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Gesundheit: Feuerprobe für Europas Raumfahrt

Der erste Start der neuen Ariane-5-Rakete schlug fehl – in dieser Woche folgt der zweite Versuch

Von Rainer Kayser, dpa

Mehr als 50 Meter hoch ragt die Rakete in den Himmel über Französisch-Guayana. Wenn am späten Freitagnachmittag auf dem Raketenbahnhof Kourou die Triebwerke der neuen Ariane-5 zünden, werden bei den europäischen Weltraum-Ingenieuren die Nerven blank liegen. Denn im Dezember 2002 misslang der erste Start der neuen Großrakete: Drei Minuten nach dem Start verglühte sie in einem Feuerball.

Die neue Ariane-5 soll eine Nutzlast von bis zu zehn Tonnen in den Orbit schaffen und so das Betreiberkonsortium Arianespace auf dem internationalen Markt für Satellitenstarts für die kommenden Jahre konkurrenzfähig halten. Denn die TV- und Kommunikationssatelliten sind immer größer geworden: Jeder zweite Satellit wiegt heute schon über vier Tonnen. Konkurrenzfähig sind Starts mit der Ariane aber nur, wenn sie zwei Satelliten gleichzeitig im All aussetzen kann. „Bei Einzelstarts sind die Preise der Russen nicht zu schlagen“, sagt Horst Holsten, der von Anfang an maßgeblich an der Entwicklung der Ariane beteiligt war.

Außerdem brauchen die Europäer den kosmischen Schwerlasttransporter für ambitionierte Raumfahrtvorhaben: von der Installation des Satelliten-Navigationssystems „Galileo“ bis zu einem neuen Raumfahrzeug, das künftig die Versorgung der Internationalen Raumstation sichern soll. Größere Treibstofftanks, ein leistungsstärkerer Raketenmotor und eine neue Oberstufe vergrößern die Schubkraft der Ariane-5-ECA gegenüber einfachen Ariane-5 um fast 20 Prozent – und erhöhen so die Nutzlast von sechs auf zehn Tonnen.

Als am 13. Dezember 2002 der erste Startversuch der Ariane-5-ECA fehlschlug, war dies ein Schock für Europas recht erfolgsverwöhnte Raketenbauer. Über 70-mal in Folge hatte in den Jahren zuvor die Ariane-4 ohne einen einzigen Fehlstart Nutzlasten ins All befördert. Und auch die erste Version der Ariane-5 hatte sich nach einem Fehlstart als zuverlässig erwiesen.

Doch die neue Ariane-5 wich bei ihrem Jungfernflug schon zwei Minuten nach ihrem Start vom Kurs ab. In 70 Kilometern Höhe über dem Atlantik, drei Minuten nach dem Start, mussten die Techniker die Rakete sprengen. Neben der 150 Millionen Euro teuren Ariane stürzten auch die Trümmer von zwei Satelliten im Wert von 300 Millionen Euro ins Meer.

Das Kühlsystem des neuen Haupttriebwerks „Vulkan“ hatte versagt, wie die sorgfältige Untersuchung des Unglücks ans Licht brachte. Ein vermeidbarer Fehler. Die Raketenbauer hatten das Kühlsystem auf Basis der Erfahrungen mit der Ariane-4 hochgerechnet und auf teure und aufwändige Vakuumtests verzichtet. Die tiefere Ursache dafür war im System der europäischen Raketenproduktion zu finden: Am Bau des Kühlsystems waren fünf Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Schweden und der Schweiz beteiligt – bei keiner dieser Firmen lag die volle Verantwortung.

Arianespace zog Konsequenzen. Der Bau der Ariane wurde dem Luft- und Raumfahrtkonzern EADS übertragen, der nun die Verantwortung für die gesamte Produktion trägt. Zum Direktor für das Ariane-Programm berief EADS den deutschen „Vater der Ariane“: Horst Holsten. Unter seiner Aufsicht wurden die versäumten Vakuumtests nachgeholt, das Kühlsystem verstärkt.

Und dabei blieb es nicht. Insgesamt zwei Jahre tüftelten die Experten an dem Vulkan-Triebwerk herum. Die Triebwerksdüsen erhielten innen einen zusätzlichen Wärmeschutz aus Zirkoniumoxid. Um ihre mechanische Stabilität zu verbessern, wurden sie um 15 Zentimeter verkürzt und mit zusätzlichen Verstärkungsringen aus einer hitzebeständigen Speziallegierung versehen. 555 Millionen Euro verschlangen die Korrekturen an der Ariane-5-ECA. „Wir haben jetzt alles getan, was man tun kann“, sagt Holsten. „Der neue Motor sollte jedenfalls nicht wieder versagen.“

Sorgen macht er sich eher um die neue Oberstufe der Ariane-5, die neun Minuten nach dem Start in 110 Kilometern Höhe zum Einsatz kommt. Denn für diese Stufe ist der Start am 11. Februar der Jungfernflug. 2002 wurde sie noch vor ihrer Zündung zerstört. „Natürlich haben wir zahlreiche Brenntests am Boden durchgeführt – aber eine Zündung im Vakuum und unter Schwerelosigkeit lässt sich auf der Erde nicht simulieren“, erklärt Holsten.

Er mahnt deshalb zur Gelassenheit: „Wir haben hier ein neues System – und da müssen wir immer mit Fehlschlägen rechnen. Auch bei der Ariane-4 gab es am Anfang vier Fehlstarts.“ Ein erneutes Versagen der neuen Ariane wäre nach Holstens Ansicht zwar ein Schock für die Beteiligten, aber nicht das Ende der europäischen Raumfahrt: „Die Regierungen wollen einen von den Amerikanern unabhängigen Zugang ins All, deshalb wird es in jedem Fall weitergehen.“

Doch das Vertrauen der Kunden leidet mit jedem Fehlstart. Während sich beim ersten Startversuch gleich ein zahlender Kunde fand, dessen 250 Millionen Euro dann über dem Atlantik verglühten, ließ sich der Frachtraum beim zweiten Versuch nicht mehr verkaufen. An Bord befinden sich zum Nulltarif ein spanisch-amerikanischer Militärsatellit und eine Satelliten-Attrappe.

Bei Arianespace ist man indes optimistisch, dass bei einem Erfolg die Kunden sofort Schlange stehen werden. Zwei weitere Starts sind noch für dieses Jahr vorgesehen, der Bau von insgesamt 25 weiteren Raketen ist bereits bei der EADS in Auftrag gegeben. Und die Techniker tüfteln schon an der nächsten Version Ariane-5-ECB, die sogar zwölf Tonnen in den geostationären Orbit hieven soll.

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