschäfte verwickelt und hätten gestohlene Artefakte gekauft. Ausgerechnet seinen eigenen Chef griff Krauss namentlich an: Wildung, damals noch Direktor der Staatlichen Sammlung Ägyptischer Kunst in München, habe 1980 die Reste eines Pharaonen-Sarkophags erstanden, die wahrscheinlich zwischen 1915 und 1931 aus dem Museum in Kairo gestohlen worden waren. Der Fund aus einem Grab im Tal der Könige war 1907 entdeckt worden und enthielt außer dem gut erhaltenen Sarkophag-Deckel noch Überbleibsel der Sarg-Wanne.

Diese Überbleibsel - Goldfolien, Halbedelsteine und Holzstücke - sorgen jetzt für Aufsehen. Denn der "Spiegel" hat die Vorwürfe von Krauss öffentlich gemacht. Nach dem Ankauf wurde die Sargwanne in München restauriert - aber niemals ausgestellt. Inzwischen leitetet Wildungs Frau, Sylvia Schoske, das Münchner Museum. Und auch sie halte den Sarg unter strengem Verschluss, so der Vorwurf. "Alles Quatsch", verteidigt sich Wildung. Jeder Experte, der wolle, könne die Wanne im Magazin in Augenschein nehmen, sagte er dem Tagesspiegel. Denn als der Kunsthändler Nicolas Koutoulakis ihm die Fundstücke anbot, fasste Wildung nach eigenen Angaben einen sehr langfristigen Plan: "Mir kam die spontane Idee, die Rückführung der Stücke nach Ägypten in die Wege zu leiten."

Nicht ganz selbstlos, wie Wildung einräumt. Er hoffte, "dass die Ägypter als Gegenleistung dem regelmäßigen Austausch von Leihgaben zustimmen würden." Seit 16 Jahren verhandele man nun schon mit der ägyptischen Altertümerverwaltung. Man wollte der ägyptischen Seite den Gesichtsverlust ersparen, der das Resultat einer öffentliche Debatte um den Sarkophag und vor allem um sein Verschwinden aus dem Kairoer Museum gewesen wäre. "Irgendwann wäre die Sarkophagwanne ganz still wieder im Kairoer Museum aufgetaucht und alle wären zufrieden gewesen." Doch das Faustpfand scheint nicht zu wirken, denn die Ägypter zieren sich. "Wahrscheinlich deshalb, weil sie dann erklären müssten, wie es zu dem Verschwinden der Fundstücke kommen konnte", vermutet Wildung.

Warum überhaupt müssen sich ehrwürdige Museen auf dem weltweiten Kunstmarkt nach Exponaten umsehen, wo die Gefahr, auf Stücke mit dunkler Herkunft zu treffen, sehr groß ist? Die Zeiten eines Howard Carter, der Tutenchamun entdeckte, oder Robert Koldewey, der für die Berliner Museen Babylon ausgrub, sind vorbei. Im 19. und Anfang des 20. Jahrhundert konnten Archäologen einen Teil der Funde noch sozusagen als Lohn für ihre Bemühungen unbehelligt aus den Fundländern ausführen. Doch dann richteten diese Staaten Altertümerverwaltungen ein, die dafür sorgten, dass die Funde im Lande blieben.

"Nur in Ausnahmefällen, besonders bei Notgrabungen, sichern die Fundstaaten auch heute noch eine Fundteilung zu", sagt Beate Salje vom Vorderasiatischen Museum. Notgrabungen zur Rettung antiker Denkmäler, die durch den Bau eines Staudammes bedroht sind, stehen unter enormen Zeitdruck. Die Staaten wenden sich dann an die internationale Fachwelt und bitten um Unterstützung und bieten dann Fundteile als Entschädigung an. Da also die Quellen der direkten Funde nahezu versiegen, müssen die Museen andere Wege finden, um neue Forschungs- und Ausstellungsobjekte für ihre Sammlungen zu finden - ohne die ein Museum schnell seine Attraktivität für die Besucher verlöre.

Nach den Vorwürfen in Richtung Berliner Ägyptisches Museum versucht man sich in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu dem das Museum gehört, in Schadensbegrenzung. Den Einrichtungen würden häufiger Ausgrabungsstücke aus dunklen Quellen angeboten, heißt es bei der Stiftung. Wenn ein neues Artefakt auftaucht, dann besteht bei den Fachleuten immer der Verdacht, dass es aus einer Raubgrabung stammt. Man frage deshalb prinzipiell bei den örtlichen Antikenverwaltungen nach, ob das Stück vermisst werde - erst wenn die Verwaltungen grünes Licht geben, nimmt das Museum das Angebot an.

"Als öffentlich-rechtliche Einrichtung haben wir ein ganz klares Interesse daran, dass bei der Herkunft unserer Ausstellungsstücke nichts im Unklaren bleibt", sagt der Direktor der Stiftung Klaus-Dieter Lehmann. Grundsätzlich werde bei allen angebotenen Stücken die Herkunft geprüft. Sollte man sich da einmal irren, sei die Stiftung immer bereit, die Exponate zurückzugeben. "Wir behalten nichts, was uns nicht rechtmäßig gehört!", betont Lehmann.

Die Sorge seiner Museumsdirektoren, dass die Vorwürfe an Wildung Munition für die schwelenden Rückgabeforderungen mancher Herkunftsländer bieten könnte, versteht Lehmann nicht. "Das ist doch etwas ganz anderes." Die Exponate aus den berühmten Grabungen von Schliemann oder Koldewey kamen auf Grund klarer Verträge mit den Herkunftsländern nach Berlin. "Das waren doch keine Raubzüge, wie zur Zeit Napoleons", sagt Lehmann. Zu dem konkreten Fall will sich der Stiftungschef nicht äußern. "In den nächsten Tagen werde ich mit allen Beteiligten Gespräche führen." Personelle Konsequenzen schließt Lehmann nicht aus. Derweil schießt Dietrich Wildung auf Krauss zurück. "Offensichtlich geht es hier nur um Publizität."

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