zum Hauptinhalt

Gesundheit: Gelähmtes Dahintreiben

Folgenden Erfahrungsbericht schreibe ich als Replik auf die Betrachtung der Uni-Dozentin: Humboldt-Universität. Acht Uhr in der Frühe.

Folgenden Erfahrungsbericht schreibe ich als Replik auf die Betrachtung der Uni-Dozentin: Humboldt-Universität. Acht Uhr in der Frühe. 40 Studierende versammeln sich zum Studium. Warten auf die Dozentin. Eine lähmende Stille lastet im Raum. JedeR wartet für sich allein; liest Zeitung oder krallt sich an Unterlagen fest. 40 vereinzelte Einzelne. Schweigendes Nebeneinander. Auch ich starre auf meine Kopien, schließe mich in mein Vereinzeltsein ein. Mir schwant: Der Winter wird nicht besser als der Sommer. Dessen Kontaktbilanz war mager wie nie zuvor: Null neue Adressen. Es ist jetzt dreiviertelneun, und niemand geht. Zehn vor Neun bricht das Schweigen. "Ich habe ein Handy. Hat jemand die Telefonnummer des Sekretariats?" Ich habe. Sie ruft an. Es schrillt ins Nichts. Neun Uhr. Anruf. Nichts. Nächste Woche ist Exkursion, und alles ist unklar. Schweigendes Auseindergehen.

Ich rolle mit der BVG zur Universitätsbibliothek der FU. Eine Stunde Fahrtzeit. Grund: Ein vorgemerktes Buch abgeben, ein weiteres vorlegen, um es zu verlängern. Ich stehe am Ende einer langen Warteschlange. 30 Minuten warten wir. Dann rückt die Schlange vor. O Schreck! Das zweite Buch ist auch vorgemerkt, am Wochenende wollte ich doch excerpieren.

Rückfahrt zum Humboldt-Institut. Es ist 12.30 Uhr: Kein Aushang wegen der Exkursion. Vier Tage später hängt der Zettel am Schwarzen Brett: Die Exkursion wird sein. Aber kein Treffpunkt und keine Treffzeit! Auswärtige Telefonnummer der Dozentin. Schon beim Tastendrücken schäme ich mich, der x-ste Anrufer zu sein. Die Nummer ist besetzt und besetzt und irgendwann frei. Halbwütendes Stöhnen am anderen Ende. Ich bin der X-ste, der anruft. Ich soll es weitersagen. Aber ich kenne niemand.

All das geschieht zu oft und immergleich. Die ewige Wiederholung lähmt das Protestieren-wollen. Das Schlimmste ist: Ich mag mich nicht mehr beschweren, mag mich nicht mehr aufregen. Aber irgendwo tief drinnen tut es weh und macht traurig: dieses schweigende, spurenlose Dahintreiben in einem Zeit-Raum, der Studium heißt.

Wolfgang Ratzel[Student]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false