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Gesundheit: Geburt: Risiken durch Kaiserschnitt

Seit Stunden kommen die Wehen in voller Stärke. Doch das Kind will partout nicht heraus.

Seit Stunden kommen die Wehen in voller Stärke. Doch das Kind will partout nicht heraus. Jetzt lässt auch noch sein Herzschlag nach. Für die Geburtshelfer eine klare Sache: Es geht in den OP zum Kaiserschnitt.

Die "Sectio" durch Bauchdecke und Gebärmutter kann dem Nachwuchs das Leben retten. Immer mehr Kinder kommen auf diesem Weg zur Welt. In Deutschland sind es mittlerweile 19 Prozent, fast jedes fünfte Kind also. Natürlich sind das nicht alles akute Notfälle: Manche Kinder liegen falsch herum, andere haben einen zu großen Kopf oder die Mutter bekommt einfach keine Wehen. Gelegentlich schlagen Ärzte einen geplanten Schnitt vor, der zumindest für das Kind meist das Risiko verringert.

Was tun beim zweiten Kind?

Für viele Mütter stellt sich anschließend jedoch die Frage: Was mache ich beim nächsten Kind? Eine groß angelegte Untersuchung könnte ihnen jetzt Entscheidungshilfe geben. Mona Lydon-Rochelle und ihre Kollegen an der Universität von Washington in Seattle, USA, analysierten die Geburten von mehr als 20 000 Zweitgeborenen, deren Mütter ihr erstes Kind per Kaiserschnitt entbunden hatten. Sie veröffentlichten ihre Forschungsergebnisse jetzt im Fachblatt "New England Journal of Medicine" (Band 345, Seite 3).

Ergebnis der Untersuchung: Das Risiko, dass während der Wehen die Belastung für die Gebärmutter zu groß wird und sie entlang der Narbe reißt, war um das Dreifache erhöht, wenn die Frauen Wehen bekamen und nicht vor Einsetzen der natürlichen Geburt per Kaiserschnitt entbanden. In absoluten Zahlen waren 5,2 statt 1,6 auf tausend Frauen betroffen.

Beschleunigten die Geburtshelfer die Niederkunft künstlich, stieg die Gefahr zum Teil immens: Leiteten sie die Wehen zum Beispiel mit dem Hormon Prostaglandin ein, erlitten fast 25 von tausend Frauen einen Gebärmutterriss, bei anderen Hilfsmitteln waren es 7,7. Nicht zuletzt aus Angst vor solchen Komplikationen rieten viele Ärzte Schwangeren, die bereits eine Schnittentbindung hinter sich hatten, lange Zeit prinzipiell zum geplanten Kaiserschnitt vor dem berechneten Geburtstermin. Heute sind die meisten Mediziner weniger rigoros.

Bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft könne man es auch mit einer normalen, spontanen Geburt versuchen, sagen sie. Das Risiko sei vergleichsweise gering und die Erfolgsaussichten, dass es nicht erneut zum Kaiserschnitt komme, lägen je nach Land und Studie immerhin bei 60 bis 90 Prozent.

"Wir machen die Entscheidung von verschiedenen Bedingungen abhängig, etwa der Form und Größe des Beckens im Magnetresonanzbild, der Größe und Lage des Kindes oder dem Alter der Mutter", sagt Roland Zimmermann von der Klinik für Geburtshilfe am Universitätsspital Zürich. Für ihn bestätigt die neue Studie vor allem frühere Ergebnisse, dass die Kaiserschnittnarbe umso leichter reiße, je stärker die Wehen seien.

Und weil bei einer "medikamentösen Stimulation" die Wehen meist besonders stark ausfallen, empfiehlt er: "Immer dann, wenn eine Schwangerschaft aus medizinischen Gründen beendet werden muss, ist wegen des Risikos eines Risses statt einer Einleitung eine erneute Schnittentbindung vorzuziehen."

Todesrate erhöht

Gerade angesichts der neuen Studie sollten betroffene Frauen möglichst an einer Klinik entbinden, die für die schnelle Notfallversorgung bei Risikogeburten eingerichtet sind. Sie sollten sich rechtzeitig über die Symptome eines Gebärmutterrisses informieren. Und sie sollten nicht auf den letzten Drücker in die Klinik gehen. Solche Vorsichtsmaßnahmen verringern nach Expertenmeinung die Gefahr, dass der Riss für das Kind tödlich endet. In der Studie aus Seattle riss die Gebärmutter bei 91 der gut 20 000 Frauen. Bei gut fünf Prozent von ihnen starb daraufhin das Kind - eine Todesrate, die zehnmal höher ist als bei den restlichen analysierten Geburten.

Dieses Ergebnis widerspricht dem Resultat einer Meta-Analyse früherer Forschungen, die vor zehn Jahren erschien, kommentiert Michael F. Greene vom Massachusetts General Hospital in Boston, USA. Damals registrierten Wissenschaftler keine erhöhte Kindersterblichkeit, wenn Mütter Wehen bekamen, die bereits einen Kaiserschnitt hinter sich hatten.

Dass Ärzte zweifelnden Schwangeren heute viel öfter als früher zur spontanen Geburt raten, ist auch eine Folge dieser Analyse. Und es liegt natürlich daran, dass die normale Geburt für die Mutter eine Reihe von Vorteilen hat: Schmerzhafte Geburtsfolgen sind geringer, sie können das Krankenhaus früher verlassen, sind insgesamt körperlich fitter und schneller erholt.

Nach dem zweiten Kaiserschnitt

Zudem birgt auch der zweite Kaiserschnitt Gefahren, berichtet der Zürcher Geburtshelfer Zimmermann: "Das Risiko, dass bei einer erneuten Schwangerschaft der Mutterkuchen durch die Narbe hindurch Richtung Blase wächst, ist eindeutig erhöht."

Dennoch müssen Ärzte und Patienten nun umdenken, glaubt der amerikanische Experte Michael Greene. Zwar sei "die absolute Differenz" der Sterblichkeitsrate zwischen den beiden Gruppen - Geburt nach Wehen oder per geplantem Kaiserschnitt - in der neuen Studie mit einem Tod auf 417 Geburten "relativ gering". Doch die Betroffenen würden das dramatische Ausmaß der potenziellen Bedrohung weitaus mehr gewichten als die abstrakte Zahl.

"Wir müssen diese Fragen mit jeder Patientin diskutieren und sie muss ihre Entscheidung selbst treffen", ist Greenes Fazit. Sollte ihn eine betroffene Frau in Zukunft jedenfalls nach der sichersten Geburt für ihr Baby fragen, stehe seine "aufrichtige Antwort" fest: "der geplante Kaiserschnitt".

Peter Spork

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