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Gesundheit: Forscher finden eine Erklärung für die Entstehung von Tiefenbeben

Aus Vulkankratern schießen Rauchfontänen empor, glühende Lavamassen wälzen sich talwärts. Die Szene wiederholt sich in Mexiko, auf Sizilien oder den Philippinen - Bilder, die deutlich machen, welch gewaltige Stoff- und Energieströme unter der dünnen Erdkruste fließen.

Aus Vulkankratern schießen Rauchfontänen empor, glühende Lavamassen wälzen sich talwärts. Die Szene wiederholt sich in Mexiko, auf Sizilien oder den Philippinen - Bilder, die deutlich machen, welch gewaltige Stoff- und Energieströme unter der dünnen Erdkruste fließen.

Für Erdbeben, deren Schäden regional begrenzt bleiben, werden oberflächennahe Gesteinsbrüche verantwortlich gemacht. Tiefenbeben dagegen machen sich auch in größerer Entfernung bemerkbar. Diese Beben spielen sich zwischen 400 und 700 Kilometern Tiefe ab, dort, wo die Ozeankruste unter die Kontinente abtaucht. Temperaturen und Drücke sind dort jedoch so hoch, dass Gesteinsbrüche nach gängiger Theorie gar nicht vorkommen dürften.

David Rubie und sein Team am Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth konnten diesen scheinbaren Widerspruch klären. Licht ins Dunkel brachten drei im Höchstdrucklabor aufgebaute, millionenteure Pressen. In den Pressen wird eine Druckzelle mit Hilfe von Stahlblöcken und -stempeln aus extrem hartem Wolfram-Karbid zusammengequetscht und aufgeheizt. Auf diese Weise kann erforscht, wie sich beispielsweise Olivin, das häufigste Mineral des oberen Erdmantels, verhält, wenn es stark unter Druck gerät.

Selbst in der größten Presse, einem 65 Tonnen schweren Koloss, lassen sich gerade einmal 12 Kubikmillimeter große Proben untersuchen. Auf die Probensubstanz wirkt ein Druck bis zu 300 Kilobar. Solche Drücke, mehr als 300 000mal so viel wie an der Erdoberfläche, und Temperaturen von 1700 Grad Celsius charakterisieren die Verhältnisse etwa 700 Kilometer tief unten im Erdmantel. Bei den Experimenten wird das Institut von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie von der Europäischen Union mit Fördermitteln unterstützt.

"Und sie brechen doch!" So lautet Rubies Diagnose des Verhaltens der Gesteine im unteren Erdmantel. Dort wandelt sich Olivin, ein eisen- und aluminiumhaltiges Silikat, in andere Zustandsformen um. Die zunehmend hohen Drücke und Temperaturen zwingen die Atome in den Kristallen dazu, sich neue Plätze zu suchen, eine dichter gepackte Anordnung zu finden. Die entstehenden Strukturen - zunächst "Wadsleyit" dann "Ringwoodit" - zeichnen sich durch eine sechs oder acht Prozent höhere Dichte aus.

Wenn diese Veränderungen nicht nach und nach, sondern ganz plötzlich auftreten, kann es zu schlagartigen Erschütterungen, den Tiefenbeben, kommen. Dies scheint in den Subduktionszonen des Erdmantels der Fall zu sein: Die abtauchende Ozeankruste ist deutlich unterkühlt gegenüber dem umgebenden heißen Erdmantel. Deshalb bleibt Olivin während der Fahrt nach unten erhalten, bis sich das Mineral in 550 bis 600 Kilometern Tiefe plötzlich umwandelt.

Wie die ultrafeinen Körner der Hochdruckminerale Wadsleyit und Ringwoodit aussehen, zeigt das Bayreuther Transmissions-Elektronenmikroskop in bis zu zehnmillionenfacher Vergrößerung. "Wir machen eine Reise in den Mikrokosmos und erhalten damit Informationen über Vorgänge im Makrokosmos", sagt der Mikroskopie-Experte Falko Langenhorst. Bildanalysen des Hochdruckminerals aus den Pressen sollen erklären, wie die Gesteine des Erdmantels aufgebaut sind. Linsenförmige Flecke auf dem Monitor zeigen eine Art Momentaufnahme eines Tiefenbebens.

Eine Tür weiter zeigt Hans Kepplers Live-Show, wie sich Substanzen unter extremen Bedingungen vereinigen. In einer "Diamantstempelzelle" können Drücke von Millionen Atmosphären und Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius erreicht werden. Die von außen bis auf 1200 Grad beheizbare Diamantzelle ist eine Bayreuther Spezialität.

Wer die kleine Apparatur bedienen will, braucht offenbar viel Fingerspitzengefühl. "Manche trainieren jahrelang, ohne es zu schaffen", scherzt Keppler. Der geübte Chemiker dagegen packt eine Miniprobe per Nadel auf eine winzige Diamantenspitze und legt eine kleine Dichtung darum. Die Probe wird zwischen den Spitzen zweier Diamanten zusammengepresst und auf 1200 Grad erhitzt. In mancher Hinsicht ist das kleine Gerät den riesigen Pressen überlegen. Ein Vorteil bei der Verwendung von Edelsteinen ist es etwa, dass sie für sichtbares Licht, Infrarot- und Röntgenstrahlen sowie Ultraschall durchlässig sind. "So können wir live beobachten, was passiert, wenn Druck und Temperatur ansteigen", sagt Keppler. Nachteilig ist, dass nur kleine Probenmengen untersucht werden können.

Kepplers Monitor zeigt jetzt einen weißen Klecks geschmolzenen Silikats, in den kleine Wassertropfen eindringen. Dass sich Silikatschmelze (Magma) und Wasser im oberen Erdmantel vollständig miteinander mischen, konnten die Bayreuther Forscher erstmals nachweisen. "Schmelzen mit hohem Wassergehalt sind sehr mobil", sagt Keppler. Sie könnten leicht aus dem Mantel in die darüberliegende Erdkruste aufsteigen. Beim Abkühlen entmischen sich die Substanzen schlagartig wieder. Die in der kleinen Diamantzelle dabei sichtbaren Turbulenzen lassen die Kräfte erahnen, mit denen glühendes Magma aus Vulkankratern geschleudert wird.

Die Bayreuther Forscher fanden heraus, dass die Minerale der absinkenden ozeanischen Kruste beim Erreichen des Erdmantels noch etwa ein zehntel Prozent Wasser in ihren Kristallen enthalten können. Über geologische Zeiträume summiert, gelangt auf diese Weise eine gewaltige Wassermenge in den Erdmantel zurück. Als Reservoir dienen vor allem die Minerale Wadsleyit und Ringwoodit, die Hochdruckformen des Olivins, die zwei bis drei Prozent Wasser aufnehmen können. Das Speichervolumen beträgt ein Mehrfaches der gesamten Ozeanmasse.

Diese Ergebnisse widerlegen die bisherige Annahme, dass Wasser nur aus dem Erdmantel an die Oberfläche kommen, aber nicht in umgekehrter Richtung wieder ins Erdinnere gelangen könne. "Das erklärt auch, warum der Meeresspiegel im Laufe der Erdgeschichte mehrmals um Hunderte von Metern geschwankt ist", sagt Keppler. "Dies hielt die Evolution auf Trab." Es habe dazu geführt, dass manche Arten ausstarben und neue Lebewesen entstanden.

Paul Janositz

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