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Gesundheit: Gegen „Lehrknechte“

Wissenschaftsrat will Professuren statt Lecturer

Bisher spielt die Lehre für die Reputation eines Professors nur eine geringe Rolle. Wissenschaftler planen ihre Karriere über die Forschung. Das möchte der Wissenschaftsrat ändern. Künftig sollen 20 Prozent der deutschen Professoren ihren Schwerpunkt in der Lehre haben, ohne deswegen schlechter bezahlt zu werden oder schlechter ausgestattet zu werden, empfiehlt das einflussreiche Beratungsgremium. Das wären 7560 von 37 800 Professoren in Deutschland. In einem zweiten Schritt will der Wissenschaftsrat dann im November Empfehlungen für eine gute Lehre verabschieden. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, sagte am Montag in Berlin: „Gute Lehre lässt sich lernen und fällt nicht als Gnadenakt vom Himmel.“

Die Professoren mit dem Schwerpunkt Lehre sollen zweierlei bewirken: Die Studentenmassen, die bis zum Jahr 2020 an die deutschen Hochschulen drängen, sollen nicht nur mit Lehrangeboten abgespeist werden, sondern ein qualitativ verbessertes Lehrangebot erhalten. Für die Wissenschaftler soll das Engagement in der Lehre nicht in einer Sackgasse enden, sondern einen echten Karriereweg auf anerkannte Professuren eröffnen. Deswegen möchte der Wissenschaftsrat auch nicht, dass der Studentenberg mit „Billigdozenten“, also Lecturern mit 14 Stunden Lehrverpflichtung pro Woche, bewältigt wird, wie es Politikern vorschwebt.

Wenn die Studentenzahlen von heute 1,9 Millionen im Jahr 2020 auf 2,4 bis 2,7 Studierende steigen, erfordert das mehr Personal. Das wird Milliarden kosten. Die Studienplatzkosten pro Jahr sind an den Fachhochschulen mit rund 2670 Euro deshalb geringer als die Studienplatzkosten an den Universitäten mit durchschnittlich 5950 Euro, weil die Lehrverpflichtung der Fachhochschulprofessoren so viel höher ist als die der Universitätsprofessoren. Ein Fachhochschulprofessor muss 18 Stunden pro Woche lehren, ein Universitätsprofessor nur acht bis neun Semesterwochenstunden. Viele Bildungspolitiker erwägen deshalb, den Lecturer als Billiglösung mit 14 Semesterwochenstunden einzuführen.

Angesichts der Unterfinanzierung der Universitäten gingen immer mehr Institute dazu über, Professuren für habilitierte Nachwuchswissenschaftler auszuschreiben, die 18 bis 20 Semesterwochenstunden auf sich nehmen müssen und nur für fünf Jahre eingestellt werden, kritisierte Strohschneider: „Die mächtigen Ordinarien kaufen sich ein paar Lehrknechte.“

Der Wissenschaftsrat will etwas anderes. Juniorprofessoren sollen in ihrer ersten Qualifikationsphase sechs bis acht Semesterwochenstunden lehren. In der zweiten Qualifikationsphase nach drei Jahren wird das Lehrdeputat auf acht bis zehn Semesterwochenstunden erhöht. Erhalten die Juniorprofessuren danach einen Ruf auf eine Professur mit dem Schwerpunkt Lehre, so soll sich die Lehrverpflichtung auf zwölf Semesterwochenstunden erhöhen. Ein Professor mit dem Schwerpunkt Lehre soll seine Arbeitszeit zu 60 Prozent der Lehre widmen, zu 30 Prozent der Forschung und zu zehn Prozent der akademischen Selbstverwaltung.

Die Professuren mit dem Schwerpunkt Lehre können nur in Ländern eingeführt werden, die ihre Gesetze dafür entsprechend gestalten. Eine bundesweite Regelung über das Hochschulrahmengesetz ist nach der Föderalismusreform nicht mehr möglich. Denkbar ist, dass nicht alle Länder Professuren für Lehre schaffen, sondern stattdessen allein auf den Lecturer setzen. Die Folge könnte ein bundesweiter Flickenteppich in der Personalstruktur der Hochschulen sein.

Der konservative Hochschulverband kritisierte die vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Professuren für Lehre als „abwegig“. Das Lehrdeputat von Professoren liege mit acht bis neun Semesterwochenstunden bereits international überdurchschnittlich hoch. Hingegen begrüßte Jan-Hendrik Olbertz, Wissenschaftsminister von Sachsen-Anhalt und Koordinator der Unionsländer in der Kultusministerkonferenz die Empfehlung. Lehrprofessuren dürften aber nicht dazu führen, die ordentlichen Professoren generell von der Lehre zu entlasten. Nur im Einzelfall dürften sie für wichtige Forschung zeitweise von der Lehre freigestellt werden können. Doris Ahnen, Wissenschaftsministerin von Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Länder auf SPD-Seite, lobte, mit dem Beschluss bekomme die Qualität der Lehre einen anderen Stellenwert. U.S./akü/-ry

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