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Gesundheit: Gefährlicher als der Weiße Hai

Es gibt 350 Arten von Großquallen. Die meisten sind harmlos – einige von ihnen aber gehören zu den giftigsten Tieren der Welt

Quallen können den schönsten Strandurlaub vermiesen. Obwohl sie meist von ätherischer Schönheit sind und zum größten Teil aus Wasser bestehen, rufen sie eher Ekel als Entzücken hervor.

Dabei begegnen wir in Nord- und Ostsee nur harmloseren Spezies wie Ohren- oder Feuerquallen. Die Feuerqualle (Cyanea capillata) wurde in einem Sherlock-Holmes-Roman zwar schon mal für den Tod eines Schwimmers verantwortlich gemacht. Normalerweise verursacht sie aber nicht mehr als ein Brennen auf der Haut. In den tropischen Meeren dagegen schwimmen Quallen herum, die zu den giftigsten Tieren der Welt gehören. In Australien, Südostasien oder in der Karibik richten sie weit mehr Unheil an als der so gefürchtete Weiße Hai.

Das liegt an den unzähligen, winzigen Nesselkapseln, mit denen die Fangarme der Quallen für den Beutefang gerüstet sind. Jede dieser Kapseln birgt einen zusammengerollten Schlauch, der in eine mit Widerhaken besetzte Spitze mündet. Bei der kleinsten Berührung explodieren die Kapseln und schießen ihre Mini-Harpunen ab. Der ein bis zwei Millimeter lange Nesselschlauch injiziert ein Gift, das je nach Quallenart aus paralysierenden Substanzen unterschiedlicher Stärke besteht. Sie sind für ihre Beute – kleine Fische oder Garnelen – gedacht, machen aber auch vor Menschen nicht Halt. Zumal sie sich mit einem Druck von 140 Atmosphären – 70-mal mehr als in einem Autoreifen – durch die nackte Haut bohren. Die Mehrzahl der rund 350 Arten von Großquallen schadet aber dem Menschen nicht. Nur ein paar Dutzend verursachen Schmerzen, Allergien, Fieber, Kreislaufstörungen, Übelkeit.

Lebensgefährlich sind Begegnungen mit den Würfelquallen: allen voran die Seewespe (Chironex fleckeri). Mit einem Schirm von bis zu 35 Zentimetern im Durchmesser hat die Seewespe etwa den Umfang eines Balls. Dieser Quallenkörper ist so harmlos, dass er auf den Philippinen von Fischern sogar gegessen wird, als Salat in Sojasauce mariniert oder im Wok gegart. Aber die mehr als 60 Tentakeln, die bis zu drei Meter lang werden, machen die Seewespe zu einem besonders giftigen Exemplar.

Wehe dem, der in die Fänge des bläulich schimmernden Wesens gerät. Ein heftig schneidender Schmerz – wie von einer Messerattacke – ist die Folge. Der Schmerz kann Stunden oder Tage dauern. Weitere Symptome: Schwindel, schwacher Herzschlag und Atemnot, die häufig zur Bewusstlosigkeit führt. Dann besteht akute Lebensgefahr, besonders für Kinder.

Bei starkem Nesselkontakt können selbst eine sofortige medizinische Versorgung des Opfers und die Verabreichung eines Gegengiftes (Antiserum) den Menschen nicht mehr retten. Diejenigen, die überleben, tragen furchtbare, teils wulstige Narben davon. Was selbst Toxikologen erstaunt, ist die ungeheure Wirksamkeit des Giftes, das als „Nervenblocker“ fungiert. Der Nesselsaft einer einzigen Seewespe, so erklärt der Meeresbiologe und Quallenexperte Thomas Heeger, würde ausreichen, um 250 erwachsene Menschen zu töten.

Das ist umso verblüffender bei einem Wesen, das ansonsten an Einfachheit kaum zu überbieten ist. Manche Quallenarten bestehen aus mehr als 90 Prozent Wasser. Nur zwei Zellschichten, eine äußere und eine innere, halten ihre gallertige Masse zusammen, die ähnliche Substanzen enthält wie der Knorpel von Wirbeltieren. Mit diesem einfachen Bauplan behaupten sich die Seewespen seit mindestens 670 Millionen Jahren auf dem blauen Planeten. Lichtempfindliche Zellen und Gleichgewichtsorgane ermöglichen die Orientierung im Wasser.

Zurück in heimische Gefilde. Was Badegäste an Nord- und Ostsee schreckt, ist ein massenhaftes Auftreten von Quallen. Dazu kommt es, wenn zu viele Nährstoffe aus der Landwirtschaft und dem Abwasser in die Küstengewässer gespült werden. Die fördern das Wachstum des Planktons – von dem sich die Quallen ernähren.

Monika Rößiger

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