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Gesundheit: Gemeinsam gegen Brustkrebs

Jährlich 100 000 unnötige Operationen in Deutschland – Spezielle Zentren sollen genauere Diagnose und bessere Behandlung sicherstellen

Für viele beginnt der Albtraum mit einem „unklaren Tastbefund“ beim Frauenarzt. Der Verdacht: Brustkrebs. Häufig stellt der hinzugezogene Röntgenarzt dann tatsächlich eine bösartige Veränderung des Brustgewebes fest. Oft ist das jedoch eine Fehldiagnose – zu oft: Bei zwei von drei Patientinnen in Deutschland stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Operation an der Brust nicht notwendig gewesen wäre. Jährlich summiert sich das zu 100 000 Fällen.

Auf diesen Missstand machte schon im Jahr 2001 das vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen aufmerksam. Doch bei immerhin rund 46 000 Frauen jährlich ist die Diagnose richtig. Sie sind tatsächlich am Mammakarzinom, wie der Brustkrebs in der Fachsprache heißt, erkrankt. Doch etwa die Hälfte von ihnen erhält eine mangelhafte Nachsorge. Das hat Folgen: Während in anderen europäischen Ländern wie in den Niederlanden die Überlebenszeit der Betroffenen in den letzten Jahren verlängert werden konnte, stagniert sie hier zu Lande.

Das soll nicht so bleiben. Derzeit entstehen bundesweit Brustzentren, die die Mängel beheben sollen. Darüber berichteten kürzlich Spezialisten von den Berliner Vivantes-Kliniken auf einer Veranstaltung der Berliner Medizinischen Gesellschaft. Die Mammazentren haben einen entscheidenden Vorteil: In einer Klinik wird modernste Diagnostik und Therapie gebündelt, sämtliche Fachdisziplinen sind unter einem gemeinsamen Dach versammelt. Gynäkologen, Radiologen, Pathologen, Chirurgen und Strahlentherapeuten können sich optimal abstimmen. „Bei uns wird jeder Fall individuell diskutiert“, sagte Klaus-Peter Hellriegel, Direktor der Klinik für Innere Medizin und Onkologie des Vivantes-Klinikums in Friedrichshain.

Mindestens 150 Operationen

Dem Klinikkonzern Vivantes mit einem Brustzentrum im Kreuzberger Urban-Krankenhaus haben sich bislang drei weitere Berliner Kliniken angeschlossen: das Universitätsklinikum Charité, das Evangelische Waldkrankenhaus in Spandau und das Helios-Klinikum in Buch. Zwei weitere sollen im kommenden Jahr dazukommen. Dabei kann sich nicht jeder Mammazentrum nennen. Sie werden von der Deutschen Krebsgesellschaft und der Gesellschaft für Senologie (Brustkunde) akkreditiert.

Die Vorgaben sind hoch. Jährlich müssen mehr als 150 Brustoperationen durchgeführt werden; jeder Chirurg muss mindestens 50 Operationen nachweisen. Auch die Diagnose soll verbessert werden. Denn für die vielen falschen Krebsbefunde machen die Fachleute die in Deutschland durchgeführte „graue“ Mammografie verantwortlich. Diese Röntgenuntersuchung der Brust wird meist ohne konkreten Verdacht und dabei, so der Vorwurf, von vielen niedergelassenen Ärzten unsachgemäß vorgenommen.

„Die Mammografie sollte dennoch weiterhin zur Diagnose des Brustkrebs verwendet werden“, sagt Michael Friedrich, Direktor des Instituts für Radiologie des Urban-Klinikums. Allerdings müsse sie in Zukunft höhere Qualitätsstandards erfüllen. Außerdem sollte sie durch Ultraschalluntersuchungen ergänzt werden. Oft können letzte Zweifel dann durch die Entnahme einer Gewebeprobe ausgeräumt werden: Bei der Stanzbiopsie wird das Gewebe mit einer Nadel aus der Brust genommen und vom Pathologen untersucht. Eine Operation ist dazu zunächst nicht notwendig.

Kein Todesurteil mehr

Jährlich sterben in Deutschland 18 000 Frauen am Mammakarzinom. Doch die Diagnose Brustkrebs ist schon lange kein Todesurteil mehr. In der Therapie konnten in den letzten Jahren Fortschritte erzielt werden. In mehr als zwei Drittel der Fälle – solche mit kleinen, nicht streuenden Tumoren – sind brusterhaltende Operationen möglich.

Der Kampf gegen den Krebs geht jedoch auch nach erfolgreicher Operation weiter. Das erneute Auftreten eines Tumors muss vermieden werden. „Nach einer brusterhaltenden Operation ist eine Bestrahlung deshalb unverzichtbar“, sagte Ursel Rühl, Direktorin der Klinik für Strahlentherapie des Vivantes-Klinikums. Doch gerade dabei gibt es noch Defizite: Laut Sachverständigengutachten wird „ein nicht unerheblicher Teil der Patientinnen“ nicht bestrahlt.

Die Mammazentren wollen nun auch berücksichtigen, dass jede Frau und jeder Brustkrebs anders ist. Wie alt ist die Patientin? Hat der Tumor bereits Metastasen, also Wucherungen, gebildet? Sind die Lymphknoten in den Achselhöhlen davon befallen? Noch werden diese häufig mit entfernt. Dabei ist mittlerweile bekannt, dass die Lymphknoten bei zwei Drittel der Patientinnen gar nicht vom Krebs betroffen sind. Nun soll die Untersuchung von Gewebeproben aus den Knoten zum Standard werden.

Werden Patientinnen mit Brustkrebs also zukünftig besser versorgt werden? „Die Zentren sind ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Susanne Schröder vom Berliner Frauengesundheitsnetzwerk, das die Interessen der Patientinnen vertritt. „Derzeit wird die Einhaltung der Standards aber noch nicht ausreichend kontrolliert.“

Elke Binder

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