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Gesundheit: Fälschungen aus der Ferne

Das Geschäft mit falschen Zeugnissen aus dem Ausland boomt/Hindernis für die Internationalisierung der Unis

Wirklich gerne spricht niemand darüber, denn ausnahmslos jede bundesdeutsche Universität ist an der Aufnahme ausländischer Studierender interessiert. Sie sorgen schließlich für ein gutes Renomée. „Nein, fragen Sie lieber jemand anderen. Dazu kann ich Ihnen gar nichts sagen“, lautet eine häufige Antwort, wenn man nach den „schwarzen Schafen“ unter den ausländischen Studierenden fragt. Internationalisierung heißt das Zauberwort – und so strömen alljährlich viele tausend Studentinnen und Studenten aus aller Herren Länder an die deutschen Hochschulen. Die meisten von ihnen kommen momentan aus China, aber auch in den osteuropäischen Ländern gilt das Studium in Deutschland noch immer als attraktiv.

Diese jungen Männer und Frauen bereichern die Studienlandschaft in Deutschland. Und doch geht es bei ihrer Einschreibung nicht immer mit rechten Dingen zu. Die zuständigen Immatrikulations- und Auslandsämter haben häufig Probleme mit Bewerbern. Die Liste dieser Probleme reicht von gefälschten Schul- und Hochschulabschlüssen bis hin zu Prüfungen in Deutschland, die nicht von den Antragstellern absolviert werden, sondern gegen Bezahlung von Strohmännern.

Am Studienkolleg der Universität Potsdam wurden zum Wintersemester 2002/2003 nach erfolgreicher Teilnahme am Aufnahmetest zwanzig mongolische Studierende immatrikuliert. Sechs von ihnen wurden mit sofortiger Wirkung sowohl die Zulassung zum Studienkolleg als auch die Immatrikulation wieder entzogen, da ganz offensichtlich andere Kandidaten als sie selbst zum Test erschienen waren. „Wir wissen zumindest von einer Studentin, dass für diesen Betrug Gelder gezahlt wurden. Die anderen fünf Studierenden bestreiten alles, haben aber sofort das Kolleg verlassen und die Gelegenheit zu einem klärenden Gespräch nicht mehr wahrgenommen. In zwei Fällen war es uns auch nicht mehr möglich, den Bescheid zuzustellen", hieß es in einem damals verbreiteten Rundschreiben. Spielen sich solche Vorgänge auch an anderen deutschen Bildungseinrichtungen ab?

Rosita Wildhage ist überzeugt: „Davon kann man wohl ausgehen, wenn auch nicht unbedingt in dieser Größenordnung.“ Wildhage arbeitet im Immatrikulationsamt der Universität Oldenburg. Sie hat kürzlich ein gefälschtes chinesisches Siegel entdeckt. Ihr Fund war kein Einzelfall. Angesichts einer Vielzahl an Fälschungen wurde an der Deutschen Botschaft in Peking eigens eine „Akademische Prüfstelle“ (APS) eingerichtet, deren inzwischen rund 30 Mitarbeiter nicht nur sämtliche chinesischen Bewerbungsunterlagen unter die Lupe nehmen, sondern auch so genannte Plausibilitäts-Interviews mit einzelnen Bewerbern durchführen. Ende vergangenen Jahres hatten sich in der APS mehr als 12000 Anträge angesammelt. Doch inzwischen ist auch auf die so genannten APS-Zertifikate kein Verlass mehr. Deutschen Behörden liegen seit geraumer Zeit Hinweise auf „Machenschaften chinesischer Fälscher“ vor. In einem Rundbrief des „Deutschen Akademischen Austausch-Dienstes“ (DAAD) ist sogar von „organisierter chinesischer studentischer Kriminalität zum Beschaffen der Zugänge für die deutschen Hochschulen“ die Rede.

Das Geschäft mit den Fälschungen boomt und so ist es nicht verwunderlich, dass sich der DAAD immer wieder etwas Neues ausdenken muss, um den chinesischen Zertifikatsfälschern ihr Handwerk zu erschweren. Ob das allerdings wirklich erfolgreich sein kann, davon ist Rosita Wildhage nicht überzeugt. „In einer chinesischen Großstadt kann man exzellente Fälschungen nahezu an jeder Straßenecke kaufen“, sagt sie und fügt hinzu: „Echtheitsüberprüfungen sind äußerst schwierig, aber immerhin hat sich die Lage seit der Einführung des APS-Zertifikats wieder entspannt.“

Die Zeugnisse mancher Staaten seien zu neunzig Prozent gefälscht und müssten deshalb vor einer Zulassung in Deutschland besonders überprüft werden, so Wildhage. Das Augenmerk der deutschen Kontrolleure richtet sich besonders auf Länder, die eine völlig andere Schrift haben, als wir. Trotzdem sei es manchmal nicht sehr schwer, den Schummlern auf die Spur zu kommen: „Ein Bewerber hatte auf dem Foto bereits stärkere Geheimratsecken als in Natura, ansonsten war die Ähnlichkeit verblüffend. Überführt habe ich ihn durch Zufall zehn Minuten später, als ich ihn mit seinem Bruder – dem eigentlichen Bewerber – in der Cafeteria überraschte.“

Fakt ist, dass die meisten ausländischen Studienplatzbewerber wegen mangelnder Deutschkenntnisse abgelehnt werden. Auch das hat sich inzwischen herum gesprochen und Fälscher auf den Plan gerufen. So überrascht es nicht, dass man in vielen Ländern neuerdings auch gefälschte Sprachzertifikate erwerben kann. Die BWL-Studentin Vessela Tsvetanova hat in ihrer bulgarischen Heimatstadt Pleven sogar von der Existenz kleiner Firmen erfahren, die den Studienbewerbern der Einfachheit halber gleich alle fehlenden Dokumente fälschen, die erforderlich sind, um in Deutschland anerkannt zu werden. Die Balkanrepublik gilt unter Experten schon lange als Fälscherparadies.

Wird man angesichts dieser vielen Schummeleien in der täglichen Arbeit nicht irgendwann frustriert? Wildhage schüttelt energisch den Kopf. Objektiv betrachtet gebe es mit den ausländischen Studierenden, die sich an deutschen Universitäten immatrikuliert haben, keine Probleme. Das gelte nicht zuletzt auch für die chinesischen Studenten, die jedoch leider dazu neigten, sich selbst zu ghettoisieren: „Statt den Kontakt mit anderen zu suchen, verbringen sie den Tag vorwiegend mit anderen Chinesen, kochen aus Kostengründen gemeinsam im Studentenwohnheim chinesische Reisgerichte und ihre Präsenz im Stadtbild verhält sich keineswegs proportional zu ihrem Anteil an der Studentenschaft“, sagt sie und fügt seufzend hinzu: „Das ist schade.“

Stefan Appelius

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