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Gesundheit: Geld für die jungen Wilden

Exzellenzförderung sollte Sache der Wissenschaft sein, nicht der Politik Von Dieter Lenzen

Ungefähr ein Jahr ist es jetzt her, dass Jürgen Kluge von McKinsey dem Bundeskanzler vorschlug, in Deutschland für Eliteuniversitäten zu sorgen. Edelgard Bulmahn bekam den Auftrag, alles Weitere zu organisieren. Im Juli 2004 gab es ein Konzept. Es war erkennbar ein Kompromiss zwischen Wissenschaft und Politik. In einem gestaffelten Verfahren sollten zunächst Graduiertenschulen und Exzellenzcluster in den Jahren 2006 bis 2011 gefördert werden. Erst in einem zweiten Schritt sollten die Sieger des Exzellenzwettbewerbs die Chance bekommen, sich um den Status einer „Spitzenuniversität“ zu bewerben.

Dann kam das Scheitern der Föderalismuskommission dazwischen. Jetzt gibt es nur eine vernünftige Option: Überweisung der 1,9 Milliarden Euro an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, wie die Wissenschaftsminister von Bayern und BadenWürttemberg vorschlagen.

Warum? Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist die nationale Förderungsagentur mit der größten Expertise, der höchsten Reichweite und den strengsten Qualitätskriterien. In etlichen Fächern muss die DFG heute hervorragende Anträge ablehnen oder zurückstellen, weil die Mittel nicht reichen. Spitzenforschung kann aber nur spitze sein, wenn sie rechtzeitig kommt, nach Möglichkeit früher als bei den Wettbewerbern im Ausland. Die DFG ist ein Garant dafür, dass Spitzenförderung nicht zum Gegenstand fauler Kompromisse zwischen dem Bund und den Ländern wird. Die Förderung von Spitzenforschung ist eine reine Qualitätsfrage, sonst nichts. Selbstverständlich kann man der DFG aufgeben, auch strukturelle Gesichtspunkte bei der Bewilligung zu berücksichtigen, also die Bündelung von Forschungsanträgen in dafür aus wissenschaftlichen (nicht politischen) Gründen geeignete Regionen zu betreiben. Und: Es bestünde die Möglichkeit, einen Teil der Mittel so zu vergeben, dass viel versprechender junger Hochschullehrernachwuchs auch mit einer Grundausstattung so versorgt wird, dass er überhaupt antragsfähig ist. Denn eines zeigt sich deutlich: Wir müssen die jungen „wilden“ Wissenschaftler halten, ihre Motivation nutzen, ihre Ideen. Dafür benötigen sie aber auch Geld.

Spitzenwissenschaft ist eine Angelegenheit der Wissenschaft, nicht der Politik. Deswegen ist gegenüber dem neuen Vorschlag, statt ganzer Universitäten nun exzellente Fakultäten zu fördern, Zurückhaltung geboten. Denn es gibt keine Fakultät in Deutschland, die ausnahmslos Spitzenwissenschaftler hervorbrächte.

Wenn jetzt weiter gezögert wird, entsteht der Verdacht, die Politik habe die Lust an der Exzellenz verloren, wenn sie sie nicht selbst definieren kann. Leidtragende sind nicht nur begabte Wissenschaftler, sondern der Wirtschaftsstandort Deutschland. Zur Erinnerung: Um im OECD-Ranking des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt vom derzeit 18. Platz (von 29) auf den dritten aufzusteigen, benötigt unser Bildungssystem jährlich 30 Milliarden mehr. 1,9 Milliarden für wissenschaftliche Forschung wären ohnedies nur ein bescheidener Anfang.

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin.

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