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Gesundheit: Fischer wollen ihre Teiche vor den räuberischen Vögeln schützen und packen die Flinten aus

Als erster Berliner trat offenbar Alexander von Humboldt tief in glitschigen, weißen Kormorankot und ekelte sich furchtbar. Das war nicht im hinteren Teil der Pfaueninsel, wo man derzeit die einzigen hauptstädtischen "Meerraben" nach gescheiterter Koloniegründung beobachten kann, sondern im fernen Peru.

Als erster Berliner trat offenbar Alexander von Humboldt tief in glitschigen, weißen Kormorankot und ekelte sich furchtbar. Das war nicht im hinteren Teil der Pfaueninsel, wo man derzeit die einzigen hauptstädtischen "Meerraben" nach gescheiterter Koloniegründung beobachten kann, sondern im fernen Peru. Eingeborene zeigten ihm, wie prächtig jener "Guano" ihre Gärten sprießen lässt, lobten die bis heute auf Inseln gleich millionenfach brütenden Vögel trotz ihres immensen Fischverzehrs über alle Maßen.

Bis heute ist der "Guano" auch für Südafrikas Landwirtschaft so bedeutungsvoll, dass man den Kormoranen eigens in Küstennähe enorme Brutplattformen baute. In Deutschland legt dagegen kaum jemand für den gänsegroßen, mit den Pelikanen verwandten Tauchvogel ein gutes Wort ein. Fast alle Arten der einheimischen Avifauna gehen durch Menschenverschulden teils drastisch zurück oder halten sich in mageren Beständen - nur er schaffte es, sich nach dem Jagdverbot von 1977 wieder einigermaßen auszubreiten: An die 16 000 Brutpaare werden gezählt.

Vor der systematischen Ausrottung auch des einst häufigen Fischadlers um die Jahrhundertwende gab es etwa so viele Kormorane allein an den damals weit fischreicheren Gewässern Berlins und Brandenburgs, heute nur noch an die 2010. SPD-Umweltminister Eberhard Henne, gelernter Tierarzt und Ornithologe, nennt dies "durchaus verträglich", sieht ebenso wie seine Experten kein Kormoranproblem. Henne zeigt Courage, er stellt sich gegen die Fraktion, die den Klagen der Fischer und Angler Recht gibt.

Mit den Stimmen von CDU und PDS wurde per Landtagsbeschluß das Stolpe-Kabinett gezwungen, von August an den Abschuss der geschützten Art an Teichwirtschaften unbegrenzt freizugeben. Beträchtlicher Fraßschaden muss nicht einmal mehr nachgewiesen werden, nur für befischte natürliche Gewässer, was laut Henne bisher noch niemandem gelang.

Dass Kormorane in Betrieben mit Massentierhaltung wie der stets zitierten Peitzer Edelfisch GmbH, den Umsatz schmälern können, ist auch für Henne und die Naturschutzverbände unstrittig. Auch Fisch- und Seeadler greifen auf dem 1500-Hektar-Teich-Areal ständig zu, werden indessen nicht mehr wie früher systematisch vom Himmel geholt. Hennes Ministerium erteilte bislang Einzelgenehmigungen. "Seit 1997 dürfen wir eine begrenzte Zahl von Kormoranen abschießen", so Geschäftsführer Wilfried Donath. "Seitdem ist der Schaden doch beträchtlich zurückgegangen - etwa auf ein Fünftel bis ein Drittel." Die prosperierende Edelfisch GmbH, in Deutschland unter den Branchenführern, betreibt auch Fischgroßhandel, hat eigene Verarbeitungsbetriebe und macht einen Jahresumsatz von etwa 30 Millionen Mark. Die Fischzucht ist daran laut Donath nur zu rund einem Sechstel beteiligt. Die immer wieder als "gefürchtete existenzbedrohende Fischräuber" eingestuften Meerraben können, bei Lichte besehen, dem Betrieb also wenig anhaben. Dennoch ist Donath selbst mit der neuen Verordnung, die sogar den ganzjährigen unbegrenzten Abschuss unausgefärbter Jungkormorane zuläßt, nicht zufrieden. 22 Teichwirtschaften können jetzt im Umkreis von zehn Kilometern die Neugründung von Brutkolonien verhindern, müssen bestehende aber in Ruhe lassen. Aber auch die müssten aus Fischersicht bekämpft werden dürfen.

Geschäftsführer Donath verweist auf Sachsen. "Da gibt es eine Regelung zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, überhaupt keine Brutansiedlung zuzulassen. Daher ziehen sich diese Vögel natürlich nach Brandenburg zurück."

Kurios, dass sich die Abschussbefürworter in Landtagen und Ministerien immer auf den Potsdamer Erich Rutschke, Deutschlands Kormoranpapst, berufen. Der unlängst Verstorbene wird stets sehr selektiv zitiert, etwa weil er auf die "geradezu explosive Zunahme" des "verhassten europäischen Fischräubers" hinweist, der Aal, Hecht und Zander ebensowenig wie der Mensch verschmähe. Laut Rutschke zweifelt bei den Fischern, in Behörden und großen Teilen der Öffentlichkeit kaum jemand daran, dass die Einstufung des Kormorans als "fischereischädlich" berechtigt ist.

Dann allerdings liefert er fast nur noch schlagende Argumente gegen sämtliche deutschen Kormoranverordnungen und für eine "interessante Tierart mit hochentwickelten sozialen Lebensformen und erstaunlichen körperlichen Leistungen", die trotz des unablässigen Mediengedröhnes nur wenige Menschen aus eigener Anschauung kennen.

Der Kormoran braucht täglich rund 500 Gramm Nahrung. Aber frisst er, wie von den Fischern behauptet, tatsächlich durchweg nur jene edlen Arten, die sie eigentlich vermarkten wollten? Laut Rutschke ist dies komplett falsch. Vielmehr bevorzugt der schöne Tauchvogel in den natürlichen Gewässern jene wirtschaftlich uninteressanten kleinen Weißfische, die sich in den letzten Jahren massiv vermehrten.

Ursache ist die immer intensivere, dazu hoch subventionierte Landwirtschaft. Überreichlich eingesetzte Düngemittel werden in Seen und Teiche gespült, stimulieren das Algenwachstum, lassen Schilfgürtel absterben, Laichplätze der Edelfische teilweise oder sogar ganz verschwinden. Die Aktivität der Kormorane, so der Experte, sei daher ökologisch günstig, liege auch im Interesse der Fischer, da Weißfischarten die gewünschte Produktivität der Gewässer schmälerten.

Wie weit der Kampf gegen den vermeintlichen Sündenbock Kormoran gehen kann, sieht man in Mecklenburg-Vorpommern, wo mehr als die Hälfte der deutschen Kormoran-Paare brüten. Fischerpräsident Egon Schlieker beschwört sogar "Hitchcocks Albtraum von den Vögeln", Bernd Schütze, Chef einer Genossenschaft am Strelasund, sieht beim Auslaufen den Himmel oft schwarz von Kormoranen.

Der Stralsunder Ornithologe Peter Strunk hat einen offiziellen Betreuervertrag für die Strelasund-Brutkolonie von Niederhof, gegen die Schlieker und Schütze vorgehen. Sie wurden ertappt und handelten sich prompt ein Bußgeldverfahren ein. Mit nagelneuen, über zwölftausend Mark teuren französischen Lasergewehren, die jetzt auch in Brandenburg flächendeckend eingesetzt werden dürfen, vertreiben sie mitten in der Brutzeit mehrfach nachts über viertausend Kormoraneltern von ihren Nestern, laden dazu auch noch die örtliche Presse ein.

Die Aktion scheint völlig legal, ist aber komplett gesetzwidrig - pikanterweise stellte das Schweriner PDS-Umweltministerium Tage zuvor eine Genehmigung aus. "Es hätte doch wissen müssen, dass dann schon Junge geschlüpft sind - laut Bundesnaturschutzgesetz ist bei geschützten Arten wie dem Kormoran jede Störung während der Aufzucht strikt verboten", so ein kritischer Umweltbeamter.

Schlieker und Schütze richten die gefährlichen, aber waffenscheinfreien Lasergewehre solange auf die Kormorane, bis diese sich nicht mehr zu ihren hilflosen, wärmebedürftigen Jungen zurückwagen, kritisieren Umweltschützer. Sie verstoßen damit auch gegen die Genehmigung, in der zumindest formal stand, den Lasereinsatz abzubrechen, sobald erste Jungvögel vorhanden seien.

"Wir hatten angenommen, die meisten Tiere bebrüteten noch die Eier", sagt Schlieker auf Nachfrage. Sie wollten keine Vögel töten, sondern diese nur aus den Nestern vertreiben, damit die Eier erkalten, keine Junge schlüpfen. Dann jedoch muß Schlieker einräumen, oben in den Nestern durchaus schon Jungvögel gesehen zu haben: "Natürlich sind schon die ersten Jungen im Nest", sagte er wörtlich.

Drohen nun allenthalben bayerische Verhältnisse? Nirgendwo in Europa werden soviele Kormorane abgeschossen wie seit 1996 im Freistaat: jährlich über 5000. Auch der Fischadler war dort einmal häufig zu sehen. Aufgrund fortdauernder Verfolgung gibt es von der eigentlich streng geschützten Art höchstens noch ein bis zwei Brutpaare. In Brandenburg sind es immerhin noch über 200.

Klaus Hart

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