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Gesundheit: Geduscht bis nach Moskau

Der Lastkraftwagenfahrer der nahen Zukunft stellt seine matschbeschmierten Schuhe in einer Duschkabine ab.Auf der Reise werden sie dort von einem automatischen Lüftungssystem getrocknet.

Der Lastkraftwagenfahrer der nahen Zukunft stellt seine matschbeschmierten Schuhe in einer Duschkabine ab.Auf der Reise werden sie dort von einem automatischen Lüftungssystem getrocknet.Die Naßzelle befindet sich schräg hinter dem Lenkrad in der Fahrerkabine.Diese ist unterteilt in Driver-Unit mit verschiebbarem Sitz, Computer sowie Kühl- und Wärmebox und Privatbereich mit Bett, Küchenzeile und Stauraum.Wenn er auf einem Rastplatz ankommt, kann der Fahrer also unter die Brause springen und Spaghetti Bolognese in die Mikrowelle schieben.So jedenfalls stellen sich Design-Studenten der Fachhochschule Potsdam den "Truck of the Year 2010" vor.In Kooperation mit den Firmen Mannesmann VDO, ITT Automotive und Isringhausen entwarfen sie drei unterschiedliche Modelle, die, so der Dekan Professor Michael H.Stratmann, von den Unternehmen "sehr gut aufgenommen wurden".Jetzt hoffen die junge Kreativen, daß die Fachwelt ihre Anregungen übernimmt.

Für das Design-Projekt begaben sich die Studenten auf Recherchetouren zu Brandenburger Raststätten.Dort interviewten sie LKW-Fahrer über ihre Riesenfahrzeuge."Viel zu wenig Platz in der Kabine", hörten sie und notierten Klagen über Rückenschmerzen, Hämorrhoiden und Verdauungsstörungen.Diese Beschwerden werden durch das lange und unbequeme Sitzen verursacht.Die Fahrer "freuten sich, daß sie endlich einmal gefragt wurden", berichtet Bea Seggering: Schließlich wissen sie als Profis bestens Bescheid über die Mängel der Trucks.In drei Teams entwarfen die Studenten dann Kunststoffmodelle der Fahrerkabinen, wie sie in zwölf Jahren die europäischen Straßen entlangbrettern könnten.Warum 2010 und nicht 2080? "Wir wollten Konzepte, die finanziell und technisch tatsächlich realisierbar sind", sagt Torsten Redlich.Wer weiß, in 82 Jahren landen die LKWs vielleicht im Technikmuseum.Doch bis dahin werden noch Hunderte von Fahrzeugen Tausende von Kilometern hinter sich bringen - fürs Personal eine oft langwierige und anstrengende Angelegenheit.Die Studenten stellten daher die Bedürfnisse des Fahrers in den Mittelpunkt.Während sich ein Team darauf konzentrierte, dem Fahrer einen sicheren Ein- und Ausstieg zu ermöglichen und den Sitz samt Pedal und Lenkrad höhenverschiebbar zu gestalten, richtete ein anderes sein Augenmerk auf die leichte Bedienbarkeit der Armaturen und auf die Einteilung in Arbeits- und Privatsphäre.In jedem Fall sollen die Rückenbeschwerden durch bessere Sitzgelegenheiten gelindert werden.Die drei Entwürfe, die den beteiligten Firmen präsentiert wurden, betrachten die Studenten als anregende Erfahrung in Sachen Teamwork."Sechs Designer auf einen Haufen - das ist ganz schön anstrengend", berichtet Verena Paepcke.Kompromisse mußten gefunden, Kritik wurde verkraftet.Paepcke fand es schön, den Fachleuten "frei von irgendwelchen Beschränkungen Denkanstöße zu geben." "Die sind vielleicht betriebsblind und kommen selbst nicht darauf", glaubt auch Bea Seggering.

Praxisprojekte, die in Kooperation mit Firmen oder anderen Partnern außerhalb der Uni gestaltet werden, sind fester Bestandteil des Design-Studiums in Potsdam.Pro Semester legen die jungen Kreativen ein bis zwei Entwürfe dieser Art vor.Die Fachhochschule, die erst vor sechs Jahren gegründet wurde, bietet die Studiengänge Produktdesign und Kommunikationsdesign an.17 Professoren vermitteln den derzeit rund 260 Immatrikulierten die Grundlagen der Gestaltung, der Illustration, der Fotografie, der Typografie, der Kultur- und Kunstgeschichte.Rund tausend Interessenten bewarben sich um die 62 Plätze, die im Wintersemester zur Verfügung stehen.

"Wir wollen natürlich die Besten, um auch die besten Absolventen zu haben", sagt Professor Stratmann, der auf die Konkurrenz mit den Berliner Ausbildungsstätten hinweist.Etwa die Hälfte der Studenten wohnt in der Hauptstadt; die meisten kommen mit der Regionalbahn nach Potsdam.Die Fachhochschule lockt, weil sie so neu ist, frische Ideen zuläßt und daher zur Identifikation einlädt."Man hört hier nie: Das machen wir schon immer so", sagt Bea Seggering.Da lohnt sich freilich der weite Weg in die Pappelallee.

Fachhochschule Potsdam, Fachbereich

Design, Pappelallee 8-9, 14 469 Potsdam, Telefon 0331 / 580 1401.

JOSEFINE JANERT

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