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Gesundheit: Freispruch für den Kaffee

Neue Forschungen zeigen: Kaffee und schwarzer Tee sind keine Flüssigkeitsräuber, wie bisher geglaubt

Der Mensch soll nach Möglichkeit anderthalb Liter am Tag trinken. Dumm nur, dass des Deutschen Lieblingsgetränke Kaffee, schwarzer Tee, Bier und Wein bei dieser Flüssigkeitsbilanz bisher nicht zählten, weil sie nach Auffassung von Wissenschaftlern und Ernährungsexperten dem Körper mehr Wasser entzögen als zuführten.

Aber das könnte ein Irrtum sein. Zumindest für koffeinhaltige Getränke haben aktuelle Forschungen die entwässernde Wirkung nicht belegen können. „Die Meinung, dass Kaffee dem Körper Wasser entzieht, beruht auf falsch interpretierten Daten früherer Studien“, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Kaffee wäre sonst ein verschreibungspflichtiges Diuretikum, also ein harntreibendes Medikament, und kein Getränk.

Kristin Reimers von der Universität in Omaha ließ Studienteilnehmer mehrere Tage lang zwei Liter verschiedener koffeinfreier und koffeinhaltiger Getränke wie Kaffee, Tee oder Cola trinken und verglich nach 24 Stunden ihre jeweiligen Urinmengen. Dabei stellte sich heraus, dass diese bei Koffeinkonsumenten und Nichtkonsumenten gleich groß war. Im Unterschied zu anderen Studien hatte Reimers die Probanden nicht angewiesen, vor Beginn der Untersuchung auf den gewohnten Koffeinkonsum zu verzichten.

Zum gleichen Ergebnis kommt nach Angaben der Techniker-Krankenkasse die systematische Auswertung von Studien, in denen zwischen 1969 und 2002 der Einfluss von koffeinhaltigen Getränken auf den Wasserhaushalt des Körpers untersucht wurde: Die üblicherweise getrunkene Menge an Kaffee, Tee und koffeinhaltigen Limonaden zeigt keine erwähnenswerte wassertreibende Wirkung. Lediglich die Einnahme von 250 bis 300 Milligramm Koffein auf einmal führte bei Personen, die zuvor über einen Zeitraum von mehreren Tagen oder Wochen kein Koffein konsumiert hatten, zu einer kurzfristig gesteigerten Urinproduktion.

Menschen, die an Koffein gewöhnt sind, scheiden erst ab einer Dosis von über 300 Milligramm Koffein mehr Flüssigkeit aus. Das entspricht etwa drei bis vier Tassen Kaffee.

„Regelmäßiger und gleichmäßiger Konsum von Kaffee beeinflusst den Flüssigkeitshaushalt allein durch die mit dem Kaffee zugeführte Wassermenge“, folgern die DGE-Experten. In der Flüssigkeitsbilanz können Kaffee und Tee also getrost mitgezählt werden. Die Geschichte vom Kaffee als Flüssigkeitsräuber sei eine Mär.

Auch der geistigen Fitness nutzt der Konsum von kleinen, auf den Tag verteilten Koffeindosen, zeigt eine Untersuchung von James Wyatt von der Universität von Chicago. Seine Probanden mussten einen Monat lang im Rhythmus eines 43-Stunden-Tages leben. Die Hälfte der Gruppe bekam während der 29-stündigen Wachphase stündlich so viel Koffein, wie es zwei Schlückchen Kaffee entspricht. Diese Teilnehmer schnitten bei Tests der geistigen Leistungsfähigkeit besser ab, nickten während der Wachphase seltener ein und fühlten sich dennoch zu Beginn der Ruhephase schläfriger als die Kontrollpersonen.

„Der Großteil der Bevölkerung wendet Koffein falsch an", meint Wyatt. Wenn man nur morgens einige Tassen Tee oder Kaffee trinke, dann falle der Koffeinspiegel im Laufe des Tages wieder. „Unglücklicherweise gewinnt der physiologische Prozess, dem das Koffein entgegenwirkt, also das Schlafbedürfnis, erst in der zweiten Tageshälfte an Bedeutung.“

Es gibt noch einen Grund weniger für Kaffeetrinker, ein schlechtes Gewissen zu haben. Schon seit einiger Zeit mehren sich die Hinweise, dass Kaffee gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzt und sogar vor Krebs schützen könnte. Darauf deuten Studien von Veronika Somoza von der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in Garching hin. Zumindest im Tierversuch konnte sie nachweisen, dass der beim Rösten entstehende Inhaltsstoff Methylpyridinium die Aktivität von bestimmten Enzymen im Blut um bis zu 40 Prozent ankurbelt. Diese Gruppe von Enzymen macht Fremd-, Gift- oder Krebs erregende Stoffe unschädlich.

Solche Ergebnisse sollten nach Ansicht von Forschern aber nicht dazu verleiten, es mit dem Kaffeetrinken zu übertreiben. Bisher ist der Verdacht nicht ausgeräumt, Kaffee fördere Herzerkrankungen und begünstige Osteoporose, da er dem Körper Kalzium entziehe. Drei bis vier Tassen pro Tag aber hält auch die DGE für unproblematisch. Denn wie immer gilt: Die Dosis macht das Gift.

Margit Mertens

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