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Gesundheit: Exzesse unterm Spardiktat

TURNERS THESEN zu Bildung und Politik Den Berliner Hochschulen droht eine Radikalkur, die sie nicht einigermaßen heil überstehen können. Sie waren lange besser ausgestattet als vergleichbare Einrichtungen in den anderen Bundesländern.

TURNERS THESEN

zu Bildung und Politik

Den Berliner Hochschulen droht eine Radikalkur, die sie nicht einigermaßen heil überstehen können. Sie waren lange besser ausgestattet als vergleichbare Einrichtungen in den anderen Bundesländern. Das ist längst Vergangenheit, wenngleich immer noch Restposten vorhanden sind – als Überbleibsel eines politisch motivierten Ausbaus, der Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts begann. Diese Restposten dürften allerdings geschleift werden, wenn die „fortschrittlichen Kräfte“ jener Zeit demnächst in Rente gehen. Das aber wird nicht genügen.

Nach der Wende hat ein Ausbau von Hochschuleinrichtungen stattgefunden, der nicht hätte in Angriff genommen werden dürfen, wenn man die finanziellen Perspektiven realistischer eingeschätzt hätte. Manches lässt sich kaum zurückdrehen, wie etwa der Ausbau von Adlershof, wobei die Verlagerung von Disziplinen weg vom Zentrum der Humboldt-Universität schwer nachvollziehbar ist. Bei Einsparvorschlägen muss die erste Überlegung dahin gehen, sich auf die Kernkompetenzen zu besinnen. Bei technisch ausgelegten Institutionen ist das einfacher; bei universitär im eigentlichen Wortsinn konzipierten Anstalten gibt es eine solche Begrenzung nicht. Da hilft nur die harte Richtschnur, dass es einer ausgefeilten Begründung für Doppelangebote bedarf. Disziplinen nur unter dem Aspekt des Wirtschaftsstandorts Berlin zu sehen, wie es der Finanzsenator tut, greift zu kurz. Allerdings stößt er mit seiner Wortmeldung nur in ein Vakuum, das der Wissenschaftssenator mangels inhaltlicher Präsenz schafft. Relevant sind Fächer auch, wenn die Absolventen später nicht in Berlin tätig sein werden. Hier ginge ein Werbe- und Sympathiepotenzial im In- und Ausland verloren, das durchaus Reflexe für den Wirtschaftsstandort haben kann.

Die Hochschulen haben immer wieder konstruktiv zur Bewältigung von finanziellen Engpässen beigetragen. Es wurden auch jeweils feste Zusagen bezüglich der „Haltbarkeit“ von Entscheidungen gegeben. Bestand haben sie nicht gehabt. Warum soll man jetzt glauben, dass es diesmal anders ist? Eine Antwort können nur Verträge mit längerer Laufzeit sein, also fünf bis zehn Jahre. Außerdem müsste das Hochschulrecht entschlackt werden. Es geht immer noch viel zu viel Zeit und damit Geld durch eine aufgeblähte Gremienstruktur verloren. Auch die Zahl der freigestellten Personalratsmitglieder etc. ließe sich reduzieren, ohne dass dadurch begründete Anliegen der betroffenen Gruppe weniger wirksam vertreten werden könnten. Die Absicht aus Reihen der derzeitigen Regierungskoalition, zum Beispiel das politische Mandat für die verfasste Studentenschaft vorzusehen, wirkt da nicht gerade so, als stünde Wirtschaftlichkeit an erster Stelle. Das gilt auch für den Entwurf eines Gesetzes zur Hochschulmedizin, wonach bis zu 6,5 Personen als Frauenbeauftragte freigestellt werden können. Sparvorschläge aus den Kreisen der Regierung wirken halbherzig, solange Gesetze bestehen oder vorbereitet werden, die solche Exzesse enthalten.

Wenn in Berlin nicht wirklich ein Ruck durch die Hochschulpolitik geht, sieht es düster aus. Noch immer ist zu viel Ideologie spürbar. Nur streng an den Aufgaben der Hochschulen in Lehre und Forschung ausgerichtete Regeln, befreit von dem Ballast von überzogener Mitwirkung, verbunden mit unumstößlichen finanziellen Garantien, können den Vertrauensverlust im Inneren und außerhalb leidlich wettmachen.

Berlins Wissenschaftssenator a.d.

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