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Gesundheit: Genesung auf der Schnellspur

Frisch operiert nach Hause: Die „Fast-Track-Chirurgie“ hält Einzug in Kliniken

Nur von seiner Darmoperation selbst hat Friedrich Kilian nichts mitbekommen. Gleich danach, im Aufwachraum, sollte aber angeregte Stimmung ihn schon munter machen. Noch am Abend gab es Joghurt, am nächsten Morgen hieß es aufstehen, er hat sich angezogen und im Sessel etwas Leichtes gegessen und gelesen. Am fünften Tag wurde Friedrich Kilian entlassen. Mit dem, was man landläufig unter „Ausruhen“ und „Erholung“ versteht, hatte sein kurzer Aufenthalt in der Klinik nicht viel zu tun. „Ich bin dort die ganze Zeit gefordert worden“, erinnerte er sich beim 7. Hauptstadtkongress für Anästhesiologie und Intensivmedizin im Berliner Congress Centrum.

Kilian berichtete über seine persönlichen Erfahrungen mit Veränderungen, die unter dem Fachbegriff „Fasttrack-Chirurgie“ allmählich Einzug in Deutschlands Kliniken halten. Der Begriff ist etwas missverständlich, denn nicht die Operation selbst wird hier beschleunigt, sondern der Genesungsprozess. Das gelingt unter anderem durch frühes Aufstehen und frühe Erlaubnis zum Essen und Trinken.

Das Konzept „Fast-track“ entstand aus Unzufriedenheit. Zwar haben die großen Fortschritte in der operativen Medizin in den letzten Jahrzehnten für mehr Sicherheit und auch für mehr Raffinesse bei den Eingriffen selbst gesorgt. Doch diese Erfolge wurden durch Lungenentzündungen oder Harnwegsinfekte, Herzprobleme und Thrombosen bei den oft mehrfach kranken Operierten überschattet. „Jeder vierte bis fünfte Patient entwickelt solche allgemeinen Komplikationen“, erklärte auf dem Kongress Wolfgang Schwenk von der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie der Charité. Wochenlange Krankenhausaufenthalte sind die Folge.

Der dänische Chirurg Henrik Kehlet machte die Fachwelt zu Beginn der 90er Jahre darauf aufmerksam, dass sich diese Rate verringert, wenn die Operierten in die Lage versetzt werden, schneller wieder aktiv zu sein. Inzwischen ist das in Studien für Darmoperationen klar erwiesen. Auch Schwenk konnte jetzt berichten: „Wenn wir die Behandlung rund um die Operation verbessern, erholen sich die Patienten in fast unvorstellbar rascher Weise.“

Von den Patienten, die nach dem neuen Konzept behandelt werden, habe nur jeder Zehnte eine Komplikation erlitten, jeder Zweite hat schon nach fünf Tagen das Krankenhaus verlassen, neun von zehn waren nach sieben statt nach 14 Tagen entlassen.

Nur wer keine starken Schmerzen hat, kann sich schnell wieder bewegen. Gute Schmerztherapie ist deshalb ein wichtiger Bestandteil des Konzepts. Möglich macht das unter anderem eine lokale Betäubung für den Bauchraum mit Periduralkatheter. Dafür gelangen durch einen feinen Schlauch Medikamente in die Nähe der Nerven, die Schmerzsignale aus dem Bauchraum an Rückenmark und Gehirn weiterleiten. Die Patienten können sie sich in der notwendigen Dosierung selbst verabreichen.

Starke Schmerzen gab es bei den 230 Fast-Track-Patienten, deren Darm operiert wurde, nach Schwenks Auskunft nur noch halb so häufig. Weil weniger schmerzstillende Opioide in Umlauf kommen, kommt zudem der Darm nach dem Eingriff schneller in Schwung.

„Unser Ziel ist, dass der Patient im Anschluss an die Operation rasch erwacht und kooperativ ist, dass er befreit ist von Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen“, sagte Claudia Spies, von der der Charité-Anästhesie am Campus Mitte. Norbert Haas, Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité Campus Mitte, berichtete, dass seine Fast-track-Patienten, die ein neues Hüft- oder Kniegelenk bekommen, bei den Narkose-Spezialisten schon vorstellig werden, bevor sie ihr Klinikbett beziehen. Dann kann das Vorgehen auf die individuellen Gegebenheiten zugeschnitten werden, der Aufenthalt im Krankenhaus halbiert sich. „Die Patienten kommen schneller in die Rehabilitation, und ihre Langzeitergebnisse sind besser.“

Auch für minimal invasive „Schlüsselloch“-Eingriffe zur Entfernung von Tumoren an der Prostata wurde das Fast-track-Konzept inzwischen in einer ersten Studie überprüft, wie Jan Roigas von der Charité Campus Mitte berichtete. Die Patienten konnten schon fünf bis sechs Tage nach dem Eingriff nach Hause gehen. „Inzwischen ist dieses Vorgehen in unserer Klinik Standard.“

Zumal die dort erhobenen Daten zeigen, dass die Patienten es befürworten. Die meisten Operierten sind vor allem positiv überrascht, dass sie vor und nach der Operation nicht lange fasten müssen. Einige tradierte Vorsichtsmaßnahmen haben sich nämlich inzwischen als unnötig erwiesen, die Einzelkomponenten des „Schnellspur“-Konzepts sind wissenschaftlich gut abgesichert.

Neue Operationsgebiete muss „Fast track“ sich aber noch erobern. Wissenschaftliche Absicherung ist dazu erforderlich. Zudem gibt es Einschränkungen: „Wenn ein Patient seine Mitwirkung versagt, kann man ihn nicht so behandeln“, sagte Schwenk. Auch für Notfallpatienten ist die Operation auf der Schnellspur meist nicht geeignet. Der Urologe Roigas wies zudem darauf hin, dass nicht allein der frisch Operierte, sondern auch sein Betreuer-Team dadurch intensiver gefordert wird. „Fast track beinhaltet Verdichtung der Arbeit.“

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