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Gesundheit: Geistig fit durch Fettsenker? Lebenswichtiges Cholesterin

Medikamente gegen hohe Cholesterinwerte schützen vielleicht auch vor Alzheimer – aber noch steht der endgültige Beweis aus Der fettähnliche Stoff wird im Gehirn benötigt

Von Adelheid Müller-Lissner

Ziemlich genau ein Jahr ist es nun her, dass zahlreiche besorgte Menschen ihren Arzt fragten, ob sie ihren Blutfett-Senker nicht lieber absetzen sollten. Eines der Medikamente aus dieser Gruppe, das Präparat Lipobay der Firma Bayer, war gerade weltweit vom Markt genommen worden, nachdem mehr als 100 Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme gemeldet geworden waren.

Die Angst vor erhöhten Leberwerten, Auflösung von Muskeln und schweren Nierenschäden ging um. Inzwischen stehen die medikamentösen Cholesterin-Bremsen aus der Familie der Statine jedoch besser da als je zuvor: Weitere große Studien haben gezeigt, dass gefährdete Patienten das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko um ein Drittel senken können, wenn sie die blutfett-senkenden Präparate einnehmen.

Gleichzeitig schiebt sich eine mögliche Nebenwirkung in den Vordergrund, die im Gegensatz zu den bisher genannten allgemein höchst willkommen wäre: Mehrere große Studien haben inzwischen ergeben, dass die Einnahme der Cholesterinsenker zugleich das Risiko senken könnte, an Alzheimer oder anderen Formen des geistigen Abbaus im Alter zu erkranken.

Gefahr um 70 Prozent gesenkt

Für eine englische Studie wurden rückwirkend die Daten von Patienten zwischen 50 und 89 Jahren aus 368 Hausarzt-Praxen ausgewertet, die wegen erhöhter Blutfettwerte über einen längeren Zeitraum mit einem Statin behandelt worden waren. Der Vergleich mit gleich alten unbehandelten Patienten und mit solchen, die wegen einer anderen Krankheit beim Arzt waren, ergab: Statin-Einnehmer hatten überraschenderweise ein um 70 Prozent verringertes Risiko, an einer Demenz zu erkranken.

Hinter dem Begriff Demenz verstecken sich verschiedene Ursachen. Dass die Statine gegen Hirnleistungsstörungen schützen, die durch Ablagerungen in den Blutgefäßen hervorgerufen werden („Verkalkung“), passt ins gängige Wirkungs-Konzept. Doch etwa zwei Drittel aller Demenzen sind vom Alzheimer-Typ. Dabei lagern sich Eiweißstoffe, die Amyloid-Plaques, im Gehirn ab. Sie verdrängen und zerstören Nervenzellen und deren lebenswichtige Verbindungen.

Was hat das Cholesterin mit diesen Vorgängen zu tun? Möglicherweise trägt eines der Lösungswörter den chemischen n 24-S-Hydroxy-Cholesterin. Das ist ein Cholesterin-Abbauprodukt aus dem Gehirn, und mit einer genauen Messmethode konnten der Klinische Pharmakologe Klaus von Bergmann von der Universität Bonn und seine Arbeitsgruppe zeigen, dass es bei Alzheimer-Patienten im frühen Stadium erhöht ist. Dass sie von einer medikamentösen Cholesterin-Senkung profitieren könnten, leuchtet also ein.

Wirkung auf Herz und Hirn

Herz und Hirn sind allerdings auch in diesem Punkt nicht gleichzusetzen: Nicht umsonst spricht von Bergmann vom „Zerebro-Sterol“, denn zwischen der Konzentration des altbekannten „schlechten“, gefäßschädigenden LDL-Cholesterins und dem des neu entdeckten 24-S-Hydroxy-Cholesterins im Blut müssen keine Zusammenhänge bestehen. Die Statine sind aber offensichtlich in der Lage, auf beide Formen des Cholesterins einzuwirken.

„Im Tierexperiment und auch beim Menschen hat sich inzwischen gezeigt, dass sie die Cholesterinproduktion im Gehirn herabsetzen und die Bildung des Beta-Amyloids verhindern“, sagt von Bergmann. Und das, obwohl wegen der Blut-Hirn-Schranke – einer natürlichen Membranbarriere, die das Gehirn vor unliebsamen Stoffen schützen soll – wahrscheinlich nur kleine Mengen der Substanz ins Gehirn gelangen.

Die bisherigen Untersuchungen spielten sich entweder im Labor ab oder waren rückwirkende Auswertungen von Daten. Der Blutfett-Experte Larry Sparks aus Arizona, der schon vor Jahren Kaninchen mit cholesterinreicher Nahrung mästete, bis sie in ihrem Verhalten Symptome geistiger Verwirrung und im Gehirn massive Eiweiß-Ablagerungen zeigten, hat jetzt mit einer gezielten Statin-Studie an 120 Alzheimer-Patienten begonnen. Sie soll ergeben, ob die Cholesterin-Senker den geistigen Abbau wirklich aufhalten oder die Symptome sogar verringern können.

Zudem fragt sich natürlich, ob die Statine nicht schon zur Vorbeugung gegen das gefürchtete und weit verbreitete Altersleiden taugen. „Grundsätzlich glaube ich, dass solche Hoffnungen zu Recht bestehen“, sagt Ivar Roots. Der Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie der Charité weist darauf hin, dass den Blutfett-Senkern in den letzten Jahren neben ihrer Wirkung auf die Gefäße auch schon eine Schutzfunktion gegen Dickdarmkrebs, Knochenschwund und Autoimmunerkrankungen zugesprochen wurde. Er zählt sie zu den Medikamenten, die „das Zeug dazu haben, für die langfristige Vorbeugung eingesetzt zu werden“.

Wie bei der ebenfalls gefäßwirksamen Acetylsalicylsäure („Aspirin“) müsse man allerdings die Zielgruppe bestimmen, die von der Vorbeugung mit Statinen einen Nutzen hat. Nicht nur die Kosten, sondern auch die möglichen Nebenwirkungen zwingen dazu.

Noch ist das alles ohnehin Zukunftsmusik: „Wir müssen jetzt erst einmal den Beweis erbringen, dass eine medikamentöse Senkung des 24-S-Hydroxy-Cholesterins das Auftreten von Alzheimer wirklich vermindert", fordert von Bergmann. Und sein Kollege Ralf Stahlmann vom Uniklinikum Benjamin Franklin mahnt: „Vor einem Jahr wurden die Risiken der Statine übertrieben. Wir dürfen jetzt nicht in den umgekehrten Fehler verfallen und Wunder von ihnen erwarten.“

Cholesterin ist ein lebenswichtiger fettähnlicher Stoff, der im Körper selbst produziert, überwiegend aber mit der Nahrung aufgenommen wird. Es kommt im gesamten Körper vor, besonders im Gehirn. Es wird von Lipoproteinen durch das Blut transportiert. Zwei wichtige Trägersubstanzen des wasserunlöslichen Cholesterins sind das LDL („Low density lipoprotein“) und das HDL („High density lipoprotein“). LDL bringt Cholesterin in die Organe. Als „schlecht“ gilt es, weil es sich an den Blutgefäßen absetzt. Das „gute“ HDL transportiert Cholesterin zur Leber.

Das Protein Beta-Amyloid lagert sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten ab, wenn Vorläuferproteine aufgrund krankhafter Prozesse in Bruchstücke zerfallen, die nicht mehr „entsorgt“werden können. Ob und wie diese Vorgänge mit dem Cholesterin-Stoffwechsel im Gehirn zusammenhängen, ist ungeklärt.aml

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